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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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empfinden müssen, daß alles bisherige Verfahren ein
bloses Kinder-Spiel gegen diejenigen Martern zu
achten sey, die dir annoch vorbehalten sind. Da
behüte mich GOTT vor, gab ich zur Antwort, daß
ich meinen allein seligmachenden Glauben verleug-
nen und verschwören solte, macht mit mir was ihr
wollet, GOTT kan und wird mich eher aus euren
Mord-Klauen erlösen, als ihrs vielleicht glaubet.
Dieser Worte wegen stieß mich einer mit dem Fusse
dermassen in die Seite, daß mir fast aller Othem
vergieng, meine Peiniger aber verliessen mich also
vor dißmahl, ohne mir fernere Marter anzuthun. Jch
verhoffte gantz gewiß, daß die folgende Nacht die
letzte meines Lebens seyn würde, allein selbige mochte
kaum eingetreten seyn, da mich zwey Knechte aus
dem finstern Keller herauf trugen, und in eine ziem-
lich gute Cammer zu Bette brachten. Nachdem
mir ein alter Chirurgus ein weisses Hemde angezo-
gen, und meinen gantzen Leib mit einer Schmertz-
stillenden und heilenden Salbe bestrichen hatte,
brachte man mir auch eine gute warme Suppe, ei-
ne halbe gekochte Taube, ingleichen etwas Wein,
von welchen allen ich ein sehr weniges zu mir neh-
meu konte, jedoch in selbiger Nacht einige Ruhe
genosse.

Folgenden Morgen kam nebst dem alten Chirur-
go,
auch ein alter Jesuite mit vor mein Bette, da
denn, so bald mich der erste abermahls mit der guten
Salbe bestrichen, der andere so gleich ein Gespräch
von meiner Religions-Veränderung anfing. Sel-
biges währete länger als 2. Stunden, weil er aber
deßfalls lauter unwichtige Bewegungs-Gründe

aufs

empfinden muͤſſen, daß alles bisherige Verfahren ein
bloſes Kinder-Spiel gegen diejenigen Martern zu
achten ſey, die dir annoch vorbehalten ſind. Da
behuͤte mich GOTT vor, gab ich zur Antwort, daß
ich meinen allein ſeligmachenden Glauben verleug-
nen und verſchwoͤren ſolte, macht mit mir was ihr
wollet, GOTT kan und wird mich eher aus euren
Mord-Klauen erloͤſen, als ihrs vielleicht glaubet.
Dieſer Worte wegen ſtieß mich einer mit dem Fuſſe
dermaſſen in die Seite, daß mir faſt aller Othem
vergieng, meine Peiniger aber verlieſſen mich alſo
vor dißmahl, ohne mir fernere Marter anzuthun. Jch
verhoffte gantz gewiß, daß die folgende Nacht die
letzte meines Lebens ſeyn wuͤrde, allein ſelbige mochte
kaum eingetreten ſeyn, da mich zwey Knechte aus
dem finſtern Keller herauf trugen, und in eine ziem-
lich gute Cammer zu Bette brachten. Nachdem
mir ein alter Chirurgus ein weiſſes Hemde angezo-
gen, und meinen gantzen Leib mit einer Schmertz-
ſtillenden und heilenden Salbe beſtrichen hatte,
brachte man mir auch eine gute warme Suppe, ei-
ne halbe gekochte Taube, ingleichen etwas Wein,
von welchen allen ich ein ſehr weniges zu mir neh-
meu konte, jedoch in ſelbiger Nacht einige Ruhe
genoſſe.

Folgenden Morgen kam nebſt dem alten Chirur-
go,
auch ein alter Jeſuite mit vor mein Bette, da
denn, ſo bald mich der erſte abermahls mit der guten
Salbe beſtrichen, der andere ſo gleich ein Geſpraͤch
von meiner Religions-Veraͤnderung anfing. Sel-
biges waͤhrete laͤnger als 2. Stunden, weil er aber
deßfalls lauter unwichtige Bewegungs-Gruͤnde

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[22/0036] empfinden muͤſſen, daß alles bisherige Verfahren ein bloſes Kinder-Spiel gegen diejenigen Martern zu achten ſey, die dir annoch vorbehalten ſind. Da behuͤte mich GOTT vor, gab ich zur Antwort, daß ich meinen allein ſeligmachenden Glauben verleug- nen und verſchwoͤren ſolte, macht mit mir was ihr wollet, GOTT kan und wird mich eher aus euren Mord-Klauen erloͤſen, als ihrs vielleicht glaubet. Dieſer Worte wegen ſtieß mich einer mit dem Fuſſe dermaſſen in die Seite, daß mir faſt aller Othem vergieng, meine Peiniger aber verlieſſen mich alſo vor dißmahl, ohne mir fernere Marter anzuthun. Jch verhoffte gantz gewiß, daß die folgende Nacht die letzte meines Lebens ſeyn wuͤrde, allein ſelbige mochte kaum eingetreten ſeyn, da mich zwey Knechte aus dem finſtern Keller herauf trugen, und in eine ziem- lich gute Cammer zu Bette brachten. Nachdem mir ein alter Chirurgus ein weiſſes Hemde angezo- gen, und meinen gantzen Leib mit einer Schmertz- ſtillenden und heilenden Salbe beſtrichen hatte, brachte man mir auch eine gute warme Suppe, ei- ne halbe gekochte Taube, ingleichen etwas Wein, von welchen allen ich ein ſehr weniges zu mir neh- meu konte, jedoch in ſelbiger Nacht einige Ruhe genoſſe. Folgenden Morgen kam nebſt dem alten Chirur- go, auch ein alter Jeſuite mit vor mein Bette, da denn, ſo bald mich der erſte abermahls mit der guten Salbe beſtrichen, der andere ſo gleich ein Geſpraͤch von meiner Religions-Veraͤnderung anfing. Sel- biges waͤhrete laͤnger als 2. Stunden, weil er aber deßfalls lauter unwichtige Bewegungs-Gruͤnde aufs

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/36>, abgerufen am 19.04.2024.