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Schleinitz, Alexandra von: Offener Brief einer Studirenden an die Gegner der „Studentinnen“ unter den Studenten. Zürich, 1872.

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gestellt sei. Es ist nur zu begreiflich, dass dieser Gedanke Sie erregen
musste. Doch freuen Sie sich nun mit mir und seien Sie gleich
mir davon überzeugt, dass Sie in dieser ganzen Angelegenheit viel
zu schwarz gesehen, sie viel zu schwer aufgefasst haben. - Sie
greifen Gegner an, die Sie schon darum nicht angreifen sollten,
weil Sie sich getrauen, sie anzugreifen. Erlauben Sie mir die Er-
klärung dieser Bemerkung. Mit präsumtiven Gegnern unter den
Studenten lassen Sie sich in einen Kampf ein, jedoch gerade, indem
Sie wagen, dies zu thun, legen Sie für die gesammte hiesige Stu-
dentenschaft das ehrenvollste Zeugniss ab. Sie beweisen damit,
dass Sie im Grunde doch in die Ritterlichkeit Ihrer Gegner ein
festes Vertrauen setzen, dass Sie auch nicht einem einzigen dieser
Herren zutrauen, er könne und werde selbst in der Hitze des Ge-
fechtes anders als rücksichtsvoll gegen eine Frau verfahren, er
könne und werde Ihre Rede anders deuten, als sie gemeint ist.
Glaubten Sie Gefahr zu laufen, sich irgendwie auch nur der leise-
sten der Unannehmlichkeiten auszusetzen, so würden Sie wahrlich
geschwiegen haben. Ihr Reden ist ein Beweis von Achtung, ein
Beweis von Vertrauen, ein Beweis, dass Sie glauben, man werde
selbst von Seite Ihrer (imaginären) Widersacher, einen solchen,
immerhin nicht hoch genug zu schätzenden Grad von Billigkeit be-
sitzen, um Sie in der That so zu verstehen, wie Sie verstanden sein
möchten, um Ihren Worten durchzufühlen, dass Ihnen Ziel des Kam-
pfes nicht die Erbitterung, sondern die Ueberredung, die Gewinnung
des Gegners ist; nicht die Fortspinnung des Streites, sondern die
Verständigung, der Frieden. - Noch eine weitere Bemerkung wol-
len Sie mir erlauben: Sie apostrophiren einen Theil der Studenten;
aber eigentlich, es ist dies ganz klar, haben Sie es hier abgesehen
im Allgemeinen auf Alle Gegner der Frauenemanzipation. Die ein-
zelnen Ihnen als feindselig geltenden Studenten repräsentiren Ihnen,
und zwar in all' ihren Abstufungen überhaupt die gesammte Oppo-
sition. Die nahliegenden Gegner müssen Ihnen herhalten für Alles,
was Sie gegen die Gesammtheit aller Missgünstigen auf dem Herzen
haben. Wenn auch eine natürliche, ist dies streng genommen denn
doch keine ganz gerechte und billige Handlungsweise. Freilich ver-
liert in dem Licht dieser Thatsache betrachtet, anderseits auch wieder
manches Gesagte seine Schärfe. - Ich kann Ihnen indessen nur wieder-
holen, um für das einzustehen, was Ihnen mit Recht als heilig und
berechtigt gilt, hätten Sie eine andere Gelegenheit wählen, hätten Sie
Ihrem Fehdebrief eine andere Adresse geben sollen. (Mit der Aufschrift,

gestellt sei. Es ist nur zu begreiflich, dass dieser Gedanke Sie erregen
musste. Doch freuen Sie sich nun mit mir und seien Sie gleich
mir davon überzeugt, dass Sie in dieser ganzen Angelegenheit viel
zu schwarz gesehen, sie viel zu schwer aufgefasst haben. – Sie
greifen Gegner an, die Sie schon darum nicht angreifen sollten,
weil Sie sich getrauen, sie anzugreifen. Erlauben Sie mir die Er-
klärung dieser Bemerkung. Mit präsumtiven Gegnern unter den
Studenten lassen Sie sich in einen Kampf ein, jedoch gerade, indem
Sie wagen, dies zu thun, legen Sie für die gesammte hiesige Stu-
dentenschaft das ehrenvollste Zeugniss ab. Sie beweisen damit,
dass Sie im Grunde doch in die Ritterlichkeit Ihrer Gegner ein
festes Vertrauen setzen, dass Sie auch nicht einem einzigen dieser
Herren zutrauen, er könne und werde selbst in der Hitze des Ge-
fechtes anders als rücksichtsvoll gegen eine Frau verfahren, er
könne und werde Ihre Rede anders deuten, als sie gemeint ist.
Glaubten Sie Gefahr zu laufen, sich irgendwie auch nur der leise-
sten der Unannehmlichkeiten auszusetzen, so würden Sie wahrlich
geschwiegen haben. Ihr Reden ist ein Beweis von Achtung, ein
Beweis von Vertrauen, ein Beweis, dass Sie glauben, man werde
selbst von Seite Ihrer (imaginären) Widersacher, einen solchen,
immerhin nicht hoch genug zu schätzenden Grad von Billigkeit be-
sitzen, um Sie in der That so zu verstehen, wie Sie verstanden sein
möchten, um Ihren Worten durchzufühlen, dass Ihnen Ziel des Kam-
pfes nicht die Erbitterung, sondern die Ueberredung, die Gewinnung
des Gegners ist; nicht die Fortspinnung des Streites, sondern die
Verständigung, der Frieden. – Noch eine weitere Bemerkung wol-
len Sie mir erlauben: Sie apostrophiren einen Theil der Studenten;
aber eigentlich, es ist dies ganz klar, haben Sie es hier abgesehen
im Allgemeinen auf Alle Gegner der Frauenemanzipation. Die ein-
zelnen Ihnen als feindselig geltenden Studenten repräsentiren Ihnen,
und zwar in all’ ihren Abstufungen überhaupt die gesammte Oppo-
sition. Die nahliegenden Gegner müssen Ihnen herhalten für Alles,
was Sie gegen die Gesammtheit aller Missgünstigen auf dem Herzen
haben. Wenn auch eine natürliche, ist dies streng genommen denn
doch keine ganz gerechte und billige Handlungsweise. Freilich ver-
liert in dem Licht dieser Thatsache betrachtet, anderseits auch wieder
manches Gesagte seine Schärfe. – Ich kann Ihnen indessen nur wieder-
holen, um für das einzustehen, was Ihnen mit Recht als heilig und
berechtigt gilt, hätten Sie eine andere Gelegenheit wählen, hätten Sie
Ihrem Fehdebrief eine andere Adresse geben sollen. (Mit der Aufschrift,

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[18/0018] gestellt sei. Es ist nur zu begreiflich, dass dieser Gedanke Sie erregen musste. Doch freuen Sie sich nun mit mir und seien Sie gleich mir davon überzeugt, dass Sie in dieser ganzen Angelegenheit viel zu schwarz gesehen, sie viel zu schwer aufgefasst haben. – Sie greifen Gegner an, die Sie schon darum nicht angreifen sollten, weil Sie sich getrauen, sie anzugreifen. Erlauben Sie mir die Er- klärung dieser Bemerkung. Mit präsumtiven Gegnern unter den Studenten lassen Sie sich in einen Kampf ein, jedoch gerade, indem Sie wagen, dies zu thun, legen Sie für die gesammte hiesige Stu- dentenschaft das ehrenvollste Zeugniss ab. Sie beweisen damit, dass Sie im Grunde doch in die Ritterlichkeit Ihrer Gegner ein festes Vertrauen setzen, dass Sie auch nicht einem einzigen dieser Herren zutrauen, er könne und werde selbst in der Hitze des Ge- fechtes anders als rücksichtsvoll gegen eine Frau verfahren, er könne und werde Ihre Rede anders deuten, als sie gemeint ist. Glaubten Sie Gefahr zu laufen, sich irgendwie auch nur der leise- sten der Unannehmlichkeiten auszusetzen, so würden Sie wahrlich geschwiegen haben. Ihr Reden ist ein Beweis von Achtung, ein Beweis von Vertrauen, ein Beweis, dass Sie glauben, man werde selbst von Seite Ihrer (imaginären) Widersacher, einen solchen, immerhin nicht hoch genug zu schätzenden Grad von Billigkeit be- sitzen, um Sie in der That so zu verstehen, wie Sie verstanden sein möchten, um Ihren Worten durchzufühlen, dass Ihnen Ziel des Kam- pfes nicht die Erbitterung, sondern die Ueberredung, die Gewinnung des Gegners ist; nicht die Fortspinnung des Streites, sondern die Verständigung, der Frieden. – Noch eine weitere Bemerkung wol- len Sie mir erlauben: Sie apostrophiren einen Theil der Studenten; aber eigentlich, es ist dies ganz klar, haben Sie es hier abgesehen im Allgemeinen auf Alle Gegner der Frauenemanzipation. Die ein- zelnen Ihnen als feindselig geltenden Studenten repräsentiren Ihnen, und zwar in all’ ihren Abstufungen überhaupt die gesammte Oppo- sition. Die nahliegenden Gegner müssen Ihnen herhalten für Alles, was Sie gegen die Gesammtheit aller Missgünstigen auf dem Herzen haben. Wenn auch eine natürliche, ist dies streng genommen denn doch keine ganz gerechte und billige Handlungsweise. Freilich ver- liert in dem Licht dieser Thatsache betrachtet, anderseits auch wieder manches Gesagte seine Schärfe. – Ich kann Ihnen indessen nur wieder- holen, um für das einzustehen, was Ihnen mit Recht als heilig und berechtigt gilt, hätten Sie eine andere Gelegenheit wählen, hätten Sie Ihrem Fehdebrief eine andere Adresse geben sollen. (Mit der Aufschrift,

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Zitationshilfe: Schleinitz, Alexandra von: Offener Brief einer Studirenden an die Gegner der „Studentinnen“ unter den Studenten. Zürich, 1872, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleinitz_brief_1872/18>, abgerufen am 25.04.2024.