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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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den loß, ich ebenfals ging gleich folgenden Tages
mit einem Middelburgischen Schiffe ab.

Jch war auf dieser gantzen Reise sehr betrübt
und traurig, denn das Hertze mochte mir im vor-
aus sagen, daß ich wenig Vergnügen in meiner Va-
ters-Stadt antreffen würde, es war auch an dem,
denn mein Vater war nicht wieder zurück kommen,
sondern sichern Nachrichten gemäß, in dem ersten
Jahr seiner Sclaverey gestorben, hierüber, und da
zumahlen die Creditores zugegriffen, und meiner
Mutter fast alle das Jhrige genommen, so daß sie
nebst ihren annoch lebenden 6 Kindern, denn zwey
waren schon davon bey diesem Hertzeleyde gestorben,
auf die letzte in einem Mieth-Hause, kaum so viel
gehabt, daß sie das liebe Leben erhalten können,
hierüber, sage ich, grämet sie sich ebenfals noch der-
gestalt, daß sie ohngefähr ein halbes Jahr vor
meiner Zurückkunfft gestorben, und der Groß-Mut-
ter, welche noch ihr eintziger Trost gewesen, binnen
3. Wochen im Tode nachgefolgt war.

Meine zwey jüngsten Geschwister hatte man aus
Erbarmung ins Waysen-Hauß genommen, von
den 3. ältesten Brüdern lerneten zwey Professiones,
der jüngere wartete einem Herrn auf, und die älteste
Schwester war gleichfalls ein Cammer-Mägdgen
bey einer vornehmen Frau geworden Jch besuch-
te dieselben alle, oder ließ sie zu mir kommen, weil
ich aber vermerckte, daß sie sich in ihr Unglück ziem-
lich schicken gelernet, auch mit dem jetzigen Zustan-
de ziemlich zufrieden waren, ließ ich jedes an seinen
Orte, zumahlen, da ich noch nicht wuste, wie es mit
meiner eigenen Person kommen würde, schenckte

aber

den loß, ich ebenfals ging gleich folgenden Tages
mit einem Middelburgiſchen Schiffe ab.

Jch war auf dieſer gantzen Reiſe ſehr betruͤbt
und traurig, denn das Hertze mochte mir im vor-
aus ſagen, daß ich wenig Vergnuͤgen in meiner Va-
ters-Stadt antreffen wuͤrde, es war auch an dem,
denn mein Vater war nicht wieder zuruͤck kommen,
ſondern ſichern Nachrichten gemaͤß, in dem erſten
Jahr ſeiner Sclaverey geſtorben, hieruͤber, und da
zumahlen die Creditores zugegriffen, und meiner
Mutter faſt alle das Jhrige genommen, ſo daß ſie
nebſt ihren annoch lebenden 6 Kindern, denn zwey
waren ſchon davon bey dieſem Hertzeleyde geſtorben,
auf die letzte in einem Mieth-Hauſe, kaum ſo viel
gehabt, daß ſie das liebe Leben erhalten koͤnnen,
hieruͤber, ſage ich, graͤmet ſie ſich ebenfals noch der-
geſtalt, daß ſie ohngefaͤhr ein halbes Jahr vor
meiner Zuruͤckkunfft geſtorben, und der Groß-Mut-
ter, welche noch ihr eintziger Troſt geweſen, binnen
3. Wochen im Tode nachgefolgt war.

Meine zwey juͤngſten Geſchwiſter hatte man aus
Erbarmung ins Wayſen-Hauß genommen, von
den 3. aͤlteſten Bruͤdern lerneten zwey Profesſiones,
der juͤngere wartete einem Herrn auf, und die aͤlteſte
Schweſter war gleichfalls ein Cammer-Maͤgdgen
bey einer vornehmen Frau geworden Jch beſuch-
te dieſelben alle, oder ließ ſie zu mir kommen, weil
ich aber vermerckte, daß ſie ſich in ihr Ungluͤck ziem-
lich ſchicken gelernet, auch mit dem jetzigen Zuſtan-
de ziemlich zufrieden waren, ließ ich jedes an ſeinen
Orte, zumahlen, da ich noch nicht wuſte, wie es mit
meiner eigenen Perſon kommen wuͤrde, ſchenckte

aber
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[192/0200] den loß, ich ebenfals ging gleich folgenden Tages mit einem Middelburgiſchen Schiffe ab. Jch war auf dieſer gantzen Reiſe ſehr betruͤbt und traurig, denn das Hertze mochte mir im vor- aus ſagen, daß ich wenig Vergnuͤgen in meiner Va- ters-Stadt antreffen wuͤrde, es war auch an dem, denn mein Vater war nicht wieder zuruͤck kommen, ſondern ſichern Nachrichten gemaͤß, in dem erſten Jahr ſeiner Sclaverey geſtorben, hieruͤber, und da zumahlen die Creditores zugegriffen, und meiner Mutter faſt alle das Jhrige genommen, ſo daß ſie nebſt ihren annoch lebenden 6 Kindern, denn zwey waren ſchon davon bey dieſem Hertzeleyde geſtorben, auf die letzte in einem Mieth-Hauſe, kaum ſo viel gehabt, daß ſie das liebe Leben erhalten koͤnnen, hieruͤber, ſage ich, graͤmet ſie ſich ebenfals noch der- geſtalt, daß ſie ohngefaͤhr ein halbes Jahr vor meiner Zuruͤckkunfft geſtorben, und der Groß-Mut- ter, welche noch ihr eintziger Troſt geweſen, binnen 3. Wochen im Tode nachgefolgt war. Meine zwey juͤngſten Geſchwiſter hatte man aus Erbarmung ins Wayſen-Hauß genommen, von den 3. aͤlteſten Bruͤdern lerneten zwey Profesſiones, der juͤngere wartete einem Herrn auf, und die aͤlteſte Schweſter war gleichfalls ein Cammer-Maͤgdgen bey einer vornehmen Frau geworden Jch beſuch- te dieſelben alle, oder ließ ſie zu mir kommen, weil ich aber vermerckte, daß ſie ſich in ihr Ungluͤck ziem- lich ſchicken gelernet, auch mit dem jetzigen Zuſtan- de ziemlich zufrieden waren, ließ ich jedes an ſeinen Orte, zumahlen, da ich noch nicht wuſte, wie es mit meiner eigenen Perſon kommen wuͤrde, ſchenckte aber

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/200>, abgerufen am 28.03.2024.