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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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Stief-Mutter konte ihm doch gar zu niedlich um
den Bart herum gehen, und dergestalt schmeicheln,
als ob sie einen Mann von ihren Alter vor sich hät-
te. Er mochte bey Tage oder bey Nacht, um wel-
che Zeit es auch war, aus dem Walde kommen, so
stund sein Krafft-Süppchen und Lecker-Bißgen al-
sobald auf dem Tische; uns Kinder tractirte sie auch
dermassen wohl/ daß wir über sie noch weniger, als
über unsere seelige Mutter zu klagen hatten, denn
die Holdseeligkeit und Freundlichkeit schien ihr ange-
bohren zu seyn, weßwegen sich denn nicht allein
Sonntags, sondern auch in der Woche viele Wein-
Bier-und Brandteweins-Gäste bey uns einfanden,
und alle nach Würden accommodiret wurden.

Unter andern gewöhnete sich auch ein junger un-
beweibter Förster von der Nachbarfchafft, gar sehr
öffters zu uns zu kommen, ob ihn nun gleich mein
Vater, weil es sein College war, sehr wohl lei-
den konte, so stellete sich doch unsere Stief-Mutter
jederzeit verdrüßlich an, so offt er da war, ließ
sich auch zum öfftern gegen unsern Vater verlau-
ten: Sie wisse in aller Welt nicht, wie dieser Kerl
in unser Hauß kommen könte, da er doch wisse, daß
ihr seine Person biß in Todt zuwider sey, und sie
ihm vor einiger Zeit, da er um sie gefreyet, den
Korb nicht nur darum gegeben, weil er einen so
schlechten Dienst, sondern weil sie einen natürli-
chen Abscheu vor seiner Person hätte; und eben die-
serwegen sähe sie am allerliebsten, wenn ihr dieser
Kerl aus dem Hause bliebe. Mein Vater lachte
hierzu, sprach, daß sie in diesem Stück eine När-

rin

Stief-Mutter konte ihm doch gar zu niedlich um
den Bart herum gehen, und dergeſtalt ſchmeicheln,
als ob ſie einen Mann von ihren Alter vor ſich haͤt-
te. Er mochte bey Tage oder bey Nacht, um wel-
che Zeit es auch war, aus dem Walde kommen, ſo
ſtund ſein Krafft-Suͤppchen und Lecker-Bißgen al-
ſobald auf dem Tiſche; uns Kinder tractirte ſie auch
dermaſſen wohl/ daß wir uͤber ſie noch weniger, als
uͤber unſere ſeelige Mutter zu klagen hatten, denn
die Holdſeeligkeit und Freundlichkeit ſchien ihr ange-
bohren zu ſeyn, weßwegen ſich denn nicht allein
Sonntags, ſondern auch in der Woche viele Wein-
Bier-und Brandteweins-Gaͤſte bey uns einfanden,
und alle nach Wuͤrden accommodiret wurden.

Unter andern gewoͤhnete ſich auch ein junger un-
beweibter Foͤrſter von der Nachbarfchafft, gar ſehr
oͤffters zu uns zu kommen, ob ihn nun gleich mein
Vater, weil es ſein College war, ſehr wohl lei-
den konte, ſo ſtellete ſich doch unſere Stief-Mutter
jederzeit verdruͤßlich an, ſo offt er da war, ließ
ſich auch zum oͤfftern gegen unſern Vater verlau-
ten: Sie wiſſe in aller Welt nicht, wie dieſer Kerl
in unſer Hauß kommen koͤnte, da er doch wiſſe, daß
ihr ſeine Perſon biß in Todt zuwider ſey, und ſie
ihm vor einiger Zeit, da er um ſie gefreyet, den
Korb nicht nur darum gegeben, weil er einen ſo
ſchlechten Dienſt, ſondern weil ſie einen natuͤrli-
chen Abſcheu vor ſeiner Perſon haͤtte; und eben die-
ſerwegen ſaͤhe ſie am allerliebſten, wenn ihr dieſer
Kerl aus dem Hauſe bliebe. Mein Vater lachte
hierzu, ſprach, daß ſie in dieſem Stuͤck eine Naͤr-

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[363/0371] Stief-Mutter konte ihm doch gar zu niedlich um den Bart herum gehen, und dergeſtalt ſchmeicheln, als ob ſie einen Mann von ihren Alter vor ſich haͤt- te. Er mochte bey Tage oder bey Nacht, um wel- che Zeit es auch war, aus dem Walde kommen, ſo ſtund ſein Krafft-Suͤppchen und Lecker-Bißgen al- ſobald auf dem Tiſche; uns Kinder tractirte ſie auch dermaſſen wohl/ daß wir uͤber ſie noch weniger, als uͤber unſere ſeelige Mutter zu klagen hatten, denn die Holdſeeligkeit und Freundlichkeit ſchien ihr ange- bohren zu ſeyn, weßwegen ſich denn nicht allein Sonntags, ſondern auch in der Woche viele Wein- Bier-und Brandteweins-Gaͤſte bey uns einfanden, und alle nach Wuͤrden accommodiret wurden. Unter andern gewoͤhnete ſich auch ein junger un- beweibter Foͤrſter von der Nachbarfchafft, gar ſehr oͤffters zu uns zu kommen, ob ihn nun gleich mein Vater, weil es ſein College war, ſehr wohl lei- den konte, ſo ſtellete ſich doch unſere Stief-Mutter jederzeit verdruͤßlich an, ſo offt er da war, ließ ſich auch zum oͤfftern gegen unſern Vater verlau- ten: Sie wiſſe in aller Welt nicht, wie dieſer Kerl in unſer Hauß kommen koͤnte, da er doch wiſſe, daß ihr ſeine Perſon biß in Todt zuwider ſey, und ſie ihm vor einiger Zeit, da er um ſie gefreyet, den Korb nicht nur darum gegeben, weil er einen ſo ſchlechten Dienſt, ſondern weil ſie einen natuͤrli- chen Abſcheu vor ſeiner Perſon haͤtte; und eben die- ſerwegen ſaͤhe ſie am allerliebſten, wenn ihr dieſer Kerl aus dem Hauſe bliebe. Mein Vater lachte hierzu, ſprach, daß ſie in dieſem Stuͤck eine Naͤr- rin

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/371>, abgerufen am 29.03.2024.