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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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Himmel gefahren, in der Erde schlaffen
soll, ergötzt mich noch tausend mahl mehr.
Bald, bald werd ich zu meiner Liebsten

Concordia kommen.

Wir musten ihn wohl 10. mahl die Stube auf-
und abführeten, und spüreten lauter Freude und Ver-
gnügen an ihm, endlich aber ließ er sich wieder
entkleiden, und auf den Schlaff-Stuhl bringen,
allwo er mit zu geschlossenen Augen saß, biß sich
die Herrn Geistlichen, benebst den Stamm-Vä-
tern und vornehmsten Europäern vor dem Zimmer
meldeten. Er nahm von jeden den Gruß und
Hand-Kuß an, bath, daß sie erstlich speisen, und
hernach wieder zu ihm in sein Zimmer kommen
möchten, weil er vor seinem Abschiede aus dieser
Welt, ihnen allen noch etwas vorzutragen hätte.
Sie gehorsameten, und speiseten in den Neben-
Zimmern, er, der Alt-Vater, nahm auch ein
wenig Suppe, etliche Bissen von gekochten und
gebratenen Speisen, nachhero ein eintzig Glaß
Wein zu sich, saß hernach mit offenen Augen in
dem Stuhle, biß der gantze Hauffe wieder zurück
kam. Nachdem sich die Herrn Geistlichen und
Aeltesten auf Stühle gesetzt, die übrigen aber in
Ordnung getreten waren, befahl er mir, Pappier,
Dinte und Feder zu langen, und seine Rede nach-
zuschreiben, denn, sagte er: ich werde langsam
genung reden. Jch gehorsamete, und also höre-
ten wir in nachsolgenden Worten:

Die

Himmel gefahren, in der Erde ſchlaffen
ſoll, ergoͤtzt mich noch tauſend mahl mehr.
Bald, bald werd ich zu meiner Liebſten

Concordia kommen.

Wir muſten ihn wohl 10. mahl die Stube auf-
und abfuͤhreten, und ſpuͤreten lauter Freude und Ver-
gnuͤgen an ihm, endlich aber ließ er ſich wieder
entkleiden, und auf den Schlaff-Stuhl bringen,
allwo er mit zu geſchloſſenen Augen ſaß, biß ſich
die Herrn Geiſtlichen, benebſt den Stamm-Vaͤ-
tern und vornehmſten Europaͤern vor dem Zimmer
meldeten. Er nahm von jeden den Gruß und
Hand-Kuß an, bath, daß ſie erſtlich ſpeiſen, und
hernach wieder zu ihm in ſein Zimmer kommen
moͤchten, weil er vor ſeinem Abſchiede aus dieſer
Welt, ihnen allen noch etwas vorzutragen haͤtte.
Sie gehorſameten, und ſpeiſeten in den Neben-
Zimmern, er, der Alt-Vater, nahm auch ein
wenig Suppe, etliche Biſſen von gekochten und
gebratenen Speiſen, nachhero ein eintzig Glaß
Wein zu ſich, ſaß hernach mit offenen Augen in
dem Stuhle, biß der gantze Hauffe wieder zuruͤck
kam. Nachdem ſich die Herrn Geiſtlichen und
Aelteſten auf Stuͤhle geſetzt, die uͤbrigen aber in
Ordnung getreten waren, befahl er mir, Pappier,
Dinte und Feder zu langen, und ſeine Rede nach-
zuſchreiben, denn, ſagte er: ich werde langſam
genung reden. Jch gehorſamete, und alſo hoͤre-
ten wir in nachſolgenden Worten:

Die
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[242/0250] Himmel gefahren, in der Erde ſchlaffen ſoll, ergoͤtzt mich noch tauſend mahl mehr. Bald, bald werd ich zu meiner Liebſten Concordia kommen. Wir muſten ihn wohl 10. mahl die Stube auf- und abfuͤhreten, und ſpuͤreten lauter Freude und Ver- gnuͤgen an ihm, endlich aber ließ er ſich wieder entkleiden, und auf den Schlaff-Stuhl bringen, allwo er mit zu geſchloſſenen Augen ſaß, biß ſich die Herrn Geiſtlichen, benebſt den Stamm-Vaͤ- tern und vornehmſten Europaͤern vor dem Zimmer meldeten. Er nahm von jeden den Gruß und Hand-Kuß an, bath, daß ſie erſtlich ſpeiſen, und hernach wieder zu ihm in ſein Zimmer kommen moͤchten, weil er vor ſeinem Abſchiede aus dieſer Welt, ihnen allen noch etwas vorzutragen haͤtte. Sie gehorſameten, und ſpeiſeten in den Neben- Zimmern, er, der Alt-Vater, nahm auch ein wenig Suppe, etliche Biſſen von gekochten und gebratenen Speiſen, nachhero ein eintzig Glaß Wein zu ſich, ſaß hernach mit offenen Augen in dem Stuhle, biß der gantze Hauffe wieder zuruͤck kam. Nachdem ſich die Herrn Geiſtlichen und Aelteſten auf Stuͤhle geſetzt, die uͤbrigen aber in Ordnung getreten waren, befahl er mir, Pappier, Dinte und Feder zu langen, und ſeine Rede nach- zuſchreiben, denn, ſagte er: ich werde langſam genung reden. Jch gehorſamete, und alſo hoͤre- ten wir in nachſolgenden Worten: Die

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/250>, abgerufen am 28.03.2024.