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Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

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Mühle: andere speciel Umstände zu geschweigen, die sein Herr Beicht-
Vater mir nicht communiciret, ich auch aus Curiosität nicht wissen, son-
dern mich damit begnügen lassen wollen, daß ich nur so viel erlangen, und
als eine Buß-Probe beytragen können.

§. 164.

Hierauf verlangte er Absolution und Nachtmahl mit Fixeln
zugleich zu haben, da sie mir aber davon part gaben, waren wir schon mit un-
serm armen Sünder weiter kommen. Jnzwischen begehrte er doch nach der
Communion mit Fixeln zu sprechen und eine bessere Versöhnung zu bezeu-
gen weder des Tages zuvor durch den Herrn Pater droben in der Gerichts-
Stube konte angerichtet werden. Denn so sehr uns jene zu beyden mahlen
vorgenommen, betrübet hatte, so hertzlich erfreuete uns diese, daß gleichwol
der böse Feind den Raub nicht gäntzlich haben und behalten solte. Und,
O wie gerne hätten wir die übrigen beyde dabey gehabt, daß sie das Bezeu-
gen der beyden Lutherischen armen Sünder gegen einander gesehen hätten;
Allein da war keine Apparence es zu hoffen, indem die Jalousie gar groß
wider uns war, als wolten wir dieselbe von der Religion ihnen abdringen.

§. 165.

Wir liessen also Fixeln und Kranichfeld zusammen unter
Gegenwarth vieler Geistlichen auch des Herrn Geheimbten Raht Mylii,
Herrn Kriegs-Rahts Annisii und Herrn Hoff-Rahts Ulrichs, die andere
Dinge an diesen beyden sahen, weder sie sonst nie gesehen noch gehoffet hat-
ten, wie dem Fixeln der Schiefferdecker die Warheit wider ihn im Gerichte
geredet zu haben bestättigte, versprach dabey, daß er hinfort keine Klage mehr
führen, sondern beyde seelig zum Tode sich anschicken wolten. Hierüber
stunden ihrer beyder Augen in Thränen, und man sahe wie ihre Hertzen
recht in ihren Leibern walleten, daß der liebe treue GOTT solche gesegnete
Stunde geschencket hatte.

§. 166.

Gewiß unser Hertz war gleichfals zum Lobe GOttes ins-
gesamt erwecket, daß wir uns auch über sie zum Gebethe und Lobe GOttes
vereinigten, und sie so dann von einander liessen, damit ein jeder besonders
sich fassete, GOtt lobete, und seine Seele in solchem eklangten Seegen stär-
ckete, und solchergestalt sich bewahrete, wenn etwa noch ein böses Stünd-
lein kommen solte.

§. 167.

Ehe sie aber von einander gegangen, ich aber mit dem
Geh. Rath Mylio wegen des Corporal Otters draussen eine Unterredung
pflog, erzehlete mir der obgedachte Herr Feld-Prediger Lipenius, daß der
Schieffer-Decker dem Fixeln um den Halß gefallen und geküsset habe, welches

wir

Muͤhle: andere ſpeciel Umſtaͤnde zu geſchweigen, die ſein Herr Beicht-
Vater mir nicht communiciret, ich auch aus Curioſitaͤt nicht wiſſen, ſon-
dern mich damit begnuͤgen laſſen wollen, daß ich nur ſo viel erlangen, und
als eine Buß-Probe beytragen koͤnnen.

§. 164.

Hierauf verlangte er Abſolution und Nachtmahl mit Fixeln
zugleich zu haben, da ſie mir aber davon part gaben, waren wir ſchon mit un-
ſerm armen Suͤnder weiter kommen. Jnzwiſchen begehrte er doch nach der
Communion mit Fixeln zu ſprechen und eine beſſere Verſoͤhnung zu bezeu-
gen weder des Tages zuvor durch den Herrn Pater droben in der Gerichts-
Stube konte angerichtet werden. Denn ſo ſehr uns jene zu beyden mahlen
vorgenommen, betruͤbet hatte, ſo hertzlich erfreuete uns dieſe, daß gleichwol
der boͤſe Feind den Raub nicht gaͤntzlich haben und behalten ſolte. Und,
O wie gerne haͤtten wir die uͤbrigen beyde dabey gehabt, daß ſie das Bezeu-
gen der beyden Lutheriſchen armen Suͤnder gegen einander geſehen haͤtten;
Allein da war keine Apparence es zu hoffen, indem die Jalouſie gar groß
wider uns war, als wolten wir dieſelbe von der Religion ihnen abdringen.

§. 165.

Wir lieſſen alſo Fixeln und Kranichfeld zuſammen unter
Gegenwarth vieler Geiſtlichen auch des Herrn Geheimbten Raht Mylii,
Herrn Kriegs-Rahts Anniſii und Herrn Hoff-Rahts Ulrichs, die andere
Dinge an dieſen beyden ſahen, weder ſie ſonſt nie geſehen noch gehoffet hat-
ten, wie dem Fixeln der Schiefferdecker die Warheit wider ihn im Gerichte
geredet zu haben beſtaͤttigte, verſprach dabey, daß er hinfort keine Klage mehr
fuͤhren, ſondern beyde ſeelig zum Tode ſich anſchicken wolten. Hieruͤber
ſtunden ihrer beyder Augen in Thraͤnen, und man ſahe wie ihre Hertzen
recht in ihren Leibern walleten, daß der liebe treue GOTT ſolche geſegnete
Stunde geſchencket hatte.

§. 166.

Gewiß unſer Hertz war gleichfals zum Lobe GOttes ins-
geſamt erwecket, daß wir uns auch uͤber ſie zum Gebethe und Lobe GOttes
vereinigten, und ſie ſo dann von einander lieſſen, damit ein jeder beſonders
ſich faſſete, GOtt lobete, und ſeine Seele in ſolchem eklangten Seegen ſtaͤr-
ckete, und ſolchergeſtalt ſich bewahrete, wenn etwa noch ein boͤſes Stuͤnd-
lein kommen ſolte.

§. 167.

Ehe ſie aber von einander gegangen, ich aber mit dem
Geh. Rath Mylio wegen des Corporal Otters drauſſen eine Unterredung
pflog, erzehlete mir der obgedachte Herr Feld-Prediger Lipenius, daß der
Schieffer-Decker dem Fixeln um den Halß gefallen und gekuͤſſet habe, welches

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[104[102]/0110] Muͤhle: andere ſpeciel Umſtaͤnde zu geſchweigen, die ſein Herr Beicht- Vater mir nicht communiciret, ich auch aus Curioſitaͤt nicht wiſſen, ſon- dern mich damit begnuͤgen laſſen wollen, daß ich nur ſo viel erlangen, und als eine Buß-Probe beytragen koͤnnen. §. 164. Hierauf verlangte er Abſolution und Nachtmahl mit Fixeln zugleich zu haben, da ſie mir aber davon part gaben, waren wir ſchon mit un- ſerm armen Suͤnder weiter kommen. Jnzwiſchen begehrte er doch nach der Communion mit Fixeln zu ſprechen und eine beſſere Verſoͤhnung zu bezeu- gen weder des Tages zuvor durch den Herrn Pater droben in der Gerichts- Stube konte angerichtet werden. Denn ſo ſehr uns jene zu beyden mahlen vorgenommen, betruͤbet hatte, ſo hertzlich erfreuete uns dieſe, daß gleichwol der boͤſe Feind den Raub nicht gaͤntzlich haben und behalten ſolte. Und, O wie gerne haͤtten wir die uͤbrigen beyde dabey gehabt, daß ſie das Bezeu- gen der beyden Lutheriſchen armen Suͤnder gegen einander geſehen haͤtten; Allein da war keine Apparence es zu hoffen, indem die Jalouſie gar groß wider uns war, als wolten wir dieſelbe von der Religion ihnen abdringen. §. 165. Wir lieſſen alſo Fixeln und Kranichfeld zuſammen unter Gegenwarth vieler Geiſtlichen auch des Herrn Geheimbten Raht Mylii, Herrn Kriegs-Rahts Anniſii und Herrn Hoff-Rahts Ulrichs, die andere Dinge an dieſen beyden ſahen, weder ſie ſonſt nie geſehen noch gehoffet hat- ten, wie dem Fixeln der Schiefferdecker die Warheit wider ihn im Gerichte geredet zu haben beſtaͤttigte, verſprach dabey, daß er hinfort keine Klage mehr fuͤhren, ſondern beyde ſeelig zum Tode ſich anſchicken wolten. Hieruͤber ſtunden ihrer beyder Augen in Thraͤnen, und man ſahe wie ihre Hertzen recht in ihren Leibern walleten, daß der liebe treue GOTT ſolche geſegnete Stunde geſchencket hatte. §. 166. Gewiß unſer Hertz war gleichfals zum Lobe GOttes ins- geſamt erwecket, daß wir uns auch uͤber ſie zum Gebethe und Lobe GOttes vereinigten, und ſie ſo dann von einander lieſſen, damit ein jeder beſonders ſich faſſete, GOtt lobete, und ſeine Seele in ſolchem eklangten Seegen ſtaͤr- ckete, und ſolchergeſtalt ſich bewahrete, wenn etwa noch ein boͤſes Stuͤnd- lein kommen ſolte. §. 167. Ehe ſie aber von einander gegangen, ich aber mit dem Geh. Rath Mylio wegen des Corporal Otters drauſſen eine Unterredung pflog, erzehlete mir der obgedachte Herr Feld-Prediger Lipenius, daß der Schieffer-Decker dem Fixeln um den Halß gefallen und gekuͤſſet habe, welches wir

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Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 104[102]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/110>, abgerufen am 20.04.2024.