Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

lange zu leben, meine Gelehrsamkeit sich zum
Stubtifuten setzen zu lassen, derowegen mußte ich
gleich von der Wiege an, nicht nur die Principia
von der Schulmeisteren, sondern auch von der
Schneider-und Leinweberey lernen. Ja mein
Vater wußte, um mich zu einem recht tüchtigen
Manne zu machen, die Tages-Stunden dermas-
sen einzutheilen, daß mir würcklich sehr wenig Zeit
zum Spielen übrig blieb. Was dieses vor eine
Marter vor einen solchen Jungen, wie ich war,
ist nicht auszusprechen, denn mein größtes Ver-
gnügen bestund darinnen, mit den Bauer-Jungens
auf dem Dorffe, die Saue und den Kräusel zu
treiben, oder solche Spiele zu spielen, welche die
Jahrs-Zeit unumgänglich zu erfordern schien. Mein
Vater hingegen war dergestalt unbarmhertzig,
daß er mir wöchentlich kaum zwey Stunden darzu
vergönnete, und zwar auf allerhöchste Vorbitte
meiner Mutter, welche besürchtete, das liebe Kind
möchte gantz und gar zusammen wachsen. Selbst
das verdrießliche Schicksal konte den harten Sinn
meines Vaters, aus mir einen recht vollkomme-
nen Schulmeister zu machen, nicht brechen, denn
ohngeacht in meinem 12ten Jahre die Künste schon
am gantzen Leibe, dergestalt auszubrechen begunn-
ten, daß es schien, als ob ich lauter Gelencke, und
in jedem Gelencke doppelte und dreyfache Courage
hätte, so erbarmete sich doch mein Vater nur in
so weit, mich zwar eine Zeit lang mit der Schnei-
der-und Leinweberey zu verschonen, hergegen muß-
te ich von Morgen an bis auf den Abend dermas-
sen über den Büchern liegen, daß meiner Mutter

angst
d d 5

lange zu leben, meine Gelehrſamkeit ſich zum
Stubtifuten ſetzen zu laſſen, derowegen mußte ich
gleich von der Wiege an, nicht nur die Principia
von der Schulmeiſteren, ſondern auch von der
Schneider-und Leinweberey lernen. Ja mein
Vater wußte, um mich zu einem recht tuͤchtigen
Manne zu machen, die Tages-Stunden dermaſ-
ſen einzutheilen, daß mir wuͤrcklich ſehr wenig Zeit
zum Spielen uͤbrig blieb. Was dieſes vor eine
Marter vor einen ſolchen Jungen, wie ich war,
iſt nicht auszuſprechen, denn mein groͤßtes Ver-
gnuͤgen beſtund darinnen, mit den Bauer-Jungens
auf dem Dorffe, die Saue und den Kraͤuſel zu
treiben, oder ſolche Spiele zu ſpielen, welche die
Jahrs-Zeit unumgaͤnglich zu erfordern ſchien. Mein
Vater hingegen war dergeſtalt unbarmhertzig,
daß er mir woͤchentlich kaum zwey Stunden darzu
vergoͤnnete, und zwar auf allerhoͤchſte Vorbitte
meiner Mutter, welche beſuͤrchtete, das liebe Kind
moͤchte gantz und gar zuſammen wachſen. Selbſt
das verdrießliche Schickſal konte den harten Sinn
meines Vaters, aus mir einen recht vollkomme-
nen Schulmeiſter zu machen, nicht brechen, denn
ohngeacht in meinem 12ten Jahre die Kuͤnſte ſchon
am gantzen Leibe, dergeſtalt auszubrechen begunn-
ten, daß es ſchien, als ob ich lauter Gelencke, und
in jedem Gelencke doppelte und dreyfache Courage
haͤtte, ſo erbarmete ſich doch mein Vater nur in
ſo weit, mich zwar eine Zeit lang mit der Schnei-
der-und Leinweberey zu verſchonen, hergegen muß-
te ich von Morgen an bis auf den Abend dermaſ-
ſen uͤber den Buͤchern liegen, daß meiner Mutter

angſt
d d 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0439" n="425"/>
lange zu leben, meine Gelehr&#x017F;amkeit &#x017F;ich zum<lb/><hi rendition="#aq">Stubtifut</hi>en &#x017F;etzen zu la&#x017F;&#x017F;en, derowegen mußte ich<lb/>
gleich von der Wiege an, nicht nur die <hi rendition="#aq">Principia</hi><lb/>
von der Schulmei&#x017F;teren, &#x017F;ondern auch von der<lb/>
Schneider-und Leinweberey lernen. Ja mein<lb/>
Vater wußte, um mich zu einem recht tu&#x0364;chtigen<lb/>
Manne zu machen, die Tages-Stunden derma&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en einzutheilen, daß mir wu&#x0364;rcklich &#x017F;ehr wenig Zeit<lb/>
zum Spielen u&#x0364;brig blieb. Was die&#x017F;es vor eine<lb/>
Marter vor einen &#x017F;olchen Jungen, wie ich war,<lb/>
i&#x017F;t nicht auszu&#x017F;prechen, denn mein gro&#x0364;ßtes Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen be&#x017F;tund darinnen, mit den Bauer-Jungens<lb/>
auf dem Dorffe, die Saue und den Kra&#x0364;u&#x017F;el zu<lb/>
treiben, oder &#x017F;olche Spiele zu &#x017F;pielen, welche die<lb/>
Jahrs-Zeit unumga&#x0364;nglich zu erfordern &#x017F;chien. Mein<lb/>
Vater hingegen war derge&#x017F;talt unbarmhertzig,<lb/>
daß er mir wo&#x0364;chentlich kaum zwey Stunden darzu<lb/>
vergo&#x0364;nnete, und zwar auf allerho&#x0364;ch&#x017F;te Vorbitte<lb/>
meiner Mutter, welche be&#x017F;u&#x0364;rchtete, das liebe Kind<lb/>
mo&#x0364;chte gantz und gar zu&#x017F;ammen wach&#x017F;en. Selb&#x017F;t<lb/>
das verdrießliche Schick&#x017F;al konte den harten Sinn<lb/>
meines Vaters, aus mir einen recht vollkomme-<lb/>
nen Schulmei&#x017F;ter zu machen, nicht brechen, denn<lb/>
ohngeacht in meinem 12ten Jahre die Ku&#x0364;n&#x017F;te &#x017F;chon<lb/>
am gantzen Leibe, derge&#x017F;talt auszubrechen begunn-<lb/>
ten, daß es &#x017F;chien, als ob ich lauter Gelencke, und<lb/>
in jedem Gelencke doppelte und dreyfache <hi rendition="#aq">Courage</hi><lb/>
ha&#x0364;tte, &#x017F;o erbarmete &#x017F;ich doch mein Vater nur in<lb/>
&#x017F;o weit, mich zwar eine Zeit lang mit der Schnei-<lb/>
der-und Leinweberey zu ver&#x017F;chonen, hergegen muß-<lb/>
te ich von Morgen an bis auf den Abend derma&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en u&#x0364;ber den Bu&#x0364;chern liegen, daß meiner Mutter<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">d d 5</fw><fw place="bottom" type="catch">ang&#x017F;t</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[425/0439] lange zu leben, meine Gelehrſamkeit ſich zum Stubtifuten ſetzen zu laſſen, derowegen mußte ich gleich von der Wiege an, nicht nur die Principia von der Schulmeiſteren, ſondern auch von der Schneider-und Leinweberey lernen. Ja mein Vater wußte, um mich zu einem recht tuͤchtigen Manne zu machen, die Tages-Stunden dermaſ- ſen einzutheilen, daß mir wuͤrcklich ſehr wenig Zeit zum Spielen uͤbrig blieb. Was dieſes vor eine Marter vor einen ſolchen Jungen, wie ich war, iſt nicht auszuſprechen, denn mein groͤßtes Ver- gnuͤgen beſtund darinnen, mit den Bauer-Jungens auf dem Dorffe, die Saue und den Kraͤuſel zu treiben, oder ſolche Spiele zu ſpielen, welche die Jahrs-Zeit unumgaͤnglich zu erfordern ſchien. Mein Vater hingegen war dergeſtalt unbarmhertzig, daß er mir woͤchentlich kaum zwey Stunden darzu vergoͤnnete, und zwar auf allerhoͤchſte Vorbitte meiner Mutter, welche beſuͤrchtete, das liebe Kind moͤchte gantz und gar zuſammen wachſen. Selbſt das verdrießliche Schickſal konte den harten Sinn meines Vaters, aus mir einen recht vollkomme- nen Schulmeiſter zu machen, nicht brechen, denn ohngeacht in meinem 12ten Jahre die Kuͤnſte ſchon am gantzen Leibe, dergeſtalt auszubrechen begunn- ten, daß es ſchien, als ob ich lauter Gelencke, und in jedem Gelencke doppelte und dreyfache Courage haͤtte, ſo erbarmete ſich doch mein Vater nur in ſo weit, mich zwar eine Zeit lang mit der Schnei- der-und Leinweberey zu verſchonen, hergegen muß- te ich von Morgen an bis auf den Abend dermaſ- ſen uͤber den Buͤchern liegen, daß meiner Mutter angſt d d 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/439
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/439>, abgerufen am 19.04.2024.