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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.

Ganz anders lagen die Dinge in der Flachs-
spinnerei. Leinwand war seit Jahrhunderten der Hauptstoff
für Ober- und Unterkleider, für Bett- und Tischzeug
aller Stände. Dieterici rechnet, 1 daß 1806 im Durch-
schnitt der ganzen preußischen Bevölkerung jede einzelne
Person jährlich 1/2 Elle Wollgewebe, 3/4 Ellen Baumwoll-
stoffe, -- aber 4 Ellen Leinwand verbraucht habe. Und
zu diesem Bedarf für den eigenen Verbrauch kam der
Export. Seit alter Zeit hatte man aus Deutschland
viel Leinen exportirt; im 18 ten Jahrhundert hatte die
Ausfuhr besonders schlesischer und westfälischer Leinwand
sich wieder außerordentlich gesteigert. Und mit der
Ausfuhr der Leinwand hatte sich auch die Ausfuhr von
Leinengarn gehoben. Allein aus den preußischen Staaten
erreichte der Werth der jährlichen Ausfuhr gegen Ende
des Jahrhunderts einen Betrag von etwa 3 Millionen
Thaler. 2

In ganz Norddeutschland, besonders aber in
Schlesien, in Osnabrück, in Ravensberg, im Hannöver-
schen und Braunschweigischen hatte sich das Spinnen
verbreitet. 3 Man spann in allen Familien des Mittel-

1 Der Volkswohlstand im preuß. Staat, S. 142 -- 46.
2 Dieterici, daselbst S. 24.
3 Vergl. Gülich II, 318. Die Hauptquelle für die Geschichte
der preuß. Leindwandindustrie ist Schneer, über die Noth der
Leinenarbeiter in Schlesien, Berlin 1844. Vergl. auch Volz, Bei-
träge zur Geschichte der Leinwandfabrikation und des Leinwand-
handels in Württemberg von den ältesten bis auf die neuesten
Zeiten. Württembergische Jahrbücher 1854. Heft 1. S. 148 --
184, Heft 2, S. 1 -- 62.
Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.

Ganz anders lagen die Dinge in der Flachs-
ſpinnerei. Leinwand war ſeit Jahrhunderten der Hauptſtoff
für Ober- und Unterkleider, für Bett- und Tiſchzeug
aller Stände. Dieterici rechnet, 1 daß 1806 im Durch-
ſchnitt der ganzen preußiſchen Bevölkerung jede einzelne
Perſon jährlich ½ Elle Wollgewebe, ¾ Ellen Baumwoll-
ſtoffe, — aber 4 Ellen Leinwand verbraucht habe. Und
zu dieſem Bedarf für den eigenen Verbrauch kam der
Export. Seit alter Zeit hatte man aus Deutſchland
viel Leinen exportirt; im 18 ten Jahrhundert hatte die
Ausfuhr beſonders ſchleſiſcher und weſtfäliſcher Leinwand
ſich wieder außerordentlich geſteigert. Und mit der
Ausfuhr der Leinwand hatte ſich auch die Ausfuhr von
Leinengarn gehoben. Allein aus den preußiſchen Staaten
erreichte der Werth der jährlichen Ausfuhr gegen Ende
des Jahrhunderts einen Betrag von etwa 3 Millionen
Thaler. 2

In ganz Norddeutſchland, beſonders aber in
Schleſien, in Osnabrück, in Ravensberg, im Hannöver-
ſchen und Braunſchweigiſchen hatte ſich das Spinnen
verbreitet. 3 Man ſpann in allen Familien des Mittel-

1 Der Volkswohlſtand im preuß. Staat, S. 142 — 46.
2 Dieterici, daſelbſt S. 24.
3 Vergl. Gülich II, 318. Die Hauptquelle für die Geſchichte
der preuß. Leindwandinduſtrie iſt Schneer, über die Noth der
Leinenarbeiter in Schleſien, Berlin 1844. Vergl. auch Volz, Bei-
träge zur Geſchichte der Leinwandfabrikation und des Leinwand-
handels in Württemberg von den älteſten bis auf die neueſten
Zeiten. Württembergiſche Jahrbücher 1854. Heft 1. S. 148 —
184, Heft 2, S. 1 — 62.
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[456/0478] Die Umbildung einzelner Gewerbszweige. Ganz anders lagen die Dinge in der Flachs- ſpinnerei. Leinwand war ſeit Jahrhunderten der Hauptſtoff für Ober- und Unterkleider, für Bett- und Tiſchzeug aller Stände. Dieterici rechnet, 1 daß 1806 im Durch- ſchnitt der ganzen preußiſchen Bevölkerung jede einzelne Perſon jährlich ½ Elle Wollgewebe, ¾ Ellen Baumwoll- ſtoffe, — aber 4 Ellen Leinwand verbraucht habe. Und zu dieſem Bedarf für den eigenen Verbrauch kam der Export. Seit alter Zeit hatte man aus Deutſchland viel Leinen exportirt; im 18 ten Jahrhundert hatte die Ausfuhr beſonders ſchleſiſcher und weſtfäliſcher Leinwand ſich wieder außerordentlich geſteigert. Und mit der Ausfuhr der Leinwand hatte ſich auch die Ausfuhr von Leinengarn gehoben. Allein aus den preußiſchen Staaten erreichte der Werth der jährlichen Ausfuhr gegen Ende des Jahrhunderts einen Betrag von etwa 3 Millionen Thaler. 2 In ganz Norddeutſchland, beſonders aber in Schleſien, in Osnabrück, in Ravensberg, im Hannöver- ſchen und Braunſchweigiſchen hatte ſich das Spinnen verbreitet. 3 Man ſpann in allen Familien des Mittel- 1 Der Volkswohlſtand im preuß. Staat, S. 142 — 46. 2 Dieterici, daſelbſt S. 24. 3 Vergl. Gülich II, 318. Die Hauptquelle für die Geſchichte der preuß. Leindwandinduſtrie iſt Schneer, über die Noth der Leinenarbeiter in Schleſien, Berlin 1844. Vergl. auch Volz, Bei- träge zur Geſchichte der Leinwandfabrikation und des Leinwand- handels in Württemberg von den älteſten bis auf die neueſten Zeiten. Württembergiſche Jahrbücher 1854. Heft 1. S. 148 — 184, Heft 2, S. 1 — 62.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/478>, abgerufen am 25.04.2024.