Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

einen Beicht-sondern auch einen Trau-Schein zu geben, wenn er Catholisch
communiciren wolte, welches er aber durchaus nicht eingehen, sondern lieber
Lutherisch bleiben wollen. Daraus denn sattsam zuschliessen, daß in dersel-
ben Person ein leichtsinniger Geist gewohnet, die das Gewissen schon längst
abgeworffen und in einem verkehrten Sinn dahin gegeben war.

§. 37.

An diesem Weibe wurde Fixel fertig, daß er es mehrmals
beweinete, da er ihre Härtigkeit des Hertzens im Gefängnisse kennen lernete,
und frey bekandte: Die ist ihren ersten Mann an den Galgen, und ihre
beyde letzte Männer aufs Rad zubringen capabel, (sahe auf ihren andern
Mann, der noch am Leben ist, und bey der Diebes-Bande in der Mühlen
der Haupt Schelmen einer gewesen.) Und gewiß er fehlete mit seinem Ur-
thel nicht, denn ob sie gleich allesamt gleiches Schlages waren, glaube ich doch
selbst, daß diese sie alle übertroffen habe: Sie war ein Mensch von 28.
Jahren, wie sie vorgab, kleiner Statur, hatte aber ein Maul wie ein Scheer-
Messer, die einen nicht allein überschreyen, sondern auch jemanden, den sie
hören muste, die Worte im Munde verdrehen, auch andere anhetzen konnte,
das nicht zu beschreiben ist. Wie sie denn auch Fixeln einmal dergestalt
angefeuert hatte, ihrem noch jetzt lebenden andern Mann, dem langen Fri-
derich eins zu versetzen, weil er sich moquiret hatte, daß sie ihn als einen
elenden Bettel-Jungen zu ihrem Manne genommen, welches er auch zu be-
werckstelligen noch im Sinne gehabt, ihn bey der Damm-Mühle zu erste-
chen, so ferne die Bande nicht zu mächtig gewesen wäre. Jm Gefängnisse
erinnerte er sich dieses Handels, und danckete GOtt mit solchen Worten:
GOtt sey ewig Danck, daß ich in Berlin gefangen sitze! Jch habe keinen
Menschen ermordet; aber wäre ich nur noch wenig Zeit frey blieben, ich
möchte bereits den langen Friderich ermordet haben: O wie wol ist mir
jetzo, daß ich auf meinen andern vielen und grossen Sünden, nicht diese noch
auf mein armes Gewissen nehmen darff!

§. 38.

Abraham Hoffmann, bürthig aus Kemnitz, Catholischer Reli-
gion, ein Mensch von 28. Jahren, hat Müßiggang von Jugend an geliebet, da-
her die Arbeit geflohen. Wer seine Eltern gewesen, hat man eigentlich nicht
erfahren, schiene aber von keiner guten Education herkommen zu seyn, in dem
er bald in seiner Kindheit den Bettel-Stab ergriffen, den er so lange gefüh-
ret, biß er zu andern Sünden heran gewachsen war, daß er mit solcher
ausgelernten Rotte mitlauffen und ihre Bübereyen mit machen konnte.
Er gerieth in die berüchtigte Compagnie der Kranichfelde, die wol in solchen

schäd-

einen Beicht-ſondern auch einen Trau-Schein zu geben, wenn er Catholiſch
communiciren wolte, welches er aber durchaus nicht eingehen, ſondern lieber
Lutheriſch bleiben wollen. Daraus denn ſattſam zuſchlieſſen, daß in derſel-
ben Perſon ein leichtſinniger Geiſt gewohnet, die das Gewiſſen ſchon laͤngſt
abgeworffen und in einem verkehrten Sinn dahin gegeben war.

§. 37.

An dieſem Weibe wurde Fixel fertig, daß er es mehrmals
beweinete, da er ihre Haͤrtigkeit des Hertzens im Gefaͤngniſſe kennen lernete,
und frey bekandte: Die iſt ihren erſten Mann an den Galgen, und ihre
beyde letzte Maͤnner aufs Rad zubringen capabel, (ſahe auf ihren andern
Mann, der noch am Leben iſt, und bey der Diebes-Bande in der Muͤhlen
der Haupt Schelmen einer geweſen.) Und gewiß er fehlete mit ſeinem Ur-
thel nicht, denn ob ſie gleich alleſamt gleiches Schlages waren, glaube ich doch
ſelbſt, daß dieſe ſie alle uͤbertroffen habe: Sie war ein Menſch von 28.
Jahren, wie ſie vorgab, kleiner Statur, hatte aber ein Maul wie ein Scheer-
Meſſer, die einen nicht allein uͤberſchreyen, ſondern auch jemanden, den ſie
hoͤren muſte, die Worte im Munde verdrehen, auch andere anhetzen konnte,
das nicht zu beſchreiben iſt. Wie ſie denn auch Fixeln einmal dergeſtalt
angefeuert hatte, ihrem noch jetzt lebenden andern Mann, dem langen Fri-
derich eins zu verſetzen, weil er ſich moquiret hatte, daß ſie ihn als einen
elenden Bettel-Jungen zu ihrem Manne genommen, welches er auch zu be-
werckſtelligen noch im Sinne gehabt, ihn bey der Damm-Muͤhle zu erſte-
chen, ſo ferne die Bande nicht zu maͤchtig geweſen waͤre. Jm Gefaͤngniſſe
erinnerte er ſich dieſes Handels, und danckete GOtt mit ſolchen Worten:
GOtt ſey ewig Danck, daß ich in Berlin gefangen ſitze! Jch habe keinen
Menſchen ermordet; aber waͤre ich nur noch wenig Zeit frey blieben, ich
moͤchte bereits den langen Friderich ermordet haben: O wie wol iſt mir
jetzo, daß ich auf meinen andern vielen und groſſen Suͤnden, nicht dieſe noch
auf mein armes Gewiſſen nehmen darff!

§. 38.

Abraham Hoffmann, buͤrthig aus Kemnitz, Catholiſcher Reli-
gion, ein Menſch von 28. Jahren, hat Muͤßiggang von Jugend an geliebet, da-
her die Arbeit geflohen. Wer ſeine Eltern geweſen, hat man eigentlich nicht
erfahren, ſchiene aber von keiner guten Education herkommen zu ſeyn, in dem
er bald in ſeiner Kindheit den Bettel-Stab ergriffen, den er ſo lange gefuͤh-
ret, biß er zu andern Suͤnden heran gewachſen war, daß er mit ſolcher
ausgelernten Rotte mitlauffen und ihre Buͤbereyen mit machen konnte.
Er gerieth in die beruͤchtigte Compagnie der Kranichfelde, die wol in ſolchen

ſchaͤd-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0030" n="32[30]"/>
einen Beicht-&#x017F;ondern auch einen Trau-Schein zu geben, wenn er Catholi&#x017F;ch<lb/><hi rendition="#aq">communicir</hi>en wolte, welches er aber durchaus nicht eingehen, &#x017F;ondern lieber<lb/>
Lutheri&#x017F;ch bleiben wollen. Daraus denn &#x017F;att&#x017F;am zu&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, daß in der&#x017F;el-<lb/>
ben Per&#x017F;on ein leicht&#x017F;inniger Gei&#x017F;t gewohnet, die das Gewi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
abgeworffen und in einem verkehrten Sinn dahin gegeben war.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 37.</head>
        <p>An die&#x017F;em Weibe wurde Fixel fertig, daß er es mehrmals<lb/>
beweinete, da er ihre Ha&#x0364;rtigkeit des Hertzens im Gefa&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;e kennen lernete,<lb/>
und frey bekandte: Die i&#x017F;t ihren er&#x017F;ten Mann an den Galgen, und ihre<lb/>
beyde letzte Ma&#x0364;nner aufs Rad zubringen <hi rendition="#aq">capabel,</hi> (&#x017F;ahe auf ihren andern<lb/>
Mann, der noch am Leben i&#x017F;t, und bey der Diebes-Bande in der Mu&#x0364;hlen<lb/>
der Haupt Schelmen einer gewe&#x017F;en.) Und gewiß er fehlete mit &#x017F;einem Ur-<lb/>
thel nicht, denn ob &#x017F;ie gleich alle&#x017F;amt gleiches Schlages waren, glaube ich doch<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, daß die&#x017F;e &#x017F;ie alle u&#x0364;bertroffen habe: Sie war ein Men&#x017F;ch von 28.<lb/>
Jahren, wie &#x017F;ie vorgab, kleiner <hi rendition="#aq">Statur,</hi> hatte aber ein Maul wie ein Scheer-<lb/>
Me&#x017F;&#x017F;er, die einen nicht allein u&#x0364;ber&#x017F;chreyen, &#x017F;ondern auch jemanden, den &#x017F;ie<lb/>
ho&#x0364;ren mu&#x017F;te, die Worte im Munde verdrehen, auch andere anhetzen konnte,<lb/>
das nicht zu be&#x017F;chreiben i&#x017F;t. Wie &#x017F;ie denn auch Fixeln einmal derge&#x017F;talt<lb/>
angefeuert hatte, ihrem noch jetzt lebenden andern Mann, dem langen Fri-<lb/>
derich eins zu ver&#x017F;etzen, weil er &#x017F;ich <hi rendition="#aq">moquir</hi>et hatte, daß &#x017F;ie ihn als einen<lb/>
elenden Bettel-Jungen zu ihrem Manne genommen, welches er auch zu be-<lb/>
werck&#x017F;telligen noch im Sinne gehabt, ihn bey der Damm-Mu&#x0364;hle zu er&#x017F;te-<lb/>
chen, &#x017F;o ferne die Bande nicht zu ma&#x0364;chtig gewe&#x017F;en wa&#x0364;re. Jm Gefa&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
erinnerte er &#x017F;ich die&#x017F;es Handels, und danckete GOtt mit &#x017F;olchen Worten:<lb/>
GOtt &#x017F;ey ewig Danck, daß ich in Berlin gefangen &#x017F;itze! Jch habe keinen<lb/>
Men&#x017F;chen ermordet; aber wa&#x0364;re ich nur noch wenig Zeit frey blieben, ich<lb/>
mo&#x0364;chte bereits den langen Friderich ermordet haben: O wie wol i&#x017F;t mir<lb/>
jetzo, daß ich auf meinen andern vielen und gro&#x017F;&#x017F;en Su&#x0364;nden, nicht die&#x017F;e noch<lb/>
auf mein armes Gewi&#x017F;&#x017F;en nehmen darff!</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 38.</head>
        <p><hi rendition="#fr">Abraham Hoffmann,</hi> bu&#x0364;rthig aus Kemnitz, Catholi&#x017F;cher Reli-<lb/>
gion, ein Men&#x017F;ch von 28. Jahren, hat Mu&#x0364;ßiggang von Jugend an geliebet, da-<lb/>
her die Arbeit geflohen. Wer &#x017F;eine Eltern gewe&#x017F;en, hat man eigentlich nicht<lb/>
erfahren, &#x017F;chiene aber von keiner guten <hi rendition="#aq">Education</hi> herkommen zu &#x017F;eyn, in dem<lb/>
er bald in &#x017F;einer Kindheit den Bettel-Stab ergriffen, den er &#x017F;o lange gefu&#x0364;h-<lb/>
ret, biß er zu andern Su&#x0364;nden heran gewach&#x017F;en war, daß er mit &#x017F;olcher<lb/>
ausgelernten Rotte mitlauffen und ihre Bu&#x0364;bereyen mit machen konnte.<lb/>
Er gerieth in die beru&#x0364;chtigte <hi rendition="#aq">Compagnie</hi> der Kranichfelde, die wol in &#x017F;olchen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;cha&#x0364;d-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32[30]/0030] einen Beicht-ſondern auch einen Trau-Schein zu geben, wenn er Catholiſch communiciren wolte, welches er aber durchaus nicht eingehen, ſondern lieber Lutheriſch bleiben wollen. Daraus denn ſattſam zuſchlieſſen, daß in derſel- ben Perſon ein leichtſinniger Geiſt gewohnet, die das Gewiſſen ſchon laͤngſt abgeworffen und in einem verkehrten Sinn dahin gegeben war. §. 37.An dieſem Weibe wurde Fixel fertig, daß er es mehrmals beweinete, da er ihre Haͤrtigkeit des Hertzens im Gefaͤngniſſe kennen lernete, und frey bekandte: Die iſt ihren erſten Mann an den Galgen, und ihre beyde letzte Maͤnner aufs Rad zubringen capabel, (ſahe auf ihren andern Mann, der noch am Leben iſt, und bey der Diebes-Bande in der Muͤhlen der Haupt Schelmen einer geweſen.) Und gewiß er fehlete mit ſeinem Ur- thel nicht, denn ob ſie gleich alleſamt gleiches Schlages waren, glaube ich doch ſelbſt, daß dieſe ſie alle uͤbertroffen habe: Sie war ein Menſch von 28. Jahren, wie ſie vorgab, kleiner Statur, hatte aber ein Maul wie ein Scheer- Meſſer, die einen nicht allein uͤberſchreyen, ſondern auch jemanden, den ſie hoͤren muſte, die Worte im Munde verdrehen, auch andere anhetzen konnte, das nicht zu beſchreiben iſt. Wie ſie denn auch Fixeln einmal dergeſtalt angefeuert hatte, ihrem noch jetzt lebenden andern Mann, dem langen Fri- derich eins zu verſetzen, weil er ſich moquiret hatte, daß ſie ihn als einen elenden Bettel-Jungen zu ihrem Manne genommen, welches er auch zu be- werckſtelligen noch im Sinne gehabt, ihn bey der Damm-Muͤhle zu erſte- chen, ſo ferne die Bande nicht zu maͤchtig geweſen waͤre. Jm Gefaͤngniſſe erinnerte er ſich dieſes Handels, und danckete GOtt mit ſolchen Worten: GOtt ſey ewig Danck, daß ich in Berlin gefangen ſitze! Jch habe keinen Menſchen ermordet; aber waͤre ich nur noch wenig Zeit frey blieben, ich moͤchte bereits den langen Friderich ermordet haben: O wie wol iſt mir jetzo, daß ich auf meinen andern vielen und groſſen Suͤnden, nicht dieſe noch auf mein armes Gewiſſen nehmen darff! §. 38.Abraham Hoffmann, buͤrthig aus Kemnitz, Catholiſcher Reli- gion, ein Menſch von 28. Jahren, hat Muͤßiggang von Jugend an geliebet, da- her die Arbeit geflohen. Wer ſeine Eltern geweſen, hat man eigentlich nicht erfahren, ſchiene aber von keiner guten Education herkommen zu ſeyn, in dem er bald in ſeiner Kindheit den Bettel-Stab ergriffen, den er ſo lange gefuͤh- ret, biß er zu andern Suͤnden heran gewachſen war, daß er mit ſolcher ausgelernten Rotte mitlauffen und ihre Buͤbereyen mit machen konnte. Er gerieth in die beruͤchtigte Compagnie der Kranichfelde, die wol in ſolchen ſchaͤd-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/30
Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 32[30]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/30>, abgerufen am 19.04.2024.