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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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nahm das brüderliche Geschencke mit grossem Ver-
gnügen in Empfang, stellete davor an mich ein Re-
cipisse
aus, und war eifrig bemühet seines Bru-
ders des Capitain Wodley eigentlichen Zustand
von mir auszuforschen, allein weilen ihn derselbe alle
Umstände zu offenbaren einiges Bedencken getra-
gen, so erfuhr er auch von mir nicht mehr als ich ihm
zu wissen nöthig erachtete.

Mitlerweile erhielt ich von Hamburg die Ant-
wort, daß mein Vater seinen Banquerot durch ei-
ne glückliche Avanture bey nahe drittentheils re-
medi
rt, und vielleicht seine gantze Sache auf neu-
en guten Fuß gesetzt, wenn ihn nicht ein plötzlicher
melancholischer Zusall daran verhindert hätte.
Hr. W. schrieb ferner, daß so wohl des Herrn Wolff-
gangs als meine eigene an meinen Vater zurück-
gelassene Briefe, demselben nicht anders als Fa-
belhafft vorgekommen wären, so daß seine Melan-
cholie
nur um so viel desto mehr zugenommen,
weilen er aber, ohne wenigstens eins von seinen leib-
lichen Kindern um sich zu sehen, nirgends einige Ru-
he finden können, als habe er, Hr. W. sich seiner er-
barmet, und ihn vor nunmehro einem halben Jahre
nach Schweden hinüber zu meiner Schwester brin-
gen lassen, allwo es binnen 3. oder 4. Monaten bald
sehr schlimm, bald aber ziemlich gut mit ihm ge-
wesen, allein nach der Zeit habe Hr. W. keine wei-
tere Nachricht von ihm erhalten, wisse also nicht
gewiß, ob er noch lebendig oder tod sey.

Jch war dieses letztern wegen dergestalt con-
sterni
rt in meinem Gemüthe, daß fast nicht wußte,

worzu
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nahm das bruͤderliche Geſchencke mit groſſem Ver-
gnuͤgen in Empfang, ſtellete davor an mich ein Re-
cipiſſe
aus, und war eifrig bemuͤhet ſeines Bru-
ders des Capitain Wodley eigentlichen Zuſtand
von mir auszuforſchen, allein weilen ihn derſelbe alle
Umſtaͤnde zu offenbaren einiges Bedencken getra-
gen, ſo erfuhr er auch von mir nicht mehr als ich ihm
zu wiſſen noͤthig erachtete.

Mitlerweile erhielt ich von Hamburg die Ant-
wort, daß mein Vater ſeinen Banquerot durch ei-
ne gluͤckliche Avanture bey nahe drittentheils re-
medi
rt, und vielleicht ſeine gantze Sache auf neu-
en guten Fuß geſetzt, wenn ihn nicht ein ploͤtzlicher
melancholiſcher Zuſall daran verhindert haͤtte.
Hr. W. ſchrieb ferner, daß ſo wohl des Herrn Wolff-
gangs als meine eigene an meinen Vater zuruͤck-
gelaſſene Briefe, demſelben nicht anders als Fa-
belhafft vorgekommen waͤren, ſo daß ſeine Melan-
cholie
nur um ſo viel deſto mehr zugenommen,
weilen er aber, ohne wenigſtens eins von ſeinen leib-
lichen Kindern um ſich zu ſehen, nirgends einige Ru-
he finden koͤnnen, als habe er, Hr. W. ſich ſeiner er-
barmet, und ihn vor nunmehro einem halben Jahre
nach Schweden hinuͤber zu meiner Schweſter brin-
gen laſſen, allwo es binnen 3. oder 4. Monaten bald
ſehr ſchlimm, bald aber ziemlich gut mit ihm ge-
weſen, allein nach der Zeit habe Hr. W. keine wei-
tere Nachricht von ihm erhalten, wiſſe alſo nicht
gewiß, ob er noch lebendig oder tod ſey.

Jch war dieſes letztern wegen dergeſtalt con-
ſterni
rt in meinem Gemuͤthe, daß faſt nicht wußte,

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[581/0597] nahm das bruͤderliche Geſchencke mit groſſem Ver- gnuͤgen in Empfang, ſtellete davor an mich ein Re- cipiſſe aus, und war eifrig bemuͤhet ſeines Bru- ders des Capitain Wodley eigentlichen Zuſtand von mir auszuforſchen, allein weilen ihn derſelbe alle Umſtaͤnde zu offenbaren einiges Bedencken getra- gen, ſo erfuhr er auch von mir nicht mehr als ich ihm zu wiſſen noͤthig erachtete. Mitlerweile erhielt ich von Hamburg die Ant- wort, daß mein Vater ſeinen Banquerot durch ei- ne gluͤckliche Avanture bey nahe drittentheils re- medirt, und vielleicht ſeine gantze Sache auf neu- en guten Fuß geſetzt, wenn ihn nicht ein ploͤtzlicher melancholiſcher Zuſall daran verhindert haͤtte. Hr. W. ſchrieb ferner, daß ſo wohl des Herrn Wolff- gangs als meine eigene an meinen Vater zuruͤck- gelaſſene Briefe, demſelben nicht anders als Fa- belhafft vorgekommen waͤren, ſo daß ſeine Melan- cholie nur um ſo viel deſto mehr zugenommen, weilen er aber, ohne wenigſtens eins von ſeinen leib- lichen Kindern um ſich zu ſehen, nirgends einige Ru- he finden koͤnnen, als habe er, Hr. W. ſich ſeiner er- barmet, und ihn vor nunmehro einem halben Jahre nach Schweden hinuͤber zu meiner Schweſter brin- gen laſſen, allwo es binnen 3. oder 4. Monaten bald ſehr ſchlimm, bald aber ziemlich gut mit ihm ge- weſen, allein nach der Zeit habe Hr. W. keine wei- tere Nachricht von ihm erhalten, wiſſe alſo nicht gewiß, ob er noch lebendig oder tod ſey. Jch war dieſes letztern wegen dergeſtalt con- ſternirt in meinem Gemuͤthe, daß faſt nicht wußte, worzu o o 3

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/597>, abgerufen am 18.04.2024.