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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.

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Untersuchung/ derer von super-klugen
hen als einem lebendigen Menschen. Und ob sie
gleich viel essen und trincken/ so gedeyet ihnen sol-
ches doch nicht zur Nahrung/ sondern weil in
dem Magen eine hefftige Säure und Schärffe
ist/ welche stets einem Wolffs-Hunger erreget/
und die eingenommene Speise stracks in eine
schädliche Materiam verwandelt/ daß hernach
nichts anders davon ins Geblüt gehet/ als eine
scharffe verzehrende Feuchtigkeit/ so verdorren
alsdenn solche arme Kinder/ und schrumpelt ih-
nen die Haut endlich zusammen/ als wie bey sehr
alten Leuten. Ob nun zwar wohl solchen armen
kleinen Patienten/ nach und nach/ durch dienli-
che Artzney-Mittel könte wieder geholffen wer-
den/ so wird doch leider! mehrentheils solche nö-
thige Hülffe unterbrochen/ wenn sich nehmlich
allerhand nichts-werthe alte Zauber-Huren
auffwerffen/ und ihre verfluchte Hülffe anbie-
ten/ da sie doch nicht sagen können/ woher solche
Beschwerung komme. Auff daß sie aber gleich-
wohl nicht möchten vor unerfahren geachtet
werden/ geben sie der Kranckheit närrische und
nachdenckliche Nahmen/ und bedienen sich auch
eben dergleichen toller Hülffs-Mittel/ die aber
eher verdienten Hencker-Foltern/ als Hülffs-
Mittel genennet zu werden. Denn erst sagen sie/
das Kind hätte die Mitesser; wenn aber die dar-
wieder gebrauchte Mittel nicht anschlagen/ so

geben

Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen
hen als einem lebendigen Menſchen. Und ob ſie
gleich viel eſſen und trincken/ ſo gedeyet ihnen ſol-
ches doch nicht zur Nahrung/ ſondern weil in
dem Magen eine hefftige Saͤure und Schaͤrffe
iſt/ welche ſtets einem Wolffs-Hunger erreget/
und die eingenommene Speiſe ſtracks in eine
ſchaͤdliche Materiam verwandelt/ daß hernach
nichts anders davon ins Gebluͤt gehet/ als eine
ſcharffe verzehrende Feuchtigkeit/ ſo verdorren
alsdenn ſolche arme Kinder/ und ſchrumpelt ih-
nen die Haut endlich zuſammen/ als wie bey ſehr
alten Leuten. Ob nun zwar wohl ſolchen armen
kleinen Patienten/ nach und nach/ durch dienli-
che Artzney-Mittel koͤnte wieder geholffen wer-
den/ ſo wird doch leider! mehrentheils ſolche noͤ-
thige Huͤlffe unterbrochen/ wenn ſich nehmlich
allerhand nichts-werthe alte Zauber-Huren
auffwerffen/ und ihre verfluchte Huͤlffe anbie-
ten/ da ſie doch nicht ſagen koͤnnen/ woher ſolche
Beſchwerung komme. Auff daß ſie aber gleich-
wohl nicht moͤchten vor unerfahren geachtet
werden/ geben ſie der Kranckheit naͤrriſche und
nachdenckliche Nahmen/ und bedienen ſich auch
eben dergleichen toller Huͤlffs-Mittel/ die aber
eher verdienten Hencker-Foltern/ als Huͤlffs-
Mittel genennet zu werden. Denn erſt ſagen ſie/
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[130/0152] Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen hen als einem lebendigen Menſchen. Und ob ſie gleich viel eſſen und trincken/ ſo gedeyet ihnen ſol- ches doch nicht zur Nahrung/ ſondern weil in dem Magen eine hefftige Saͤure und Schaͤrffe iſt/ welche ſtets einem Wolffs-Hunger erreget/ und die eingenommene Speiſe ſtracks in eine ſchaͤdliche Materiam verwandelt/ daß hernach nichts anders davon ins Gebluͤt gehet/ als eine ſcharffe verzehrende Feuchtigkeit/ ſo verdorren alsdenn ſolche arme Kinder/ und ſchrumpelt ih- nen die Haut endlich zuſammen/ als wie bey ſehr alten Leuten. Ob nun zwar wohl ſolchen armen kleinen Patienten/ nach und nach/ durch dienli- che Artzney-Mittel koͤnte wieder geholffen wer- den/ ſo wird doch leider! mehrentheils ſolche noͤ- thige Huͤlffe unterbrochen/ wenn ſich nehmlich allerhand nichts-werthe alte Zauber-Huren auffwerffen/ und ihre verfluchte Huͤlffe anbie- ten/ da ſie doch nicht ſagen koͤnnen/ woher ſolche Beſchwerung komme. Auff daß ſie aber gleich- wohl nicht moͤchten vor unerfahren geachtet werden/ geben ſie der Kranckheit naͤrriſche und nachdenckliche Nahmen/ und bedienen ſich auch eben dergleichen toller Huͤlffs-Mittel/ die aber eher verdienten Hencker-Foltern/ als Huͤlffs- Mittel genennet zu werden. Denn erſt ſagen ſie/ das Kind haͤtte die Miteſſer; wenn aber die dar- wieder gebrauchte Mittel nicht anſchlagen/ ſo geben

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/152>, abgerufen am 28.03.2024.