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Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874.

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neue zeichnungen auf d. vulkanf. terracotten.

Soeben werden mir zwei jener sonderbaren kleinen
Terracottas in der Form des Vulkans gebracht, auf
deren einer drei Thiere mit Geweihen im Kreise um
die Sonne eingravirt sind; auf dem andern bilden vier
bisjetzt noch nicht vorgekommene Zeichen -- in der
Form von grossen Kämmen mit langen Zähnen -- ein
Kreuz um die Sonne; ich vermuthe, dass diese höchst
merkwürdigen Hieroglyphen, in denen man auf den
ersten Blick wirkliche Buchstaben zu erkennen glaubt,
keinenfalls etwas anderes vorstellen können, als den
Opferaltar mit den darauf lodernden Flammen. Ich
zweifle übrigens nicht, dass ich in der Fortsetzung der
Ausgrabungen dies Zeichen in Kammform mit andern
Symbolen finden werde, die meine Vermuthung verge-
wissern.

Ich bemerke noch, dass die guten Trojaner wol
jedenfalls den Namen Ida, den sie dem Gebirge gaben,
welches ich mit ewigem Schnee bedeckt im Südosten
vor mir sehe, auf dem Zeus und Juno Hochzeit machten
(Ilias XIV, 346--351) und von dem Zeus Ilium und
die Schlachten in der Ebene von Troja überschaute,
aus Baktrien mitgebracht haben; denn nach Max Müller
("Essays", II, 93) war Ida Frau von Dyaus (Zeus) und
ihr Sohn Eros. Das dem Eros von der Sappho zuge-
schriebene Aelternpaar, Himmel und Erde, ist mit diesen
seinen vedischen Aeltern identisch. Hercules heisst idaios
von seiner Sonnennatur und hat diesen Namen mit Apollo
und Zeus gemeinsam.

Morgen fängt das griechische Osterfest an, welches
leider sechs Tage dauert, wo nicht gearbeitet wird. Somit
kann ich die Ausgrabungen erst am 1. Mai fortsetzen.


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Soeben werden mir zwei jener sonderbaren kleinen
Terracottas in der Form des Vulkans gebracht, auf
deren einer drei Thiere mit Geweihen im Kreise um
die Sonne eingravirt sind; auf dem andern bilden vier
bisjetzt noch nicht vorgekommene Zeichen — in der
Form von grossen Kämmen mit langen Zähnen — ein
Kreuz um die Sonne; ich vermuthe, dass diese höchst
merkwürdigen Hieroglyphen, in denen man auf den
ersten Blick wirkliche Buchstaben zu erkennen glaubt,
keinenfalls etwas anderes vorstellen können, als den
Opferaltar mit den darauf lodernden Flammen. Ich
zweifle übrigens nicht, dass ich in der Fortsetzung der
Ausgrabungen dies Zeichen in Kammform mit andern
Symbolen finden werde, die meine Vermuthung verge-
wissern.

Ich bemerke noch, dass die guten Trojaner wol
jedenfalls den Namen Ida, den sie dem Gebirge gaben,
welches ich mit ewigem Schnee bedeckt im Südosten
vor mir sehe, auf dem Zeus und Juno Hochzeit machten
(Ilias XIV, 346—351) und von dem Zeus Ilium und
die Schlachten in der Ebene von Troja überschaute,
aus Baktrien mitgebracht haben; denn nach Max Müller
(„Essays“, II, 93) war Ida Frau von Dyaus (Zeus) und
ihr Sohn Eros. Das dem Eros von der Sappho zuge-
schriebene Aelternpaar, Himmel und Erde, ist mit diesen
seinen vêdischen Aeltern identisch. Hercules heisst ἰδαῖος
von seiner Sonnennatur und hat diesen Namen mit Apollo
und Zeus gemeinsam.

Morgen fängt das griechische Osterfest an, welches
leider sechs Tage dauert, wo nicht gearbeitet wird. Somit
kann ich die Ausgrabungen erst am 1. Mai fortsetzen.


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[75/0141] neue zeichnungen auf d. vulkanf. terracotten. Soeben werden mir zwei jener sonderbaren kleinen Terracottas in der Form des Vulkans gebracht, auf deren einer drei Thiere mit Geweihen im Kreise um die Sonne eingravirt sind; auf dem andern bilden vier bisjetzt noch nicht vorgekommene Zeichen — in der Form von grossen Kämmen mit langen Zähnen — ein Kreuz um die Sonne; ich vermuthe, dass diese höchst merkwürdigen Hieroglyphen, in denen man auf den ersten Blick wirkliche Buchstaben zu erkennen glaubt, keinenfalls etwas anderes vorstellen können, als den Opferaltar mit den darauf lodernden Flammen. Ich zweifle übrigens nicht, dass ich in der Fortsetzung der Ausgrabungen dies Zeichen in Kammform mit andern Symbolen finden werde, die meine Vermuthung verge- wissern. Ich bemerke noch, dass die guten Trojaner wol jedenfalls den Namen Ida, den sie dem Gebirge gaben, welches ich mit ewigem Schnee bedeckt im Südosten vor mir sehe, auf dem Zeus und Juno Hochzeit machten (Ilias XIV, 346—351) und von dem Zeus Ilium und die Schlachten in der Ebene von Troja überschaute, aus Baktrien mitgebracht haben; denn nach Max Müller („Essays“, II, 93) war Ida Frau von Dyaus (Zeus) und ihr Sohn Eros. Das dem Eros von der Sappho zuge- schriebene Aelternpaar, Himmel und Erde, ist mit diesen seinen vêdischen Aeltern identisch. Hercules heisst ἰδαῖος von seiner Sonnennatur und hat diesen Namen mit Apollo und Zeus gemeinsam. Morgen fängt das griechische Osterfest an, welches leider sechs Tage dauert, wo nicht gearbeitet wird. Somit kann ich die Ausgrabungen erst am 1. Mai fortsetzen.

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Zitationshilfe: Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/141>, abgerufen am 23.04.2024.