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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Jacob wegen seines Sohns Joseph, den derselbe
von einem wilden Thiere gefressen zu seyn glaubte.
Nächst dem erfuhr ich, daß letzt erwehnter, mein
Principal und Patron, vorwenig Monaten verstor-
ben sey, jedoch kurtz vor seinem Ende, alle meine zu-
rück gelassenen Sachen an meine liebe Mutter ge-
schickt hätte, welche mir dieselbe denn mehrentheils,
nebst einem Wechsel-Briefe a 100. Thl. übersende-
te, ja die hertzliche Mutter-Liebe trieb sie dahin, die
sehr weite Reise auf sich zu nehmen, und mich um
Michaelis 1709. im Gymnasio persöhnlich zu be-
suchen, worbey ich erfuhr, wie sie vor kurtzen von der
verstorbenen Muhme ein Capital von 2800. Thl.
geerbt, und selbiges in der Alt-Stadt Elbingen, so wol
angelegt, daß sie davon nebst meinem Geschwister,
ihr vergnügliches jährliches Auskommen haben
könte.

Solchergestalt befand ich mich nunmehro in al-
len Stücken vollkommen vergnügt, und brachte
durch unermüdeten Fleiß alles wiederum ein, was
die Bosheit meiner Feinde verhindert hatte, so daß
ich um Ostern 1710. mit gutem Gewissen, auf eine
der berühmtesten Universitäten ziehen konte, allwo
ich durch Beyhülffe getreuer Lehrer und vornehmer
Gönner, die beste Gelegenheit fand, auf den wohl-
gesetzten Grund der Theologie, ferner fort zu
bauen.

Allein meine wertheste Herren und Freunde, sag-
te hierauf Herr Mag. Schmeltzer, ich mercke zwar
bey niemanden unter ihnen einen Verdruß oder
Müdigkeit, da es aber bereits Mitternacht ist, werde
ich wohl thun, wenn, weder des lieben Altvaters

Ruhe,
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Jacob wegen ſeines Sohns Joſeph, den derſelbe
von einem wilden Thiere gefreſſen zu ſeyn glaubte.
Naͤchſt dem erfuhr ich, daß letzt erwehnter, mein
Principal und Patron, vorwenig Monaten verſtor-
ben ſey, jedoch kurtz vor ſeinem Ende, alle meine zu-
ruͤck gelaſſenen Sachen an meine liebe Mutter ge-
ſchickt haͤtte, welche mir dieſelbe denn mehrentheils,
nebſt einem Wechſel-Briefe à 100. Thl. uͤberſende-
te, ja die hertzliche Mutter-Liebe trieb ſie dahin, die
ſehr weite Reiſe auf ſich zu nehmen, und mich um
Michaelis 1709. im Gymnaſio perſoͤhnlich zu be-
ſuchen, worbey ich erfuhr, wie ſie vor kurtzen von der
verſtorbenen Muhme ein Capital von 2800. Thl.
geerbt, und ſelbiges in der Alt-Stadt Elbingen, ſo wol
angelegt, daß ſie davon nebſt meinem Geſchwiſter,
ihr vergnuͤgliches jaͤhrliches Auskommen haben
koͤnte.

Solchergeſtalt befand ich mich nunmehro in al-
len Stuͤcken vollkommen vergnuͤgt, und brachte
durch unermuͤdeten Fleiß alles wiederum ein, was
die Bosheit meiner Feinde verhindert hatte, ſo daß
ich um Oſtern 1710. mit gutem Gewiſſen, auf eine
der beruͤhmteſten Univerſitaͤten ziehen konte, allwo
ich durch Beyhuͤlffe getreuer Lehrer und vornehmer
Goͤnner, die beſte Gelegenheit fand, auf den wohl-
geſetzten Grund der Theologie, ferner fort zu
bauen.

Allein meine wertheſte Herren und Freunde, ſag-
te hierauf Herr Mag. Schmeltzer, ich mercke zwar
bey niemanden unter ihnen einen Verdruß oder
Muͤdigkeit, da es aber bereits Mitternacht iſt, werde
ich wohl thun, wenn, weder des lieben Altvaters

Ruhe,
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[35/0049] Jacob wegen ſeines Sohns Joſeph, den derſelbe von einem wilden Thiere gefreſſen zu ſeyn glaubte. Naͤchſt dem erfuhr ich, daß letzt erwehnter, mein Principal und Patron, vorwenig Monaten verſtor- ben ſey, jedoch kurtz vor ſeinem Ende, alle meine zu- ruͤck gelaſſenen Sachen an meine liebe Mutter ge- ſchickt haͤtte, welche mir dieſelbe denn mehrentheils, nebſt einem Wechſel-Briefe à 100. Thl. uͤberſende- te, ja die hertzliche Mutter-Liebe trieb ſie dahin, die ſehr weite Reiſe auf ſich zu nehmen, und mich um Michaelis 1709. im Gymnaſio perſoͤhnlich zu be- ſuchen, worbey ich erfuhr, wie ſie vor kurtzen von der verſtorbenen Muhme ein Capital von 2800. Thl. geerbt, und ſelbiges in der Alt-Stadt Elbingen, ſo wol angelegt, daß ſie davon nebſt meinem Geſchwiſter, ihr vergnuͤgliches jaͤhrliches Auskommen haben koͤnte. Solchergeſtalt befand ich mich nunmehro in al- len Stuͤcken vollkommen vergnuͤgt, und brachte durch unermuͤdeten Fleiß alles wiederum ein, was die Bosheit meiner Feinde verhindert hatte, ſo daß ich um Oſtern 1710. mit gutem Gewiſſen, auf eine der beruͤhmteſten Univerſitaͤten ziehen konte, allwo ich durch Beyhuͤlffe getreuer Lehrer und vornehmer Goͤnner, die beſte Gelegenheit fand, auf den wohl- geſetzten Grund der Theologie, ferner fort zu bauen. Allein meine wertheſte Herren und Freunde, ſag- te hierauf Herr Mag. Schmeltzer, ich mercke zwar bey niemanden unter ihnen einen Verdruß oder Muͤdigkeit, da es aber bereits Mitternacht iſt, werde ich wohl thun, wenn, weder des lieben Altvaters Ruhe, c 2

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/49>, abgerufen am 29.03.2024.