Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

& momentum quaestionis, und begehrten rotunde Antwort: Ob wir ihn
als einen bey der Damm-Mühlen gewesen und zum Tode verdammten
Plünderer aus den Gerichten empfangen, er sich dazu verstehen und nebst
allen seinen Sünden, diese zuerst erkennen und bereuen wolle? So war des
hocus bocus so viel bey diesem Manne, daß er darauf niemals recht weder
mit ja, noch mit nein heraus wolte.

§. 119.

Endlich trat der Herr Geh. Rath Mylius darzwischen re-
dete ihm zu: Hör einmal Kranichfeld, ich will nicht mehr als Richter,
sondern als ein Christ mit dir reden: Soll ich dich denen Herren Geist-
lichen nunmehro zur Todes-Bereitung übergeben, als einen, der wegen der
Damm-Mühlen verurtheilet worden? Und, (wie die Erläuterung solcher
Frage lauten möchte) soll dir dein Herr Prediger als einem, der bey
der Damm-Mühlen-Plünderung gewesen, die Absolution dafür (positis
ponendis
) ertheilen, und das heilige Nachtmahl zur Versicherung der
gesuchten Vergebung dieser und aller deiner Sünden ertheilen? Wo du
es nicht also beichtest, wirst du keines von beyden bekommen?

§. 120.

Jch dächte ich hatte sothane Frage also wol assequiret,
daß auch hiemit nichts, was nicht passiret wäre, ich hätte einfliessen lassen.
Uber diese Frage gruntzete er wieder einmal, seiner Gewohnheit nach, her-
aus: J ja! habe ichs doch gesaget, ja, ja: also, daß man überall den
Unwillen dieses ungebrochenen Menschen spühren konnte, der sich von aller
Höfslichkeit abgewandt, und nichts mehr als die Warheit scheuete, weil
ihm dieselbe den Dampff thun solte, so er sie von Hertzen bekennen, und
selbige beurtheilen lassen solte.

§. 121.

Jch recapitulirte diese Dinge, und wo ich noch einen Tück
übrig an ihm besorgte, fragte ich noch besonders denselben, bekam aber gleiche
freundliche Antwort; Deswegen ermannete mich ich noch zuletzt und sprach
zu ihm: Armer Mann, sehet das Spinne-Gewebe will nicht fort, es ist
abermals zerrissen, da stehet ihr nun hie oben im Gerichte nacket und bloß,
bleibet doch auch also unten im Gefängniß, damit wir einmahl einen rechten
Anfang der Bekehrung machen, und nicht in den Circkel herum uns vom
Satan führen lassen, die Zeit ist ja sehr kurtz! Oder meynet ihrs uns, de-
nen Predigern eher also zu bieten, wie ihrs jetzo den Richter habet bieten
können? so glaubet, wir wollen eher beyde von einander, als die Richter
von euch kommen; Denn wir auch nicht absehen, daß uns ein Halßstar-
riger Mensch immerhin ässe und spotte, und wir sein Lustspiel bleiben solten.

§. 122.
M

& momentum quæſtionis, und begehrten rotunde Antwort: Ob wir ihn
als einen bey der Damm-Muͤhlen geweſen und zum Tode verdammten
Pluͤnderer aus den Gerichten empfangen, er ſich dazu verſtehen und nebſt
allen ſeinen Suͤnden, dieſe zuerſt erkennen und bereuen wolle? So war des
hocus bocus ſo viel bey dieſem Manne, daß er darauf niemals recht weder
mit ja, noch mit nein heraus wolte.

§. 119.

Endlich trat der Herr Geh. Rath Mylius darzwiſchen re-
dete ihm zu: Hoͤr einmal Kranichfeld, ich will nicht mehr als Richter,
ſondern als ein Chriſt mit dir reden: Soll ich dich denen Herren Geiſt-
lichen nunmehro zur Todes-Bereitung uͤbergeben, als einen, der wegen der
Damm-Muͤhlen verurtheilet worden? Und, (wie die Erlaͤuterung ſolcher
Frage lauten moͤchte) ſoll dir dein Herr Prediger als einem, der bey
der Damm-Muͤhlen-Pluͤnderung geweſen, die Abſolution dafuͤr (poſitis
ponendis
) ertheilen, und das heilige Nachtmahl zur Verſicherung der
geſuchten Vergebung dieſer und aller deiner Suͤnden ertheilen? Wo du
es nicht alſo beichteſt, wirſt du keines von beyden bekommen?

§. 120.

Jch daͤchte ich hatte ſothane Frage alſo wol aſſequiret,
daß auch hiemit nichts, was nicht pasſiret waͤre, ich haͤtte einflieſſen laſſen.
Uber dieſe Frage gruntzete er wieder einmal, ſeiner Gewohnheit nach, her-
aus: J ja! habe ichs doch geſaget, ja, ja: alſo, daß man uͤberall den
Unwillen dieſes ungebrochenen Menſchen ſpuͤhren konnte, der ſich von aller
Hoͤfſlichkeit abgewandt, und nichts mehr als die Warheit ſcheuete, weil
ihm dieſelbe den Dampff thun ſolte, ſo er ſie von Hertzen bekennen, und
ſelbige beurtheilen laſſen ſolte.

§. 121.

Jch recapitulirte dieſe Dinge, und wo ich noch einen Tuͤck
uͤbrig an ihm beſorgte, fragte ich noch beſonders denſelben, bekam aber gleiche
freundliche Antwort; Deswegen ermannete mich ich noch zuletzt und ſprach
zu ihm: Armer Mann, ſehet das Spinne-Gewebe will nicht fort, es iſt
abermals zerriſſen, da ſtehet ihr nun hie oben im Gerichte nacket und bloß,
bleibet doch auch alſo unten im Gefaͤngniß, damit wir einmahl einen rechten
Anfang der Bekehrung machen, und nicht in den Circkel herum uns vom
Satan fuͤhren laſſen, die Zeit iſt ja ſehr kurtz! Oder meynet ihrs uns, de-
nen Predigern eher alſo zu bieten, wie ihrs jetzo den Richter habet bieten
koͤnnen? ſo glaubet, wir wollen eher beyde von einander, als die Richter
von euch kommen; Denn wir auch nicht abſehen, daß uns ein Halßſtar-
riger Menſch immerhin aͤſſe und ſpotte, und wir ſein Luſtſpiel bleiben ſolten.

§. 122.
M
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0095" n="89[87]"/><hi rendition="#aq">&amp; momentum quæ&#x017F;tionis,</hi> und begehrten <hi rendition="#aq">rotund</hi>e Antwort: Ob wir ihn<lb/>
als einen bey der Damm-Mu&#x0364;hlen gewe&#x017F;en und zum Tode verdammten<lb/>
Plu&#x0364;nderer aus den Gerichten empfangen, er &#x017F;ich dazu ver&#x017F;tehen und neb&#x017F;t<lb/>
allen &#x017F;einen Su&#x0364;nden, die&#x017F;e zuer&#x017F;t erkennen und bereuen wolle? So war des<lb/><hi rendition="#aq">hocus bocus</hi> &#x017F;o viel bey die&#x017F;em Manne, daß er darauf niemals recht weder<lb/>
mit ja, noch mit nein heraus wolte.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 119.</head>
        <p>Endlich trat der Herr Geh. Rath <hi rendition="#aq">Mylius</hi> darzwi&#x017F;chen re-<lb/>
dete ihm zu: Ho&#x0364;r einmal Kranichfeld, ich will nicht mehr als Richter,<lb/>
&#x017F;ondern als ein Chri&#x017F;t mit dir reden: Soll ich dich denen Herren Gei&#x017F;t-<lb/>
lichen nunmehro zur Todes-Bereitung u&#x0364;bergeben, als einen, der wegen der<lb/>
Damm-Mu&#x0364;hlen verurtheilet worden? Und, (wie die Erla&#x0364;uterung &#x017F;olcher<lb/>
Frage lauten mo&#x0364;chte) &#x017F;oll dir dein Herr Prediger als einem, der bey<lb/>
der Damm-Mu&#x0364;hlen-Plu&#x0364;nderung gewe&#x017F;en, die <hi rendition="#aq">Ab&#x017F;olution</hi> dafu&#x0364;r (<hi rendition="#aq">po&#x017F;itis<lb/>
ponendis</hi>) ertheilen, und das heilige Nachtmahl zur Ver&#x017F;icherung der<lb/>
ge&#x017F;uchten Vergebung die&#x017F;er und aller deiner Su&#x0364;nden ertheilen? Wo du<lb/>
es nicht al&#x017F;o beichte&#x017F;t, wir&#x017F;t du keines von beyden bekommen?</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 120.</head>
        <p>Jch da&#x0364;chte ich hatte &#x017F;othane Frage al&#x017F;o wol <hi rendition="#aq">a&#x017F;&#x017F;equir</hi>et,<lb/>
daß auch hiemit nichts, was nicht <hi rendition="#aq">pas&#x017F;ir</hi>et wa&#x0364;re, ich ha&#x0364;tte einflie&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Uber die&#x017F;e Frage gruntzete er wieder einmal, &#x017F;einer Gewohnheit nach, her-<lb/>
aus: J ja! habe ichs doch ge&#x017F;aget, ja, ja: al&#x017F;o, daß man u&#x0364;berall den<lb/>
Unwillen die&#x017F;es ungebrochenen Men&#x017F;chen &#x017F;pu&#x0364;hren konnte, der &#x017F;ich von aller<lb/>
Ho&#x0364;f&#x017F;lichkeit abgewandt, und nichts mehr als die Warheit &#x017F;cheuete, weil<lb/>
ihm die&#x017F;elbe den Dampff thun &#x017F;olte, &#x017F;o er &#x017F;ie von Hertzen bekennen, und<lb/>
&#x017F;elbige beurtheilen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olte.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 121.</head>
        <p>Jch <hi rendition="#aq">recapitulir</hi>te die&#x017F;e Dinge, und wo ich noch einen Tu&#x0364;ck<lb/>
u&#x0364;brig an ihm be&#x017F;orgte, fragte ich noch be&#x017F;onders den&#x017F;elben, bekam aber gleiche<lb/>
freundliche Antwort; Deswegen ermannete mich ich noch zuletzt und &#x017F;prach<lb/>
zu ihm: Armer Mann, &#x017F;ehet das Spinne-Gewebe will nicht fort, es i&#x017F;t<lb/>
abermals zerri&#x017F;&#x017F;en, da &#x017F;tehet ihr nun hie oben im Gerichte nacket und bloß,<lb/>
bleibet doch auch al&#x017F;o unten im Gefa&#x0364;ngniß, damit wir einmahl einen rechten<lb/>
Anfang der Bekehrung machen, und nicht in den Circkel herum uns vom<lb/>
Satan fu&#x0364;hren la&#x017F;&#x017F;en, die Zeit i&#x017F;t ja &#x017F;ehr kurtz! Oder meynet ihrs uns, de-<lb/>
nen Predigern eher al&#x017F;o zu bieten, wie ihrs jetzo den Richter habet bieten<lb/>
ko&#x0364;nnen? &#x017F;o glaubet, wir wollen eher beyde von einander, als die Richter<lb/>
von euch kommen; Denn wir auch nicht ab&#x017F;ehen, daß uns ein Halß&#x017F;tar-<lb/>
riger Men&#x017F;ch immerhin a&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und &#x017F;potte, und wir &#x017F;ein Lu&#x017F;t&#x017F;piel bleiben &#x017F;olten.</p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">M</fw>
      <fw place="bottom" type="catch">§. 122.</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89[87]/0095] & momentum quæſtionis, und begehrten rotunde Antwort: Ob wir ihn als einen bey der Damm-Muͤhlen geweſen und zum Tode verdammten Pluͤnderer aus den Gerichten empfangen, er ſich dazu verſtehen und nebſt allen ſeinen Suͤnden, dieſe zuerſt erkennen und bereuen wolle? So war des hocus bocus ſo viel bey dieſem Manne, daß er darauf niemals recht weder mit ja, noch mit nein heraus wolte. §. 119. Endlich trat der Herr Geh. Rath Mylius darzwiſchen re- dete ihm zu: Hoͤr einmal Kranichfeld, ich will nicht mehr als Richter, ſondern als ein Chriſt mit dir reden: Soll ich dich denen Herren Geiſt- lichen nunmehro zur Todes-Bereitung uͤbergeben, als einen, der wegen der Damm-Muͤhlen verurtheilet worden? Und, (wie die Erlaͤuterung ſolcher Frage lauten moͤchte) ſoll dir dein Herr Prediger als einem, der bey der Damm-Muͤhlen-Pluͤnderung geweſen, die Abſolution dafuͤr (poſitis ponendis) ertheilen, und das heilige Nachtmahl zur Verſicherung der geſuchten Vergebung dieſer und aller deiner Suͤnden ertheilen? Wo du es nicht alſo beichteſt, wirſt du keines von beyden bekommen? §. 120. Jch daͤchte ich hatte ſothane Frage alſo wol aſſequiret, daß auch hiemit nichts, was nicht pasſiret waͤre, ich haͤtte einflieſſen laſſen. Uber dieſe Frage gruntzete er wieder einmal, ſeiner Gewohnheit nach, her- aus: J ja! habe ichs doch geſaget, ja, ja: alſo, daß man uͤberall den Unwillen dieſes ungebrochenen Menſchen ſpuͤhren konnte, der ſich von aller Hoͤfſlichkeit abgewandt, und nichts mehr als die Warheit ſcheuete, weil ihm dieſelbe den Dampff thun ſolte, ſo er ſie von Hertzen bekennen, und ſelbige beurtheilen laſſen ſolte. §. 121. Jch recapitulirte dieſe Dinge, und wo ich noch einen Tuͤck uͤbrig an ihm beſorgte, fragte ich noch beſonders denſelben, bekam aber gleiche freundliche Antwort; Deswegen ermannete mich ich noch zuletzt und ſprach zu ihm: Armer Mann, ſehet das Spinne-Gewebe will nicht fort, es iſt abermals zerriſſen, da ſtehet ihr nun hie oben im Gerichte nacket und bloß, bleibet doch auch alſo unten im Gefaͤngniß, damit wir einmahl einen rechten Anfang der Bekehrung machen, und nicht in den Circkel herum uns vom Satan fuͤhren laſſen, die Zeit iſt ja ſehr kurtz! Oder meynet ihrs uns, de- nen Predigern eher alſo zu bieten, wie ihrs jetzo den Richter habet bieten koͤnnen? ſo glaubet, wir wollen eher beyde von einander, als die Richter von euch kommen; Denn wir auch nicht abſehen, daß uns ein Halßſtar- riger Menſch immerhin aͤſſe und ſpotte, und wir ſein Luſtſpiel bleiben ſolten. §. 122. M

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/95
Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 89[87]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/95>, abgerufen am 29.03.2024.