Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

mich unverdienter Weise mit Geschencken fast über
häufften. Nächst diesem brachte mir meine Sin-
ge-Stimme, die sich wöchentlich im Chore, alle
Sonntage bey der Kirchen-Musique, und dann auch
öffters in vornehmer Leute Häusern hören ließ, ein
starckes Accidens zuwege, weßwegen ich nach Ver-
lauff des ersten halben Jahres, nach Abzug aller
Bedürffnissen, meiner lieben Mutter 6. spec. Duca-
ten nach Hause schicken konte.

Solcher glückliche Zustand wurde mir aber, nach
Verlauff weniger Zeit, durch eine odieuse Begeben-
heit mit desto grössern Jammer eingetränckt. Denn
es ist zu wissen, daß an dem Orte meines damahligen
Aufenthalts ein Collegium des Römisch-Catholi-
schen so genannten Jesuiter-Ordens war, mit dessen
Schülern meine Commilitones nemlich die Evan-
gelisch-Lutherischen Gymnasiasten, in beständigen
Zwistigkeiten lebten. Jch habe mich vor meine
Person niemahls bemühen wollen, zu untersuchen,
welche Parthey der andern am meisten Gelegenheit
zum Zancken und Streiten gegeben, weilen bekandt,
daß gemeiniglich unter allen Heerden räudige
Schaafe zu finden sind; Allein zu meiner Zeit weiß
ich gewiß, daß uns die Jesuiter-Schüler allen er-
sinnlichen Verdruß anthaten, absonderlich kränck-
te uns nachfolgender Spott-Streich am aller em-
pfindlichsten: Es befand sich ohnfern von der Stadt
in einem lustigen Spatzier-Gange von Natur ein
artiges Echo, welches die letztern etwas starck aus-
geruften Sylben der Wörter, zu 2. 3. bis 4. mahlen
ungemein vernehmlich repetirte. Jn dieser Ge-
gend nun pflegten sich der Jesuiter-Schüler sehr öff-

ters

mich unverdienter Weiſe mit Geſchencken faſt uͤber
haͤufften. Naͤchſt dieſem brachte mir meine Sin-
ge-Stimme, die ſich woͤchentlich im Chore, alle
Sonntage bey der Kirchen-Muſique, und dann auch
oͤffters in vornehmer Leute Haͤuſern hoͤren ließ, ein
ſtarckes Accidens zuwege, weßwegen ich nach Ver-
lauff des erſten halben Jahres, nach Abzug aller
Beduͤrffniſſen, meiner lieben Mutter 6. ſpec. Duca-
ten nach Hauſe ſchicken konte.

Solcher gluͤckliche Zuſtand wurde mir aber, nach
Verlauff weniger Zeit, durch eine odieuſe Begeben-
heit mit deſto groͤſſern Jammer eingetraͤnckt. Denn
es iſt zu wiſſen, daß an dem Orte meines damahligen
Aufenthalts ein Collegium des Roͤmiſch-Catholi-
ſchen ſo genannten Jeſuiter-Ordens war, mit deſſen
Schuͤlern meine Commilitones nemlich die Evan-
geliſch-Lutheriſchen Gymnaſiaſten, in beſtaͤndigen
Zwiſtigkeiten lebten. Jch habe mich vor meine
Perſon niemahls bemuͤhen wollen, zu unterſuchen,
welche Parthey der andern am meiſten Gelegenheit
zum Zancken und Streiten gegeben, weilen bekandt,
daß gemeiniglich unter allen Heerden raͤudige
Schaafe zu finden ſind; Allein zu meiner Zeit weiß
ich gewiß, daß uns die Jeſuiter-Schuͤler allen er-
ſinnlichen Verdruß anthaten, abſonderlich kraͤnck-
te uns nachfolgender Spott-Streich am aller em-
pfindlichſten: Es befand ſich ohnfern von der Stadt
in einem luſtigen Spatzier-Gange von Natur ein
artiges Echo, welches die letztern etwas ſtarck aus-
geruften Sylben der Woͤrter, zu 2. 3. bis 4. mahlen
ungemein vernehmlich repetirte. Jn dieſer Ge-
gend nun pflegten ſich der Jeſuiter-Schuͤler ſehr oͤff-

ters
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0026" n="12"/>
mich unverdienter Wei&#x017F;e mit Ge&#x017F;chencken fa&#x017F;t u&#x0364;ber<lb/>
ha&#x0364;ufften. Na&#x0364;ch&#x017F;t die&#x017F;em brachte mir meine Sin-<lb/>
ge-Stimme, die &#x017F;ich wo&#x0364;chentlich im Chore, alle<lb/>
Sonntage bey der Kirchen-<hi rendition="#aq">Mu&#x017F;ique,</hi> und dann auch<lb/>
o&#x0364;ffters in vornehmer Leute Ha&#x0364;u&#x017F;ern ho&#x0364;ren ließ, ein<lb/>
&#x017F;tarckes <hi rendition="#aq">Accidens</hi> zuwege, weßwegen ich nach Ver-<lb/>
lauff des er&#x017F;ten halben Jahres, nach Abzug aller<lb/>
Bedu&#x0364;rffni&#x017F;&#x017F;en, meiner lieben Mutter 6. <hi rendition="#aq">&#x017F;pec. Duca-</hi><lb/>
ten nach Hau&#x017F;e &#x017F;chicken konte.</p><lb/>
          <p>Solcher glu&#x0364;ckliche Zu&#x017F;tand wurde mir aber, nach<lb/>
Verlauff weniger Zeit, durch eine <hi rendition="#aq">odieu&#x017F;e</hi> Begeben-<lb/>
heit mit de&#x017F;to gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Jammer eingetra&#x0364;nckt. Denn<lb/>
es i&#x017F;t zu wi&#x017F;&#x017F;en, daß an dem Orte meines damahligen<lb/>
Aufenthalts ein <hi rendition="#aq">Collegium</hi> des Ro&#x0364;mi&#x017F;ch-Catholi-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;o genannten <hi rendition="#aq">Je&#x017F;uiter-</hi>Ordens war, mit de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Schu&#x0364;lern meine <hi rendition="#aq">Commilitones</hi> nemlich die Evan-<lb/>
geli&#x017F;ch-Lutheri&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Gymna&#x017F;ia&#x017F;t</hi>en, in be&#x017F;ta&#x0364;ndigen<lb/>
Zwi&#x017F;tigkeiten lebten. Jch habe mich vor meine<lb/>
Per&#x017F;on niemahls bemu&#x0364;hen wollen, zu unter&#x017F;uchen,<lb/>
welche Parthey der andern am mei&#x017F;ten Gelegenheit<lb/>
zum Zancken und Streiten gegeben, weilen bekandt,<lb/>
daß gemeiniglich unter allen Heerden ra&#x0364;udige<lb/>
Schaafe zu finden &#x017F;ind; Allein zu meiner Zeit weiß<lb/>
ich gewiß, daß uns die <hi rendition="#aq">Je&#x017F;uiter-</hi>Schu&#x0364;ler allen er-<lb/>
&#x017F;innlichen Verdruß anthaten, ab&#x017F;onderlich kra&#x0364;nck-<lb/>
te uns nachfolgender Spott-Streich am aller em-<lb/>
pfindlich&#x017F;ten: Es befand &#x017F;ich ohnfern von der Stadt<lb/>
in einem lu&#x017F;tigen Spatzier-Gange von Natur ein<lb/>
artiges <hi rendition="#aq">Echo,</hi> welches die letztern etwas &#x017F;tarck aus-<lb/>
geruften Sylben der Wo&#x0364;rter, zu 2. 3. bis 4. mahlen<lb/>
ungemein vernehmlich <hi rendition="#aq">repeti</hi>rte. Jn die&#x017F;er Ge-<lb/>
gend nun pflegten &#x017F;ich der <hi rendition="#aq">Je&#x017F;uiter-</hi>Schu&#x0364;ler &#x017F;ehr o&#x0364;ff-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ters</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0026] mich unverdienter Weiſe mit Geſchencken faſt uͤber haͤufften. Naͤchſt dieſem brachte mir meine Sin- ge-Stimme, die ſich woͤchentlich im Chore, alle Sonntage bey der Kirchen-Muſique, und dann auch oͤffters in vornehmer Leute Haͤuſern hoͤren ließ, ein ſtarckes Accidens zuwege, weßwegen ich nach Ver- lauff des erſten halben Jahres, nach Abzug aller Beduͤrffniſſen, meiner lieben Mutter 6. ſpec. Duca- ten nach Hauſe ſchicken konte. Solcher gluͤckliche Zuſtand wurde mir aber, nach Verlauff weniger Zeit, durch eine odieuſe Begeben- heit mit deſto groͤſſern Jammer eingetraͤnckt. Denn es iſt zu wiſſen, daß an dem Orte meines damahligen Aufenthalts ein Collegium des Roͤmiſch-Catholi- ſchen ſo genannten Jeſuiter-Ordens war, mit deſſen Schuͤlern meine Commilitones nemlich die Evan- geliſch-Lutheriſchen Gymnaſiaſten, in beſtaͤndigen Zwiſtigkeiten lebten. Jch habe mich vor meine Perſon niemahls bemuͤhen wollen, zu unterſuchen, welche Parthey der andern am meiſten Gelegenheit zum Zancken und Streiten gegeben, weilen bekandt, daß gemeiniglich unter allen Heerden raͤudige Schaafe zu finden ſind; Allein zu meiner Zeit weiß ich gewiß, daß uns die Jeſuiter-Schuͤler allen er- ſinnlichen Verdruß anthaten, abſonderlich kraͤnck- te uns nachfolgender Spott-Streich am aller em- pfindlichſten: Es befand ſich ohnfern von der Stadt in einem luſtigen Spatzier-Gange von Natur ein artiges Echo, welches die letztern etwas ſtarck aus- geruften Sylben der Woͤrter, zu 2. 3. bis 4. mahlen ungemein vernehmlich repetirte. Jn dieſer Ge- gend nun pflegten ſich der Jeſuiter-Schuͤler ſehr oͤff- ters

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/26
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/26>, abgerufen am 25.04.2024.