Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schleinitz, Alexandra von: Offener Brief einer Studirenden an die Gegner der „Studentinnen“ unter den Studenten. Zürich, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

an dem ehrwürdigen Dienste der Wahrheit. Traurig wenn ein
solcher Fall eintreten sollte, traurig für den Armen, den die
Consequenzen der strengen Gesetze treffen; aber trauriger noch,
dass seine Schuld den Voraussetzungen Recht giebt, die auf der-
artige strenge Gesetze denken liessen - und doppelt, doppelt
traurig, wenn ihr Vorhandensein auch der Frau gegenüber sich in
seiner heilsamen Nothwendigkeit erweisen sollte. - Möchten wir,
die Ersten studirenden Frauen es doch nie vergessen: in gewissem
Sinne in die Oeffentlichkeit tretend, haben wir der Oeffentlichkeit
gegenüber die Ehre unseres Geschlechtes zu wahren. Vertreterinnen
der Emanzipation haben wir dafür zu sorgen, dass von uns aus
kein Schatten auf das von uns repräsentirte Prinzip falle; haben
wir darzuthun, dass es sich hier um edle, lautre Bestrebungen
handelt; haben wir den practischen Beweis zu liefern, dass aus
der Verwirklichung unserer Wünsche sich keine Inconvenienzen,
keine Missstände ergeben. Die Ersten Glücklichen, die eines
unserm Geschlechte lange vorenthaltenen Rechtes geniessen, sind
wir doppelt gehalten, dieses Recht nicht zu missbrauchen; damit
nicht etwa der Vorwurf uns treffe, unser frevelhafter Leichtsinn
habe die kaum gewonnene Gunst dem weiblichen Geschlechte auf's
Neue verscherzt. Wehe der Unseligen von uns, die es vergisst,
dass in der verantwortlichen, in gewissem Sinne exponirten Stellung,
in der wir uns befinden, jede Ungehörigkeit, die wir uns zu Schulden
kommen lassen, eine verhängnissvolle Tragweite besitzt und doppelt
schwer in die Wagschale fällt.

Ich schliesse jetzt meine Erörterungen, indem ich zu hoffen
wage, dass dieselben doch vielleicht zu einer Verständigung beitragen
dürften. Nochmals meine Herren, seien Sie edel und gerecht!
Lassen Sie uns theilnehmen am Dienste der Wissenschaft, an dem
der Menschheit eingeborenen Ringen nach Licht und Wahrheit!
Und dann diene die Gemeinsamkeit eines schönen, hehre, würdige
Ziele verfolgenden Strebens nicht dazu, gegenseitig Eifersucht,
Missverständniss, Erbitterung zu erzeugen; nein, vielmehr sei sie
ein neuer Factor, der auf das sittliche Verhältniss zwischen Mann
und Frau - und damit auf die gesammte Cultur - einen wohl-
thätig läuternden, veredelnden Einfluss übt. -



an dem ehrwürdigen Dienste der Wahrheit. Traurig wenn ein
solcher Fall eintreten sollte, traurig für den Armen, den die
Consequenzen der strengen Gesetze treffen; aber trauriger noch,
dass seine Schuld den Voraussetzungen Recht giebt, die auf der-
artige strenge Gesetze denken liessen – und doppelt, doppelt
traurig, wenn ihr Vorhandensein auch der Frau gegenüber sich in
seiner heilsamen Nothwendigkeit erweisen sollte. – Möchten wir,
die Ersten studirenden Frauen es doch nie vergessen: in gewissem
Sinne in die Oeffentlichkeit tretend, haben wir der Oeffentlichkeit
gegenüber die Ehre unseres Geschlechtes zu wahren. Vertreterinnen
der Emanzipation haben wir dafür zu sorgen, dass von uns aus
kein Schatten auf das von uns repräsentirte Prinzip falle; haben
wir darzuthun, dass es sich hier um edle, lautre Bestrebungen
handelt; haben wir den practischen Beweis zu liefern, dass aus
der Verwirklichung unserer Wünsche sich keine Inconvenienzen,
keine Missstände ergeben. Die Ersten Glücklichen, die eines
unserm Geschlechte lange vorenthaltenen Rechtes geniessen, sind
wir doppelt gehalten, dieses Recht nicht zu missbrauchen; damit
nicht etwa der Vorwurf uns treffe, unser frevelhafter Leichtsinn
habe die kaum gewonnene Gunst dem weiblichen Geschlechte auf’s
Neue verscherzt. Wehe der Unseligen von uns, die es vergisst,
dass in der verantwortlichen, in gewissem Sinne exponirten Stellung,
in der wir uns befinden, jede Ungehörigkeit, die wir uns zu Schulden
kommen lassen, eine verhängnissvolle Tragweite besitzt und doppelt
schwer in die Wagschale fällt.

Ich schliesse jetzt meine Erörterungen, indem ich zu hoffen
wage, dass dieselben doch vielleicht zu einer Verständigung beitragen
dürften. Nochmals meine Herren, seien Sie edel und gerecht!
Lassen Sie uns theilnehmen am Dienste der Wissenschaft, an dem
der Menschheit eingeborenen Ringen nach Licht und Wahrheit!
Und dann diene die Gemeinsamkeit eines schönen, hehre, würdige
Ziele verfolgenden Strebens nicht dazu, gegenseitig Eifersucht,
Missverständniss, Erbitterung zu erzeugen; nein, vielmehr sei sie
ein neuer Factor, der auf das sittliche Verhältniss zwischen Mann
und Frau – und damit auf die gesammte Cultur – einen wohl-
thätig läuternden, veredelnden Einfluss übt. –



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0013" n="13"/>
an dem ehrwürdigen Dienste der Wahrheit. Traurig wenn ein<lb/>
solcher Fall eintreten sollte, traurig für den Armen, den die<lb/>
Consequenzen der strengen Gesetze treffen; aber trauriger noch,<lb/>
dass seine Schuld den Voraussetzungen Recht giebt, die auf der-<lb/>
artige strenge Gesetze denken liessen &#x2013; und doppelt, doppelt<lb/>
traurig, wenn ihr Vorhandensein auch der Frau gegenüber sich in<lb/>
seiner heilsamen Nothwendigkeit erweisen sollte. &#x2013; Möchten wir,<lb/>
die Ersten studirenden Frauen es doch nie vergessen: in gewissem<lb/>
Sinne in die Oeffentlichkeit tretend, haben wir der Oeffentlichkeit<lb/>
gegenüber die Ehre unseres Geschlechtes zu wahren. Vertreterinnen<lb/>
der Emanzipation haben wir dafür zu sorgen, dass von uns aus<lb/>
kein Schatten auf das von uns repräsentirte Prinzip falle; haben<lb/>
wir darzuthun, dass es sich hier um edle, lautre Bestrebungen<lb/>
handelt; haben wir den practischen Beweis zu liefern, dass aus<lb/>
der Verwirklichung unserer Wünsche sich keine Inconvenienzen,<lb/>
keine Missstände ergeben. Die Ersten Glücklichen, die eines<lb/>
unserm Geschlechte lange vorenthaltenen Rechtes geniessen, sind<lb/>
wir doppelt gehalten, dieses Recht nicht zu missbrauchen; damit<lb/>
nicht etwa der Vorwurf uns treffe, unser frevelhafter Leichtsinn<lb/>
habe die kaum gewonnene Gunst dem weiblichen Geschlechte auf&#x2019;s<lb/>
Neue verscherzt. Wehe der Unseligen von uns, die es vergisst,<lb/>
dass in der verantwortlichen, in gewissem Sinne exponirten Stellung,<lb/>
in der wir uns befinden, jede Ungehörigkeit, die wir uns zu Schulden<lb/>
kommen lassen, eine verhängnissvolle Tragweite besitzt und doppelt<lb/>
schwer in die Wagschale fällt.</p><lb/>
        <p>Ich schliesse jetzt meine Erörterungen, indem ich zu hoffen<lb/>
wage, dass dieselben doch vielleicht zu einer Verständigung beitragen<lb/>
dürften. Nochmals meine Herren, seien Sie edel und gerecht!<lb/>
Lassen Sie uns theilnehmen am Dienste der Wissenschaft, an dem<lb/>
der Menschheit eingeborenen Ringen nach Licht und Wahrheit!<lb/>
Und dann diene die Gemeinsamkeit eines schönen, hehre, würdige<lb/>
Ziele verfolgenden Strebens nicht dazu, gegenseitig Eifersucht,<lb/>
Missverständniss, Erbitterung zu erzeugen; nein, vielmehr sei sie<lb/>
ein neuer Factor, der auf das sittliche Verhältniss zwischen Mann<lb/>
und Frau &#x2013; und damit auf die gesammte Cultur &#x2013; einen wohl-<lb/>
thätig läuternden, veredelnden Einfluss übt. &#x2013;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0013] an dem ehrwürdigen Dienste der Wahrheit. Traurig wenn ein solcher Fall eintreten sollte, traurig für den Armen, den die Consequenzen der strengen Gesetze treffen; aber trauriger noch, dass seine Schuld den Voraussetzungen Recht giebt, die auf der- artige strenge Gesetze denken liessen – und doppelt, doppelt traurig, wenn ihr Vorhandensein auch der Frau gegenüber sich in seiner heilsamen Nothwendigkeit erweisen sollte. – Möchten wir, die Ersten studirenden Frauen es doch nie vergessen: in gewissem Sinne in die Oeffentlichkeit tretend, haben wir der Oeffentlichkeit gegenüber die Ehre unseres Geschlechtes zu wahren. Vertreterinnen der Emanzipation haben wir dafür zu sorgen, dass von uns aus kein Schatten auf das von uns repräsentirte Prinzip falle; haben wir darzuthun, dass es sich hier um edle, lautre Bestrebungen handelt; haben wir den practischen Beweis zu liefern, dass aus der Verwirklichung unserer Wünsche sich keine Inconvenienzen, keine Missstände ergeben. Die Ersten Glücklichen, die eines unserm Geschlechte lange vorenthaltenen Rechtes geniessen, sind wir doppelt gehalten, dieses Recht nicht zu missbrauchen; damit nicht etwa der Vorwurf uns treffe, unser frevelhafter Leichtsinn habe die kaum gewonnene Gunst dem weiblichen Geschlechte auf’s Neue verscherzt. Wehe der Unseligen von uns, die es vergisst, dass in der verantwortlichen, in gewissem Sinne exponirten Stellung, in der wir uns befinden, jede Ungehörigkeit, die wir uns zu Schulden kommen lassen, eine verhängnissvolle Tragweite besitzt und doppelt schwer in die Wagschale fällt. Ich schliesse jetzt meine Erörterungen, indem ich zu hoffen wage, dass dieselben doch vielleicht zu einer Verständigung beitragen dürften. Nochmals meine Herren, seien Sie edel und gerecht! Lassen Sie uns theilnehmen am Dienste der Wissenschaft, an dem der Menschheit eingeborenen Ringen nach Licht und Wahrheit! Und dann diene die Gemeinsamkeit eines schönen, hehre, würdige Ziele verfolgenden Strebens nicht dazu, gegenseitig Eifersucht, Missverständniss, Erbitterung zu erzeugen; nein, vielmehr sei sie ein neuer Factor, der auf das sittliche Verhältniss zwischen Mann und Frau – und damit auf die gesammte Cultur – einen wohl- thätig läuternden, veredelnden Einfluss übt. –

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Frauenstudium, betreut von Andreas Neumann und Anna Pfundt, FSU Jena und JLU Gießen : Bereitstellung der Texttranskription. (2021-06-15T09:43:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Neumann, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2021-06-15T09:43:56Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schleinitz_brief_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schleinitz_brief_1872/13
Zitationshilfe: Schleinitz, Alexandra von: Offener Brief einer Studirenden an die Gegner der „Studentinnen“ unter den Studenten. Zürich, 1872, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleinitz_brief_1872/13>, abgerufen am 18.04.2024.