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Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

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§. 70.

Nachmittage merckte der arme Mensch Fixel unrecht, da ich nicht
um gewöhnlicher Zeit wieder kam, hebt an vor Herr Pastor Astmann ängst-
lich zu thun, bezeuget gegen denselben, wie er nicht rasten noch ruhen könnte,
indem er heute damals die gröste Sünde übernommen und GOtt geleugnet
hätte, der bißher schon so viel Gutes an ihme gewürcket, er hätte dem Heili-
gen Geiste sich widersetzet, und wäre dem bösen Geiste gefolget, der ihm
recht zu der Stunde da er vor gerichte die letzte Warheit reden solte, das
Maul zugehalten und zu seinem sowol, als seiner mit condemnirten Ver-
derben, auf solche Lügen hingerissen, die er unmüglich könnte auf seinem Ge-
wissen behalten und in die Ewigkeit mitnehmen, bath zugleich den Herrn
Hoff-Richter Annisium zu sich, ders ad Protocollum nehme, was seine be-
ständige Aussage wider sein Weib biß in den Tod bleiben solte: Bezeugete
zugleich seine erlittene Hertzens-Angst über seine im Gerichte ausgesprochene
Lügen, damit er heute damals, nicht allein die beyden Männer, sondern auch
sein grundböses Weib geärgert und erhärtet hätte. Nechst dem bath er den
Herrn Pastor Astmann, noch Abends zu mir zu gehen, und mich um Ver-
zeihung zu bitten, mit Zusage, wenn ich wieder zu ihm käme, wolte er auf-
richtiger handeln, und sein angefangenes Bekehrungs-Werck beständig biß
in den Tod fortsetzen. Gedachter Herr Astmann that Fixeln den Gefallen
und kam denselben Abend noch zu mir, erzehlete umständlich solche Geschichte,
die sich mit Fixeln diesen Nachmittag zugetragen. Die Relation war mir
von Hertzen angenehm, besonders, daß mir der liebe GOtt meine gute Ab-
sicht gelingen lassen, sintemal ich mich zu keinem andern Ende von ihm ent-
fernet hatte, als daß dieser arme Mensch sich besinnen, und so dann von selbst
sich wiederum zu mir nähern solte.

§. 71.

Des andern Tages komme ich wieder, und fand den Fixel
nach obiger Erzehlung, aber den Hoffmann in voriger Härte, darin ich ihn
Tages zuvor im Gerichte gelassen hatte, wolte von keiner Fixelin bey der
Mühlen Plünderung wissen, durffte noch wol auf ihren Corrival gegen uns
Prediger schelten, daß er sie nicht beständig verschwiege, es wäre gnug wenn
sie zweene stürben, er machete mit seinem Geständniß so viele arme Weiber
und Kinder. Kranichseld that nach seiner tollen Art, wolte und wolte auch
nicht sie gesehen haben, und so thaten sie beyde annoch des folgenden Tages
im Gerichte, da sie alle viere zugleich vorstunden; Fixel aber bekannte getrost
wider sie alle, und solches in aller Einfalt, ohne Rache, aus Liebe zu der ihm
abgefoderten Warheit. Jens gebärdeten sich wunderlich, daß sie damit

ihren
G 3
§. 70.

Nachmittage merckte der arme Menſch Fixel unrecht, da ich nicht
um gewoͤhnlicher Zeit wieder kam, hebt an vor Herr Paſtor Aſtmann aͤngſt-
lich zu thun, bezeuget gegen denſelben, wie er nicht raſten noch ruhen koͤnnte,
indem er heute damals die groͤſte Suͤnde uͤbernommen und GOtt geleugnet
haͤtte, der bißher ſchon ſo viel Gutes an ihme gewuͤrcket, er haͤtte dem Heili-
gen Geiſte ſich widerſetzet, und waͤre dem boͤſen Geiſte gefolget, der ihm
recht zu der Stunde da er vor gerichte die letzte Warheit reden ſolte, das
Maul zugehalten und zu ſeinem ſowol, als ſeiner mit condemnirten Ver-
derben, auf ſolche Luͤgen hingeriſſen, die er unmuͤglich koͤnnte auf ſeinem Ge-
wiſſen behalten und in die Ewigkeit mitnehmen, bath zugleich den Herrn
Hoff-Richter Anniſium zu ſich, ders ad Protocollum nehme, was ſeine be-
ſtaͤndige Ausſage wider ſein Weib biß in den Tod bleiben ſolte: Bezeugete
zugleich ſeine erlittene Hertzens-Angſt uͤber ſeine im Gerichte ausgeſprochene
Luͤgen, damit er heute damals, nicht allein die beyden Maͤnner, ſondern auch
ſein grundboͤſes Weib geaͤrgert und erhaͤrtet haͤtte. Nechſt dem bath er den
Herrn Paſtor Aſtmann, noch Abends zu mir zu gehen, und mich um Ver-
zeihung zu bitten, mit Zuſage, wenn ich wieder zu ihm kaͤme, wolte er auf-
richtiger handeln, und ſein angefangenes Bekehrungs-Werck beſtaͤndig biß
in den Tod fortſetzen. Gedachter Herr Aſtmann that Fixeln den Gefallen
und kam denſelben Abend noch zu mir, erzehlete umſtaͤndlich ſolche Geſchichte,
die ſich mit Fixeln dieſen Nachmittag zugetragen. Die Relation war mir
von Hertzen angenehm, beſonders, daß mir der liebe GOtt meine gute Ab-
ſicht gelingen laſſen, ſintemal ich mich zu keinem andern Ende von ihm ent-
fernet hatte, als daß dieſer arme Menſch ſich beſinnen, und ſo dann von ſelbſt
ſich wiederum zu mir naͤhern ſolte.

§. 71.

Des andern Tages komme ich wieder, und fand den Fixel
nach obiger Erzehlung, aber den Hoffmann in voriger Haͤrte, darin ich ihn
Tages zuvor im Gerichte gelaſſen hatte, wolte von keiner Fixelin bey der
Muͤhlen Pluͤnderung wiſſen, durffte noch wol auf ihren Corrival gegen uns
Prediger ſchelten, daß er ſie nicht beſtaͤndig verſchwiege, es waͤre gnug wenn
ſie zweene ſtuͤrben, er machete mit ſeinem Geſtaͤndniß ſo viele arme Weiber
und Kinder. Kranichſeld that nach ſeiner tollen Art, wolte und wolte auch
nicht ſie geſehen haben, und ſo thaten ſie beyde annoch des folgenden Tages
im Gerichte, da ſie alle viere zugleich vorſtunden; Fixel aber bekannte getroſt
wider ſie alle, und ſolches in aller Einfalt, ohne Rache, aus Liebe zu der ihm
abgefoderten Warheit. Jens gebaͤrdeten ſich wunderlich, daß ſie damit

ihren
G 3
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[53[51]/0059] §. 70.Nachmittage merckte der arme Menſch Fixel unrecht, da ich nicht um gewoͤhnlicher Zeit wieder kam, hebt an vor Herr Paſtor Aſtmann aͤngſt- lich zu thun, bezeuget gegen denſelben, wie er nicht raſten noch ruhen koͤnnte, indem er heute damals die groͤſte Suͤnde uͤbernommen und GOtt geleugnet haͤtte, der bißher ſchon ſo viel Gutes an ihme gewuͤrcket, er haͤtte dem Heili- gen Geiſte ſich widerſetzet, und waͤre dem boͤſen Geiſte gefolget, der ihm recht zu der Stunde da er vor gerichte die letzte Warheit reden ſolte, das Maul zugehalten und zu ſeinem ſowol, als ſeiner mit condemnirten Ver- derben, auf ſolche Luͤgen hingeriſſen, die er unmuͤglich koͤnnte auf ſeinem Ge- wiſſen behalten und in die Ewigkeit mitnehmen, bath zugleich den Herrn Hoff-Richter Anniſium zu ſich, ders ad Protocollum nehme, was ſeine be- ſtaͤndige Ausſage wider ſein Weib biß in den Tod bleiben ſolte: Bezeugete zugleich ſeine erlittene Hertzens-Angſt uͤber ſeine im Gerichte ausgeſprochene Luͤgen, damit er heute damals, nicht allein die beyden Maͤnner, ſondern auch ſein grundboͤſes Weib geaͤrgert und erhaͤrtet haͤtte. Nechſt dem bath er den Herrn Paſtor Aſtmann, noch Abends zu mir zu gehen, und mich um Ver- zeihung zu bitten, mit Zuſage, wenn ich wieder zu ihm kaͤme, wolte er auf- richtiger handeln, und ſein angefangenes Bekehrungs-Werck beſtaͤndig biß in den Tod fortſetzen. Gedachter Herr Aſtmann that Fixeln den Gefallen und kam denſelben Abend noch zu mir, erzehlete umſtaͤndlich ſolche Geſchichte, die ſich mit Fixeln dieſen Nachmittag zugetragen. Die Relation war mir von Hertzen angenehm, beſonders, daß mir der liebe GOtt meine gute Ab- ſicht gelingen laſſen, ſintemal ich mich zu keinem andern Ende von ihm ent- fernet hatte, als daß dieſer arme Menſch ſich beſinnen, und ſo dann von ſelbſt ſich wiederum zu mir naͤhern ſolte. §. 71.Des andern Tages komme ich wieder, und fand den Fixel nach obiger Erzehlung, aber den Hoffmann in voriger Haͤrte, darin ich ihn Tages zuvor im Gerichte gelaſſen hatte, wolte von keiner Fixelin bey der Muͤhlen Pluͤnderung wiſſen, durffte noch wol auf ihren Corrival gegen uns Prediger ſchelten, daß er ſie nicht beſtaͤndig verſchwiege, es waͤre gnug wenn ſie zweene ſtuͤrben, er machete mit ſeinem Geſtaͤndniß ſo viele arme Weiber und Kinder. Kranichſeld that nach ſeiner tollen Art, wolte und wolte auch nicht ſie geſehen haben, und ſo thaten ſie beyde annoch des folgenden Tages im Gerichte, da ſie alle viere zugleich vorſtunden; Fixel aber bekannte getroſt wider ſie alle, und ſolches in aller Einfalt, ohne Rache, aus Liebe zu der ihm abgefoderten Warheit. Jens gebaͤrdeten ſich wunderlich, daß ſie damit ihren G 3

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Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 53[51]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/59>, abgerufen am 18.04.2024.