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Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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an die Städte Italiens erinnernden flachen Dächern, und dem hoch über Häuser und Stadt emporragenden Schlosse sich gar lieblich längs der Salzach hinstreckt, deren blitzender Lauf sich durch das buschige Gelände weithin verfolgen läßt, bis unter die fernschimmernden Zinnen von Hohensalzburg. Ich war über Erwarten leidlich untergebracht, und, von Ort und Einwohnerschaft angeheimelt, hoffte ich den Winter in erwünschter fruchtbringender Weise vorübergehn zu sehn. Mein Gastwirth war ein freundlicher Mann, sehr sorgsam um die Unterhaltung seines Gastes bemüht und zugleich befremdet, daß derselbe die Abende in der Stube hinter Schreibzeug und Büchern zubrachte, anstatt wie die andern männlichen Bewohner dem traulichen Zuge in die gewohnte Abendgesellschaft zu folgen, die sich abwechselnd bald in diesem, bald in einem andern Gasthause versammelte. Dieser Besorgniß hatte ich es zu verdanken, daß er eines Abends mich mit jener freudigen Miene besuchte, welche ankündigte, daß er eine mindestens ihm wichtige Nachricht zu bringen habe. Sie war es auch in der That; mindestens überraschte es mich, als er mir mittheilte, daß dem Städtchen für den Abend das seltene Vergnügen eines Schauspiels bevorstand, und zwar nicht eines Schauspiels von gewöhnlichen wandernden Komödianten, sondern von Bürgern, nämlich von den Laufner Schiffleuten. Das sind, belehrte er mich, als ich meine Verwunderung äußerte, die Mitglieder der Schifferzunft in Laufen, dem näch-

an die Städte Italiens erinnernden flachen Dächern, und dem hoch über Häuser und Stadt emporragenden Schlosse sich gar lieblich längs der Salzach hinstreckt, deren blitzender Lauf sich durch das buschige Gelände weithin verfolgen läßt, bis unter die fernschimmernden Zinnen von Hohensalzburg. Ich war über Erwarten leidlich untergebracht, und, von Ort und Einwohnerschaft angeheimelt, hoffte ich den Winter in erwünschter fruchtbringender Weise vorübergehn zu sehn. Mein Gastwirth war ein freundlicher Mann, sehr sorgsam um die Unterhaltung seines Gastes bemüht und zugleich befremdet, daß derselbe die Abende in der Stube hinter Schreibzeug und Büchern zubrachte, anstatt wie die andern männlichen Bewohner dem traulichen Zuge in die gewohnte Abendgesellschaft zu folgen, die sich abwechselnd bald in diesem, bald in einem andern Gasthause versammelte. Dieser Besorgniß hatte ich es zu verdanken, daß er eines Abends mich mit jener freudigen Miene besuchte, welche ankündigte, daß er eine mindestens ihm wichtige Nachricht zu bringen habe. Sie war es auch in der That; mindestens überraschte es mich, als er mir mittheilte, daß dem Städtchen für den Abend das seltene Vergnügen eines Schauspiels bevorstand, und zwar nicht eines Schauspiels von gewöhnlichen wandernden Komödianten, sondern von Bürgern, nämlich von den Laufner Schiffleuten. Das sind, belehrte er mich, als ich meine Verwunderung äußerte, die Mitglieder der Schifferzunft in Laufen, dem näch-

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[0008] an die Städte Italiens erinnernden flachen Dächern, und dem hoch über Häuser und Stadt emporragenden Schlosse sich gar lieblich längs der Salzach hinstreckt, deren blitzender Lauf sich durch das buschige Gelände weithin verfolgen läßt, bis unter die fernschimmernden Zinnen von Hohensalzburg. Ich war über Erwarten leidlich untergebracht, und, von Ort und Einwohnerschaft angeheimelt, hoffte ich den Winter in erwünschter fruchtbringender Weise vorübergehn zu sehn. Mein Gastwirth war ein freundlicher Mann, sehr sorgsam um die Unterhaltung seines Gastes bemüht und zugleich befremdet, daß derselbe die Abende in der Stube hinter Schreibzeug und Büchern zubrachte, anstatt wie die andern männlichen Bewohner dem traulichen Zuge in die gewohnte Abendgesellschaft zu folgen, die sich abwechselnd bald in diesem, bald in einem andern Gasthause versammelte. Dieser Besorgniß hatte ich es zu verdanken, daß er eines Abends mich mit jener freudigen Miene besuchte, welche ankündigte, daß er eine mindestens ihm wichtige Nachricht zu bringen habe. Sie war es auch in der That; mindestens überraschte es mich, als er mir mittheilte, daß dem Städtchen für den Abend das seltene Vergnügen eines Schauspiels bevorstand, und zwar nicht eines Schauspiels von gewöhnlichen wandernden Komödianten, sondern von Bürgern, nämlich von den Laufner Schiffleuten. Das sind, belehrte er mich, als ich meine Verwunderung äußerte, die Mitglieder der Schifferzunft in Laufen, dem näch-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/8>, abgerufen am 25.04.2024.