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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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vest vorgesetzt nimmermehr zu heyrathen, weil ich auch
an meinem eigenen Exempel die Falschheit und List
des Frauenzimmers sattsam erfahren, ja eben die-
ses trieb mich in meinen besten Jahren dahin, mein
Fortun auf der See zu suchen, um nur von diesen
Land-Syrenen weit genug entfernt zu seyn. Da
ich aber allhier, statt der Europäischen, masquir-
ten, auch wohl gar geschminckten, so genannten
irrdischen Engel, würckliche Engel von Gestalt und
Gemüthe angetroffen, ist mir die Lust zum Heyra-
then auf einmahl wieder angekommen, ja ich wolte
meine Braut, nebst dem in Zukunfft mit derselben
zu hoffen habenden vergnügten Leben, nicht um ein
Königreich vertauschen, der Himmel gebe nur, daß
meine Hin-und Herfahrt glücklich sey.

Der Capitain Wolffgang sagte hierauf: Mein
Herr! ich will jetzo kein Urtheil fällen, ob ihr wegen
des Frauenzimmers und sonderlich wegen des Eu-
ropäischen, Recht oder Unrecht habt, sondern nur
von Hertzen wünschen, daß ihr bald wieder zurück
kommen, und hernach so vergnügt mit eurem Hanne
Gretgen leben möget, als ich mit meiner Fiecke.
Allein, es fällt mir eben itzo ein, daß, ohngeacht
wir beyde seit so vielen Jahren her, Bekandte und
gute Freunde gewesen sind, ihr mir doch noch nie-
mahls eure Lebens-Geschicht von Jugend auf er-
zählet habt, welche doch, wie ich jetzo aus wenig Wor-
ten vernommen, eben nicht unangenehm zu hören
seyn wird. Derowegen, weil es sich itzo ohne-
dem sehr gut schickt, wolte ich mir diese Gefälligkeit
wohl von euch ausgebethen haben. Dieser ver-
meynete, es möchte bereits etwas zu späte seyn, da

wir
(Z 5)

veſt vorgeſetzt nim̃ermehr zu heyrathen, weil ich auch
an meinem eigenen Exempel die Falſchheit und Liſt
des Frauenzimmers ſattſam erfahren, ja eben die-
ſes trieb mich in meinen beſten Jahren dahin, mein
Fortun auf der See zu ſuchen, um nur von dieſen
Land-Syrenen weit genug entfernt zu ſeyn. Da
ich aber allhier, ſtatt der Europaͤiſchen, maſquir-
ten, auch wohl gar geſchminckten, ſo genannten
irrdiſchen Engel, wuͤrckliche Engel von Geſtalt und
Gemuͤthe angetroffen, iſt mir die Luſt zum Heyra-
then auf einmahl wieder angekommen, ja ich wolte
meine Braut, nebſt dem in Zukunfft mit derſelben
zu hoffen habenden vergnuͤgten Leben, nicht um ein
Koͤnigreich vertauſchen, der Himmel gebe nur, daß
meine Hin-und Herfahrt gluͤcklich ſey.

Der Capitain Wolffgang ſagte hierauf: Mein
Herr! ich will jetzo kein Urtheil faͤllen, ob ihr wegen
des Frauenzimmers und ſonderlich wegen des Eu-
ropaͤiſchen, Recht oder Unrecht habt, ſondern nur
von Hertzen wuͤnſchen, daß ihr bald wieder zuruͤck
kommen, und hernach ſo vergnuͤgt mit eurem Hanne
Gretgen leben moͤget, als ich mit meiner Fiecke.
Allein, es faͤllt mir eben itzo ein, daß, ohngeacht
wir beyde ſeit ſo vielen Jahren her, Bekandte und
gute Freunde geweſen ſind, ihr mir doch noch nie-
mahls eure Lebens-Geſchicht von Jugend auf er-
zaͤhlet habt, welche doch, wie ich jetzo aus wenig Wor-
ten vernommen, eben nicht unangenehm zu hoͤren
ſeyn wird. Derowegen, weil es ſich itzo ohne-
dem ſehr gut ſchickt, wolte ich mir dieſe Gefaͤlligkeit
wohl von euch ausgebethen haben. Dieſer ver-
meynete, es moͤchte bereits etwas zu ſpaͤte ſeyn, da

wir
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[361/0369] veſt vorgeſetzt nim̃ermehr zu heyrathen, weil ich auch an meinem eigenen Exempel die Falſchheit und Liſt des Frauenzimmers ſattſam erfahren, ja eben die- ſes trieb mich in meinen beſten Jahren dahin, mein Fortun auf der See zu ſuchen, um nur von dieſen Land-Syrenen weit genug entfernt zu ſeyn. Da ich aber allhier, ſtatt der Europaͤiſchen, maſquir- ten, auch wohl gar geſchminckten, ſo genannten irrdiſchen Engel, wuͤrckliche Engel von Geſtalt und Gemuͤthe angetroffen, iſt mir die Luſt zum Heyra- then auf einmahl wieder angekommen, ja ich wolte meine Braut, nebſt dem in Zukunfft mit derſelben zu hoffen habenden vergnuͤgten Leben, nicht um ein Koͤnigreich vertauſchen, der Himmel gebe nur, daß meine Hin-und Herfahrt gluͤcklich ſey. Der Capitain Wolffgang ſagte hierauf: Mein Herr! ich will jetzo kein Urtheil faͤllen, ob ihr wegen des Frauenzimmers und ſonderlich wegen des Eu- ropaͤiſchen, Recht oder Unrecht habt, ſondern nur von Hertzen wuͤnſchen, daß ihr bald wieder zuruͤck kommen, und hernach ſo vergnuͤgt mit eurem Hanne Gretgen leben moͤget, als ich mit meiner Fiecke. Allein, es faͤllt mir eben itzo ein, daß, ohngeacht wir beyde ſeit ſo vielen Jahren her, Bekandte und gute Freunde geweſen ſind, ihr mir doch noch nie- mahls eure Lebens-Geſchicht von Jugend auf er- zaͤhlet habt, welche doch, wie ich jetzo aus wenig Wor- ten vernommen, eben nicht unangenehm zu hoͤren ſeyn wird. Derowegen, weil es ſich itzo ohne- dem ſehr gut ſchickt, wolte ich mir dieſe Gefaͤlligkeit wohl von euch ausgebethen haben. Dieſer ver- meynete, es moͤchte bereits etwas zu ſpaͤte ſeyn, da wir (Z 5)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/369>, abgerufen am 29.03.2024.