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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Elterlosen Waisen zu gehen pfleget. Denn so bald
sie nur mein Vermögen, welches sich etwa auf 1500.
Thlr. belieff, unter das ihrige vermischt, nieman-
den aber zur Zeit Rechnung abzulegen hatten, als
sich selbst, schien es nicht anders, als ob sie mich um
GOttes willen bey sich dulteten, ja mit der Zeit fiel
ihnen gar meine Person, obschon nicht mein Guth,
ziemlich beschwerlich, derowegen ich unter solchem
Vorwande in eine andere Stadt geschafft wurde,
daß in selbiger weit civilisirtere Leute befindlich, von
denen ich besser gezogen werden könte, denn wenn die
Freunde, wie sie sagten, einen jungen wilden Kna-
ben nur ein wenig scharff angriffen, müßte es gleich
ein Hundemäßiges Tractament heissen, zumahl
bey solchen Leuten, die sich ein Vergnügen machten,
dergleichen Bösewichter zu verziehen. Jch wußte
zwar damahls nicht auf wen sie stichelten, kan auch
im geringsten nicht läugnen, daß ich ein wildes und
etwas allzu feuriges Temperament hatte, allein es
war dennoch, ohne eigenen Ruhm zu melden, gewiß,
daß unter meinen lustigen Streichen, die ich täglich
anzustellen beflissen, sehr selten etwas boshafftes zu
finden war, wenn man anders nicht mit Gewalt
eine Bosheit daraus erzwingen wolte. Von ver-
schiedenen Streichen, nur in aller Kürtze etliche we-
nige anzuführen, so wird daraus zu schliessen seyn,
daß ich zwar zuweilen etwas spitzfindig, zum öfftern
auch sehr einfältig gewesen. Eines Tages, da mein
Vetter mit einer Gerichts-Person lange Zeit ein
geheimes Gespräch gehalten, hörete ich beym Ab-
schied nehmen von ihm diese Worte: Ja Herr Ge-
vatter! wenn sich nur jemand unterstehen wolte der

Katze
II. Theil. m

Elterloſen Waiſen zu gehen pfleget. Denn ſo bald
ſie nur mein Vermoͤgen, welches ſich etwa auf 1500.
Thlr. belieff, unter das ihrige vermiſcht, nieman-
den aber zur Zeit Rechnung abzulegen hatten, als
ſich ſelbſt, ſchien es nicht anders, als ob ſie mich um
GOttes willen bey ſich dulteten, ja mit der Zeit fiel
ihnen gar meine Perſon, obſchon nicht mein Guth,
ziemlich beſchwerlich, derowegen ich unter ſolchem
Vorwande in eine andere Stadt geſchafft wurde,
daß in ſelbiger weit civiliſirtere Leute befindlich, von
denen ich beſſer gezogen werden koͤnte, denn wenn die
Freunde, wie ſie ſagten, einen jungen wilden Kna-
ben nur ein wenig ſcharff angriffen, muͤßte es gleich
ein Hundemaͤßiges Tractament heiſſen, zumahl
bey ſolchen Leuten, die ſich ein Vergnuͤgen machten,
dergleichen Boͤſewichter zu verziehen. Jch wußte
zwar damahls nicht auf wen ſie ſtichelten, kan auch
im geringſten nicht laͤugnen, daß ich ein wildes und
etwas allzu feuriges Temperament hatte, allein es
war dennoch, ohne eigenen Ruhm zu melden, gewiß,
daß unter meinen luſtigen Streichen, die ich taͤglich
anzuſtellen befliſſen, ſehr ſelten etwas boshafftes zu
finden war, wenn man anders nicht mit Gewalt
eine Bosheit daraus erzwingen wolte. Von ver-
ſchiedenen Streichen, nur in aller Kuͤrtze etliche we-
nige anzufuͤhren, ſo wird daraus zu ſchlieſſen ſeyn,
daß ich zwar zuweilen etwas ſpitzfindig, zum oͤfftern
auch ſehr einfaͤltig geweſen. Eines Tages, da mein
Vetter mit einer Gerichts-Perſon lange Zeit ein
geheimes Geſpraͤch gehalten, hoͤrete ich beym Ab-
ſchied nehmen von ihm dieſe Worte: Ja Herr Ge-
vatter! wenn ſich nur jemand unterſtehen wolte der

Katze
II. Theil. m
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[177/0191] Elterloſen Waiſen zu gehen pfleget. Denn ſo bald ſie nur mein Vermoͤgen, welches ſich etwa auf 1500. Thlr. belieff, unter das ihrige vermiſcht, nieman- den aber zur Zeit Rechnung abzulegen hatten, als ſich ſelbſt, ſchien es nicht anders, als ob ſie mich um GOttes willen bey ſich dulteten, ja mit der Zeit fiel ihnen gar meine Perſon, obſchon nicht mein Guth, ziemlich beſchwerlich, derowegen ich unter ſolchem Vorwande in eine andere Stadt geſchafft wurde, daß in ſelbiger weit civiliſirtere Leute befindlich, von denen ich beſſer gezogen werden koͤnte, denn wenn die Freunde, wie ſie ſagten, einen jungen wilden Kna- ben nur ein wenig ſcharff angriffen, muͤßte es gleich ein Hundemaͤßiges Tractament heiſſen, zumahl bey ſolchen Leuten, die ſich ein Vergnuͤgen machten, dergleichen Boͤſewichter zu verziehen. Jch wußte zwar damahls nicht auf wen ſie ſtichelten, kan auch im geringſten nicht laͤugnen, daß ich ein wildes und etwas allzu feuriges Temperament hatte, allein es war dennoch, ohne eigenen Ruhm zu melden, gewiß, daß unter meinen luſtigen Streichen, die ich taͤglich anzuſtellen befliſſen, ſehr ſelten etwas boshafftes zu finden war, wenn man anders nicht mit Gewalt eine Bosheit daraus erzwingen wolte. Von ver- ſchiedenen Streichen, nur in aller Kuͤrtze etliche we- nige anzufuͤhren, ſo wird daraus zu ſchlieſſen ſeyn, daß ich zwar zuweilen etwas ſpitzfindig, zum oͤfftern auch ſehr einfaͤltig geweſen. Eines Tages, da mein Vetter mit einer Gerichts-Perſon lange Zeit ein geheimes Geſpraͤch gehalten, hoͤrete ich beym Ab- ſchied nehmen von ihm dieſe Worte: Ja Herr Ge- vatter! wenn ſich nur jemand unterſtehen wolte der Katze II. Theil. m

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/191>, abgerufen am 29.03.2024.