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Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

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§. 17.

Die Zigeuner und was sonst von anderm Geschmeisse, als
der lange Fridrich, der kleine Christoph, etc. thun desgleichen, haben aber
das diebische Auge am meisten auf des Müllers Geld-Kasten. Und nach-
dem alle, die in der Mühlen waren, an Händen und Füssen gebunden lagen,
und also ihnen Widerstand zuthun kein Vermögen hatten, giengs ans Plün-
dern. Der Kasten darin das Geld verwahrt lag, durffte nicht lange ge-
suchet werden, denn der Jude selbigen zuvor wie Fixel zu sagen wuste an-
gezeiget hatte: Der Schlösser oder Kleinfchmid durffte auch nicht allererst
herbey gefodert werden, der Zigeuner-Schlüssel so die Hauß-Thüre geöffnet
hatte, konnte mit dem Kasten-Schlosse eben so geschwinde fertig werden. Und da
die Wächter vor den Thüren Geld klingen hören, wird ihnen draussen zu stehen,
und Wacht zu halten zu lang, kommen auch herbey: Die Weiber von dieser
Räuber-Bande finden mit Silber-bordirete Mützen, sind so frech, daß sie sich
ans brennende Licht setzen, und die silberne Kanten abtrennen, die sie so viel
bequemer einstecken, und so leicht durch Gebrauch der Mützen, oder da sie
selbige an einen andern verkauffen solten, nicht konten verrathen werden, be-
vorab da es schiene, daß sie des Orts herum in diesem Jahre die meisten ihr
bequemes Winter-Quartier zu nehmen, und solche Händel wol weiter zu
betreiben willens wären, zumahlen die Brand-Vetteley schiene abnahme zu
haben, hergegen aber das verzweiffelte Rauben und Plündern ein mehreres
einzubringen, überdem auch zu diesen Zeiten so schröcklich in Schwange gieng,
daß man fast an allen Enden und Ecken von solchen Dingen hörete, daß
die Leute für solche Buben nicht sicher wohnen noch wandeln konnten.

§. 18.

So gut die von aussen gepflantzte Wächter ihre Posten in
Acht mochten genommen haben, daß ihnen keiner auf den Lauff kommen
müssen, so übel versahe es hergegen die Geld-gierige Rotte von innen, denen
die verborgene Hand GOttes einen von denen Mühlen-Leuten heimlich
entführet, und ihme eine solche Passage gemachet, darauf er unverletzt mit
seinem Leben glücklich durchkommet, darauf sonst 99. ihr Leben in Stich
lassen müssen, oder zum wenigsten gebrochene Gliedmassen des Leibes davon
bringen.

§. 19.

Exemplum providentiae, das wehrt ist anzuführen, und de-
nen GOttes Vergessenen einzuschärffen. Wer hätte allhie denen bestürtz-
ten und verzagten Seelen, die hinten versperret und forne bewachet wurden,
die halb tod geschlagen und überdem an Händen und Füssen gebunden la-
gen, so baldige Erlösung oder eine Hülffe schaffen können? Aber was vor

Men-
§. 17.

Die Zigeuner und was ſonſt von anderm Geſchmeiſſe, als
der lange Fridrich, der kleine Chriſtoph, ꝛc. thun desgleichen, haben aber
das diebiſche Auge am meiſten auf des Muͤllers Geld-Kaſten. Und nach-
dem alle, die in der Muͤhlen waren, an Haͤnden und Fuͤſſen gebunden lagen,
und alſo ihnen Widerſtand zuthun kein Vermoͤgen hatten, giengs ans Pluͤn-
dern. Der Kaſten darin das Geld verwahrt lag, durffte nicht lange ge-
ſuchet werden, denn der Jude ſelbigen zuvor wie Fixel zu ſagen wuſte an-
gezeiget hatte: Der Schloͤſſer oder Kleinfchmid durffte auch nicht allererſt
herbey gefodert werden, der Zigeuner-Schluͤſſel ſo die Hauß-Thuͤre geoͤffnet
hatte, konnte mit dem Kaſten-Schloſſe eben ſo geſchwinde fertig werden. Und da
die Waͤchter vor den Thuͤren Geld klingen hoͤren, wird ihnen drauſſen zu ſtehen,
und Wacht zu halten zu lang, kommen auch herbey: Die Weiber von dieſer
Raͤuber-Bande finden mit Silber-bordirete Muͤtzen, ſind ſo frech, daß ſie ſich
ans brennende Licht ſetzen, und die ſilberne Kanten abtrennen, die ſie ſo viel
bequemer einſtecken, und ſo leicht durch Gebrauch der Muͤtzen, oder da ſie
ſelbige an einen andern verkauffen ſolten, nicht konten verrathen werden, be-
vorab da es ſchiene, daß ſie des Orts herum in dieſem Jahre die meiſten ihr
bequemes Winter-Quartier zu nehmen, und ſolche Haͤndel wol weiter zu
betreiben willens waͤren, zumahlen die Brand-Vetteley ſchiene abnahme zu
haben, hergegen aber das verzweiffelte Rauben und Pluͤndern ein mehreres
einzubringen, uͤberdem auch zu dieſen Zeiten ſo ſchroͤcklich in Schwange gieng,
daß man faſt an allen Enden und Ecken von ſolchen Dingen hoͤrete, daß
die Leute fuͤr ſolche Buben nicht ſicher wohnen noch wandeln konnten.

§. 18.

So gut die von auſſen gepflantzte Waͤchter ihre Poſten in
Acht mochten genommen haben, daß ihnen keiner auf den Lauff kommen
muͤſſen, ſo uͤbel verſahe es hergegen die Geld-gierige Rotte von innen, denen
die verborgene Hand GOttes einen von denen Muͤhlen-Leuten heimlich
entfuͤhret, und ihme eine ſolche Paſſage gemachet, darauf er unverletzt mit
ſeinem Leben gluͤcklich durchkommet, darauf ſonſt 99. ihr Leben in Stich
laſſen muͤſſen, oder zum wenigſten gebrochene Gliedmaſſen des Leibes davon
bringen.

§. 19.

Exemplum providentiæ, das wehrt iſt anzufuͤhren, und de-
nen GOttes Vergeſſenen einzuſchaͤrffen. Wer haͤtte allhie denen beſtuͤrtz-
ten und verzagten Seelen, die hinten verſperret und forne bewachet wurden,
die halb tod geſchlagen und uͤberdem an Haͤnden und Fuͤſſen gebunden la-
gen, ſo baldige Erloͤſung oder eine Huͤlffe ſchaffen koͤnnen? Aber was vor

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Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 24[22]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/22>, abgerufen am 28.03.2024.