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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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wenn wir die Aschenbestandtheile des Roggens vom Gehalte des
Bodens abziehen, fast genau das Verhältniß der einzelnen Stoffe
übrig, wie wir es in der Asche der Kartoffel finden. Der Schluß
ist also einfach der, daß wir in Zukunft nicht mehr, wie es im größ-
ten Theile von Europa bis jetzt geschehen, die Kartoffeln als erste
Frucht bauen dürfen, sondern daß wir mit dem Roggen anfangen
und erst die Kartoffel auf ihn oder vielleicht noch besser zwei Jahre
später auf den Klee folgen lassen müssen, wenn wir eine gesunde
Frucht erziehen und für die Zukunft von der vorjährigen Landplage
befreit seyn wollen. Der Grundsatz wird fernerhin unerschütter-
lich stehen bleiben, daß die Nahrungsstoffe, welche die Pflanze
dem Boden selbst entnimmt, im Wesentlichen nur in den unor-
ganischen Bestandtheilen desselben bestehen, daß diese und nicht die
organische Substanz im Boden seinen eigenthümlichen Reichthum
ausmachen.

In der Pflanze aber sind an die organischen Verbindungen un-
trennbar die unorganischen geknüpft, und wenn wir uns jener be-
mächtigen, müssen wir diese mit in den Kauf nehmen.

Aber dieselben sind nicht nur nicht ein unnützer Ballast, son-
dern sie sind selbst für unseren Körper und dessen Erhaltung wesent-
liche Bestandtheile. Sehen wir nun zu, woraus der Mensch eigent-
lich besteht. Nach Quetelet wiegt der erwachsene Mann durchschnitt-
lich 140 Lb., und wenn wir die große Menge Wasser, welche alle
Theile unsers Körpers durchdringt, sie geschmeidig und biegsam er-
hält, abziehen, etwa 35 Lb. -- davon kommen 13 Lb. auf die Kno-
chen und 22 Lb. auf alle übrigen Theile. Jene enthalten durchschnitt-
lich 66 %, diese 3 % erdige Bestandtheile, die beim Verbrennen als
Asche zurückbleiben. Der Mensch besteht also bis mehr als 1/3 aus
unorganischen Bestandtheilen, die zu seinem Bestehen nothwendig
sind, die er also auch mit der Nahrung aufnehmen muß. Er muß,
wie der böse Geist sagt, in der That vom Staube sich nähren.

Gerade so wie die weicheren Organe des menschlichen Körpers
bei jeder Thätigkeitsäußerung desselben zum Theil abgenutzt und ver-

wenn wir die Aſchenbeſtandtheile des Roggens vom Gehalte des
Bodens abziehen, faſt genau das Verhältniß der einzelnen Stoffe
übrig, wie wir es in der Aſche der Kartoffel finden. Der Schluß
iſt alſo einfach der, daß wir in Zukunft nicht mehr, wie es im größ-
ten Theile von Europa bis jetzt geſchehen, die Kartoffeln als erſte
Frucht bauen dürfen, ſondern daß wir mit dem Roggen anfangen
und erſt die Kartoffel auf ihn oder vielleicht noch beſſer zwei Jahre
ſpäter auf den Klee folgen laſſen müſſen, wenn wir eine geſunde
Frucht erziehen und für die Zukunft von der vorjährigen Landplage
befreit ſeyn wollen. Der Grundſatz wird fernerhin unerſchütter-
lich ſtehen bleiben, daß die Nahrungsſtoffe, welche die Pflanze
dem Boden ſelbſt entnimmt, im Weſentlichen nur in den unor-
ganiſchen Beſtandtheilen deſſelben beſtehen, daß dieſe und nicht die
organiſche Subſtanz im Boden ſeinen eigenthümlichen Reichthum
ausmachen.

In der Pflanze aber ſind an die organiſchen Verbindungen un-
trennbar die unorganiſchen geknüpft, und wenn wir uns jener be-
mächtigen, müſſen wir dieſe mit in den Kauf nehmen.

Aber dieſelben ſind nicht nur nicht ein unnützer Ballaſt, ſon-
dern ſie ſind ſelbſt für unſeren Körper und deſſen Erhaltung weſent-
liche Beſtandtheile. Sehen wir nun zu, woraus der Menſch eigent-
lich beſteht. Nach Quetelet wiegt der erwachſene Mann durchſchnitt-
lich 140 ℔., und wenn wir die große Menge Waſſer, welche alle
Theile unſers Körpers durchdringt, ſie geſchmeidig und biegſam er-
hält, abziehen, etwa 35 ℔. — davon kommen 13 ℔. auf die Kno-
chen und 22 ℔. auf alle übrigen Theile. Jene enthalten durchſchnitt-
lich 66 %, dieſe 3 % erdige Beſtandtheile, die beim Verbrennen als
Aſche zurückbleiben. Der Menſch beſteht alſo bis mehr als ⅓ aus
unorganiſchen Beſtandtheilen, die zu ſeinem Beſtehen nothwendig
ſind, die er alſo auch mit der Nahrung aufnehmen muß. Er muß,
wie der böſe Geiſt ſagt, in der That vom Staube ſich nähren.

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bei jeder Thätigkeitsäußerung deſſelben zum Theil abgenutzt und ver-

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[169/0185] wenn wir die Aſchenbeſtandtheile des Roggens vom Gehalte des Bodens abziehen, faſt genau das Verhältniß der einzelnen Stoffe übrig, wie wir es in der Aſche der Kartoffel finden. Der Schluß iſt alſo einfach der, daß wir in Zukunft nicht mehr, wie es im größ- ten Theile von Europa bis jetzt geſchehen, die Kartoffeln als erſte Frucht bauen dürfen, ſondern daß wir mit dem Roggen anfangen und erſt die Kartoffel auf ihn oder vielleicht noch beſſer zwei Jahre ſpäter auf den Klee folgen laſſen müſſen, wenn wir eine geſunde Frucht erziehen und für die Zukunft von der vorjährigen Landplage befreit ſeyn wollen. Der Grundſatz wird fernerhin unerſchütter- lich ſtehen bleiben, daß die Nahrungsſtoffe, welche die Pflanze dem Boden ſelbſt entnimmt, im Weſentlichen nur in den unor- ganiſchen Beſtandtheilen deſſelben beſtehen, daß dieſe und nicht die organiſche Subſtanz im Boden ſeinen eigenthümlichen Reichthum ausmachen. In der Pflanze aber ſind an die organiſchen Verbindungen un- trennbar die unorganiſchen geknüpft, und wenn wir uns jener be- mächtigen, müſſen wir dieſe mit in den Kauf nehmen. Aber dieſelben ſind nicht nur nicht ein unnützer Ballaſt, ſon- dern ſie ſind ſelbſt für unſeren Körper und deſſen Erhaltung weſent- liche Beſtandtheile. Sehen wir nun zu, woraus der Menſch eigent- lich beſteht. Nach Quetelet wiegt der erwachſene Mann durchſchnitt- lich 140 ℔., und wenn wir die große Menge Waſſer, welche alle Theile unſers Körpers durchdringt, ſie geſchmeidig und biegſam er- hält, abziehen, etwa 35 ℔. — davon kommen 13 ℔. auf die Kno- chen und 22 ℔. auf alle übrigen Theile. Jene enthalten durchſchnitt- lich 66 %, dieſe 3 % erdige Beſtandtheile, die beim Verbrennen als Aſche zurückbleiben. Der Menſch beſteht alſo bis mehr als ⅓ aus unorganiſchen Beſtandtheilen, die zu ſeinem Beſtehen nothwendig ſind, die er alſo auch mit der Nahrung aufnehmen muß. Er muß, wie der böſe Geiſt ſagt, in der That vom Staube ſich nähren. Gerade ſo wie die weicheren Organe des menſchlichen Körpers bei jeder Thätigkeitsäußerung deſſelben zum Theil abgenutzt und ver-

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/185>, abgerufen am 24.04.2024.