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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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ich versuchte in den vorliegenden Vorträgen die wichtigeren Probleme
der eigentlichen Wissenschaft der Botanik dem allgemeinen Verständ-
niß nahe zu legen, zu zeigen wie die Botanik fast mit allen tiefsten
Disciplinen der Philosophie und Naturlehre aufs Engste zusammen-
hängt und wie fast jede Thatsache oder größere Gruppe von That-
sachen geeignet ist, so gut in der Botanik wie in jedem andern Zweige
der menschlichen Thätigkeit die ernstesten und wichtigsten Fragen anzu-
regen und den Menschen vom Sinnlichgegebenen auf das geahnte
Uebersinnliche hinzuführen. --

Wenn es mir gelungen ist, das zu erreichen, daß fernerhin der
Leser dieser Skitzen von der Botanik und dem Botaniker eine würdigere
Ansicht fasse, daß er einen richtigern Begriff von dem Umfang und
den Aufgaben unserer Wissenschaft sich bilde, so bin ich zufrieden.
Sollte in weiterem Kreise durch diese Studien ein Interesse für die
Botanik selbst angeregt werden, sollte der eine oder andere Leser durch
meine Worte zu dem Wunsche verleitet werden, weiter in diese so
freundlichen und so tiefen Lehren eindringen zu wollen, so sind meine
Wünsche übertroffen.

Noch ein paar Worte über die Art der Behandlung mögen hier
Platz finden. Ich habe mich meiner Ueberzeugung getreu von allem
Schellingisch-naturphilosophischem Geschwätz, von allen Phantastereien
frei gehalten und ich bin der festen Ueberzeugung, daß die Wissen-
schaft dieses Narrenputzes nicht bedarf um interessant, geistreich auch
dem Laien zu erscheinen. Humboldt in seinen Ansichten der Natur,
Dove in seiner meisterhaften Vorlesung über das Klima von Berlin
haben uns den Beweiß gegeben, daß die Wissenschaft auch ohne die
Schminke jener bewußten oder unbewußten Lüge, welche Dichtung
dem Gedanken, Phantasie dem Wissen, Traum der Wahrheit unter-
schieben möchte, anziehend, ja selbst liebenswürdig und hinreißend
erscheinen kann. Ich habe mich wenigstens bemüht den vorliegenden
Abhandlungen soweit Schmuck zu verleihen, als meine mangelhafte
ästhetische Ausbildung mir auszutheilen verstattet. Daß es mir dabei
nicht einfällt mit jenen Meistern der Sprache in die Schranken treten

ich verſuchte in den vorliegenden Vorträgen die wichtigeren Probleme
der eigentlichen Wiſſenſchaft der Botanik dem allgemeinen Verſtänd-
niß nahe zu legen, zu zeigen wie die Botanik faſt mit allen tiefſten
Disciplinen der Philoſophie und Naturlehre aufs Engſte zuſammen-
hängt und wie faſt jede Thatſache oder größere Gruppe von That-
ſachen geeignet iſt, ſo gut in der Botanik wie in jedem andern Zweige
der menſchlichen Thätigkeit die ernſteſten und wichtigſten Fragen anzu-
regen und den Menſchen vom Sinnlichgegebenen auf das geahnte
Ueberſinnliche hinzuführen. —

Wenn es mir gelungen iſt, das zu erreichen, daß fernerhin der
Leſer dieſer Skitzen von der Botanik und dem Botaniker eine würdigere
Anſicht faſſe, daß er einen richtigern Begriff von dem Umfang und
den Aufgaben unſerer Wiſſenſchaft ſich bilde, ſo bin ich zufrieden.
Sollte in weiterem Kreiſe durch dieſe Studien ein Intereſſe für die
Botanik ſelbſt angeregt werden, ſollte der eine oder andere Leſer durch
meine Worte zu dem Wunſche verleitet werden, weiter in dieſe ſo
freundlichen und ſo tiefen Lehren eindringen zu wollen, ſo ſind meine
Wünſche übertroffen.

Noch ein paar Worte über die Art der Behandlung mögen hier
Platz finden. Ich habe mich meiner Ueberzeugung getreu von allem
Schellingiſch-naturphiloſophiſchem Geſchwätz, von allen Phantaſtereien
frei gehalten und ich bin der feſten Ueberzeugung, daß die Wiſſen-
ſchaft dieſes Narrenputzes nicht bedarf um intereſſant, geiſtreich auch
dem Laien zu erſcheinen. Humboldt in ſeinen Anſichten der Natur,
Dove in ſeiner meiſterhaften Vorleſung über das Klima von Berlin
haben uns den Beweiß gegeben, daß die Wiſſenſchaft auch ohne die
Schminke jener bewußten oder unbewußten Lüge, welche Dichtung
dem Gedanken, Phantaſie dem Wiſſen, Traum der Wahrheit unter-
ſchieben möchte, anziehend, ja ſelbſt liebenswürdig und hinreißend
erſcheinen kann. Ich habe mich wenigſtens bemüht den vorliegenden
Abhandlungen ſoweit Schmuck zu verleihen, als meine mangelhafte
äſthetiſche Ausbildung mir auszutheilen verſtattet. Daß es mir dabei
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[2/0018] ich verſuchte in den vorliegenden Vorträgen die wichtigeren Probleme der eigentlichen Wiſſenſchaft der Botanik dem allgemeinen Verſtänd- niß nahe zu legen, zu zeigen wie die Botanik faſt mit allen tiefſten Disciplinen der Philoſophie und Naturlehre aufs Engſte zuſammen- hängt und wie faſt jede Thatſache oder größere Gruppe von That- ſachen geeignet iſt, ſo gut in der Botanik wie in jedem andern Zweige der menſchlichen Thätigkeit die ernſteſten und wichtigſten Fragen anzu- regen und den Menſchen vom Sinnlichgegebenen auf das geahnte Ueberſinnliche hinzuführen. — Wenn es mir gelungen iſt, das zu erreichen, daß fernerhin der Leſer dieſer Skitzen von der Botanik und dem Botaniker eine würdigere Anſicht faſſe, daß er einen richtigern Begriff von dem Umfang und den Aufgaben unſerer Wiſſenſchaft ſich bilde, ſo bin ich zufrieden. Sollte in weiterem Kreiſe durch dieſe Studien ein Intereſſe für die Botanik ſelbſt angeregt werden, ſollte der eine oder andere Leſer durch meine Worte zu dem Wunſche verleitet werden, weiter in dieſe ſo freundlichen und ſo tiefen Lehren eindringen zu wollen, ſo ſind meine Wünſche übertroffen. Noch ein paar Worte über die Art der Behandlung mögen hier Platz finden. Ich habe mich meiner Ueberzeugung getreu von allem Schellingiſch-naturphiloſophiſchem Geſchwätz, von allen Phantaſtereien frei gehalten und ich bin der feſten Ueberzeugung, daß die Wiſſen- ſchaft dieſes Narrenputzes nicht bedarf um intereſſant, geiſtreich auch dem Laien zu erſcheinen. Humboldt in ſeinen Anſichten der Natur, Dove in ſeiner meiſterhaften Vorleſung über das Klima von Berlin haben uns den Beweiß gegeben, daß die Wiſſenſchaft auch ohne die Schminke jener bewußten oder unbewußten Lüge, welche Dichtung dem Gedanken, Phantaſie dem Wiſſen, Traum der Wahrheit unter- ſchieben möchte, anziehend, ja ſelbſt liebenswürdig und hinreißend erſcheinen kann. Ich habe mich wenigſtens bemüht den vorliegenden Abhandlungen ſoweit Schmuck zu verleihen, als meine mangelhafte äſthetiſche Ausbildung mir auszutheilen verſtattet. Daß es mir dabei nicht einfällt mit jenen Meiſtern der Sprache in die Schranken treten

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/18>, abgerufen am 28.03.2024.