Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

einleitung.
land (also im Jahre 480 v. Chr.) am Skamander an und
stieg zu Priam's Pergamos hinauf, weil er das Verlangen
hatte, diese Burg zu sehen; und nachdem er sie gesehen
und sich nach ihren Schicksalen erkundigt hatte, opferte
er der ilischen Minerva 1000 Rinder, und die Magier
brachten den Manen der Helden Trankopfer dar".

Aus dieser Stelle geht stillschweigend hervor, dass
damals eine griechische Colonie schon seit langer Zeit
die Stadt innehatte, und nach dem Zeugnisse Strabo's
(XIII, 1, 42) erbaute dieselbe Ilium unter der Herrschaft
der Lydier. Da nun der Anfang der lydischen Herr-
schaft auf 797 v. Chr. festgestellt wird und die Ilier bei
der Ankunft des Xerxes, im Jahre 480 v. Chr., dort
längst vollkommen eingerichtet gewesen zu sein scheinen,
so darf man wol annehmen, dass ihre Niederlassung in
Troja ungefähr 700 Jahre v. Chr. erfolgt ist. Die Haus-
mauern hellenischer Architektur, von grossen Steinen
ohne Cement, sowie die Ueberbleibsel des griechischen
Hausgeräths, reichen aber in den Ausgrabungen auf der
platten Fläche des Berges nie tiefer als 2 Meter.

Da ich in Ilium keine spätern Inschriften als vom
2. Jahrhundert n. Chr. und keine Medaillen später als
Constans II. und Constantin II., von diesen beiden Kaisern
aber sowie von Constantin I., dem Grossen, sehr viele
finde, so ist bestimmt anzunehmen, dass schon vor der
Zeit des letztern, der bekanntlich anfänglich dort Con-
stantinopel zu bauen beabsichtigte, die Stadt in Verfall
kam, jedoch ungefähr bis zum Ende der Regierung
Constans' II., sage bis 361 n. Chr., ein bewohnter Ort
blieb. Aber die Schuttaufhäufung in dieser langen Pe-
riode von 1061 Jahren beträgt nur 2 Meter, während

einleitung.
land (also im Jahre 480 v. Chr.) am Skamander an und
stieg zu Priam’s Pergamos hinauf, weil er das Verlangen
hatte, diese Burg zu sehen; und nachdem er sie gesehen
und sich nach ihren Schicksalen erkundigt hatte, opferte
er der ilischen Minerva 1000 Rinder, und die Magier
brachten den Manen der Helden Trankopfer dar“.

Aus dieser Stelle geht stillschweigend hervor, dass
damals eine griechische Colonie schon seit langer Zeit
die Stadt innehatte, und nach dem Zeugnisse Strabo’s
(XIII, 1, 42) erbaute dieselbe Ilium unter der Herrschaft
der Lydier. Da nun der Anfang der lydischen Herr-
schaft auf 797 v. Chr. festgestellt wird und die Ilier bei
der Ankunft des Xerxes, im Jahre 480 v. Chr., dort
längst vollkommen eingerichtet gewesen zu sein scheinen,
so darf man wol annehmen, dass ihre Niederlassung in
Troja ungefähr 700 Jahre v. Chr. erfolgt ist. Die Haus-
mauern hellenischer Architektur, von grossen Steinen
ohne Cement, sowie die Ueberbleibsel des griechischen
Hausgeräths, reichen aber in den Ausgrabungen auf der
platten Fläche des Berges nie tiefer als 2 Meter.

Da ich in Ilium keine spätern Inschriften als vom
2. Jahrhundert n. Chr. und keine Medaillen später als
Constans II. und Constantin II., von diesen beiden Kaisern
aber sowie von Constantin I., dem Grossen, sehr viele
finde, so ist bestimmt anzunehmen, dass schon vor der
Zeit des letztern, der bekanntlich anfänglich dort Con-
stantinopel zu bauen beabsichtigte, die Stadt in Verfall
kam, jedoch ungefähr bis zum Ende der Regierung
Constans’ II., sage bis 361 n. Chr., ein bewohnter Ort
blieb. Aber die Schuttaufhäufung in dieser langen Pe-
riode von 1061 Jahren beträgt nur 2 Meter, während

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0012" n="VI"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">einleitung</hi>.</fw><lb/>
land (also im Jahre 480 v. Chr.) am Skamander an und<lb/>
stieg zu Priam&#x2019;s Pergamos hinauf, weil er das Verlangen<lb/>
hatte, diese Burg zu sehen; und nachdem er sie gesehen<lb/>
und sich nach ihren Schicksalen erkundigt hatte, opferte<lb/>
er der <hi rendition="#g">ilischen</hi> Minerva 1000 Rinder, und die Magier<lb/>
brachten den Manen der Helden Trankopfer dar&#x201C;.</p><lb/>
        <p>Aus dieser Stelle geht stillschweigend hervor, dass<lb/>
damals eine griechische Colonie schon seit langer Zeit<lb/>
die Stadt innehatte, und nach dem Zeugnisse Strabo&#x2019;s<lb/>
(XIII, 1, 42) erbaute dieselbe Ilium unter der Herrschaft<lb/>
der Lydier. Da nun der Anfang der lydischen Herr-<lb/>
schaft auf 797 v. Chr. festgestellt wird und die Ilier bei<lb/>
der Ankunft des Xerxes, im Jahre 480 v. Chr., dort<lb/>
längst vollkommen eingerichtet gewesen zu sein scheinen,<lb/>
so darf man wol annehmen, dass ihre Niederlassung in<lb/>
Troja ungefähr 700 Jahre v. Chr. erfolgt ist. Die Haus-<lb/>
mauern hellenischer Architektur, von grossen Steinen<lb/>
ohne Cement, sowie die Ueberbleibsel des griechischen<lb/>
Hausgeräths, reichen aber in den Ausgrabungen auf der<lb/>
platten Fläche des Berges nie tiefer als 2 Meter.</p><lb/>
        <p>Da ich in Ilium keine spätern Inschriften als vom<lb/>
2. Jahrhundert n. Chr. und keine Medaillen später als<lb/>
Constans II. und Constantin II., von diesen beiden Kaisern<lb/>
aber sowie von Constantin I., dem Grossen, sehr viele<lb/>
finde, so ist bestimmt anzunehmen, dass schon <hi rendition="#g">vor</hi> der<lb/>
Zeit des letztern, der bekanntlich anfänglich dort Con-<lb/>
stantinopel zu bauen beabsichtigte, die Stadt in Verfall<lb/>
kam, jedoch ungefähr bis zum Ende der Regierung<lb/>
Constans&#x2019; II., sage bis 361 n. Chr., ein bewohnter Ort<lb/>
blieb. Aber die Schuttaufhäufung in dieser langen Pe-<lb/>
riode von 1061 Jahren beträgt nur 2 Meter, während<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[VI/0012] einleitung. land (also im Jahre 480 v. Chr.) am Skamander an und stieg zu Priam’s Pergamos hinauf, weil er das Verlangen hatte, diese Burg zu sehen; und nachdem er sie gesehen und sich nach ihren Schicksalen erkundigt hatte, opferte er der ilischen Minerva 1000 Rinder, und die Magier brachten den Manen der Helden Trankopfer dar“. Aus dieser Stelle geht stillschweigend hervor, dass damals eine griechische Colonie schon seit langer Zeit die Stadt innehatte, und nach dem Zeugnisse Strabo’s (XIII, 1, 42) erbaute dieselbe Ilium unter der Herrschaft der Lydier. Da nun der Anfang der lydischen Herr- schaft auf 797 v. Chr. festgestellt wird und die Ilier bei der Ankunft des Xerxes, im Jahre 480 v. Chr., dort längst vollkommen eingerichtet gewesen zu sein scheinen, so darf man wol annehmen, dass ihre Niederlassung in Troja ungefähr 700 Jahre v. Chr. erfolgt ist. Die Haus- mauern hellenischer Architektur, von grossen Steinen ohne Cement, sowie die Ueberbleibsel des griechischen Hausgeräths, reichen aber in den Ausgrabungen auf der platten Fläche des Berges nie tiefer als 2 Meter. Da ich in Ilium keine spätern Inschriften als vom 2. Jahrhundert n. Chr. und keine Medaillen später als Constans II. und Constantin II., von diesen beiden Kaisern aber sowie von Constantin I., dem Grossen, sehr viele finde, so ist bestimmt anzunehmen, dass schon vor der Zeit des letztern, der bekanntlich anfänglich dort Con- stantinopel zu bauen beabsichtigte, die Stadt in Verfall kam, jedoch ungefähr bis zum Ende der Regierung Constans’ II., sage bis 361 n. Chr., ein bewohnter Ort blieb. Aber die Schuttaufhäufung in dieser langen Pe- riode von 1061 Jahren beträgt nur 2 Meter, während

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/12
Zitationshilfe: Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/12>, abgerufen am 19.04.2024.