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Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874.

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ausgrabungen an der nordseite.
Lakritze als das französische Wort lacorice sind
jedenfalls nur Verderbungen von glukoriza. Da nun
die Leute bei dem smyrnaer Kaufmann das Land
nach Flächenmass zu bestimmten Preisen durchgraben,
so verdienen sie bei ihm täglich 12 bis 23 Piaster
(2 Frs. 40 bis 4 Frs. 60 Cent.), während ich in den
jetzigen kurzen Tagen nur 9 Piaster (1 Frs. 80 Cent.)
zahlen kann, um nach Ostern 10 und nach dem 1. Juni
12 Piaster zu bewilligen. Da die Wurzel unweit Renkoi
gegraben wird, so sind hauptsächlich Leute aus diesem
Dorfe damit beschäftigt, und ich bin für meine Aus-
grabungen auf die in und an der Ebene von Troja ge-
legenen Dörfer Kalifatli, Yenischahir und Neo-Chori an-
gewiesen, aus welchen ich bei trockenem Wetter von
morgen ab auf 120 tägliche Arbeiter rechnen kann.

Ich habe die Stelle auf der Nordseite des Berges,
wo mir, in einer Entfernung von 40 Meter vom Bergab-
hange, in einer Tiefe von 151/2 Meter, die 2 Meter unter-
halb der trojanischen Mauer unter einem Winkel von
40 Grad aufsteigende Mauer von weissen Steinen die
Baustelle des uralten Minervatempels zu bezeichnen
scheint, von zwei Seiten gleichzeitig in fünf Terrassen
in Angriff genommen und lasse den Schutt mit man-
carts und Schiebkarren fortschaffen. Dieser Schutt be-
steht in der nordöstlichen Ausgrabung, von der Ober-
fläche bis zu 3 Meter Tiefe, aus mit schwarzer Erde ver-
mengten Marmorsplittern, und finde ich darin gar viele
grosse, herrlich sculptirte Marmorblöcke, welche offenbar
von dem auf der Stelle befindlichen Tempel aus der Zeit
des Lysimachos herrühren, aber durchaus weiter keinen
Werth für die Wissenschaft haben. Die Fortschaffung

ausgrabungen an der nordseite.
Lakritze als das französische Wort lacorice sind
jedenfalls nur Verderbungen von γλυκόϱιζα. Da nun
die Leute bei dem smyrnaer Kaufmann das Land
nach Flächenmass zu bestimmten Preisen durchgraben,
so verdienen sie bei ihm täglich 12 bis 23 Piaster
(2 Frs. 40 bis 4 Frs. 60 Cent.), während ich in den
jetzigen kurzen Tagen nur 9 Piaster (1 Frs. 80 Cent.)
zahlen kann, um nach Ostern 10 und nach dem 1. Juni
12 Piaster zu bewilligen. Da die Wurzel unweit Renkoï
gegraben wird, so sind hauptsächlich Leute aus diesem
Dorfe damit beschäftigt, und ich bin für meine Aus-
grabungen auf die in und an der Ebene von Troja ge-
legenen Dörfer Kalifatli, Yenischahir und Neo-Chori an-
gewiesen, aus welchen ich bei trockenem Wetter von
morgen ab auf 120 tägliche Arbeiter rechnen kann.

Ich habe die Stelle auf der Nordseite des Berges,
wo mir, in einer Entfernung von 40 Meter vom Bergab-
hange, in einer Tiefe von 15½ Meter, die 2 Meter unter-
halb der trojanischen Mauer unter einem Winkel von
40 Grad aufsteigende Mauer von weissen Steinen die
Baustelle des uralten Minervatempels zu bezeichnen
scheint, von zwei Seiten gleichzeitig in fünf Terrassen
in Angriff genommen und lasse den Schutt mit man-
carts und Schiebkarren fortschaffen. Dieser Schutt be-
steht in der nordöstlichen Ausgrabung, von der Ober-
fläche bis zu 3 Meter Tiefe, aus mit schwarzer Erde ver-
mengten Marmorsplittern, und finde ich darin gar viele
grosse, herrlich sculptirte Marmorblöcke, welche offenbar
von dem auf der Stelle befindlichen Tempel aus der Zeit
des Lysimachos herrühren, aber durchaus weiter keinen
Werth für die Wissenschaft haben. Die Fortschaffung

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[186/0252] ausgrabungen an der nordseite. Lakritze als das französische Wort lacorice sind jedenfalls nur Verderbungen von γλυκόϱιζα. Da nun die Leute bei dem smyrnaer Kaufmann das Land nach Flächenmass zu bestimmten Preisen durchgraben, so verdienen sie bei ihm täglich 12 bis 23 Piaster (2 Frs. 40 bis 4 Frs. 60 Cent.), während ich in den jetzigen kurzen Tagen nur 9 Piaster (1 Frs. 80 Cent.) zahlen kann, um nach Ostern 10 und nach dem 1. Juni 12 Piaster zu bewilligen. Da die Wurzel unweit Renkoï gegraben wird, so sind hauptsächlich Leute aus diesem Dorfe damit beschäftigt, und ich bin für meine Aus- grabungen auf die in und an der Ebene von Troja ge- legenen Dörfer Kalifatli, Yenischahir und Neo-Chori an- gewiesen, aus welchen ich bei trockenem Wetter von morgen ab auf 120 tägliche Arbeiter rechnen kann. Ich habe die Stelle auf der Nordseite des Berges, wo mir, in einer Entfernung von 40 Meter vom Bergab- hange, in einer Tiefe von 15½ Meter, die 2 Meter unter- halb der trojanischen Mauer unter einem Winkel von 40 Grad aufsteigende Mauer von weissen Steinen die Baustelle des uralten Minervatempels zu bezeichnen scheint, von zwei Seiten gleichzeitig in fünf Terrassen in Angriff genommen und lasse den Schutt mit man- carts und Schiebkarren fortschaffen. Dieser Schutt be- steht in der nordöstlichen Ausgrabung, von der Ober- fläche bis zu 3 Meter Tiefe, aus mit schwarzer Erde ver- mengten Marmorsplittern, und finde ich darin gar viele grosse, herrlich sculptirte Marmorblöcke, welche offenbar von dem auf der Stelle befindlichen Tempel aus der Zeit des Lysimachos herrühren, aber durchaus weiter keinen Werth für die Wissenschaft haben. Die Fortschaffung

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Zitationshilfe: Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/252>, abgerufen am 24.04.2024.