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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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Er kömmt glücklich an die Hinter-Thür des Mar-
qui
sischen Pallasts, dieselbe öffnet sich punctuell
um 11. Uhr, es kömmt ein Frauenzimmer heraus auf
die oberste Stuffe getreten, und winckt ihm, so viel
er in der Demmerung erkennen kan/ näher zu kom-
men! so bald er aber bey ihr ist, stösst sie ihn mit ei-
nem Dolche dergestalt hefftig auf die Brust, daß er
zurück prallen muß, zu gleicher Zeit springt sie zurück,
und schlägt ihm die Thür vor der Nase zu.

Mein Herr hebt den Dolch, welcher ihm vor die
Füsse gefallen, auf, kam nach Hause und erzählte
was ihm begegnet war, wolte auch anfänglich nicht
viel Wesens aus der Wunde machen, allein, weil
der Stich recht durch den Brust-Knochen ging, und
der Dolch allem Vermuthen nach, vergifftet gewe-
sen, gerieth dieselbe dergestalt übel, daß er bey nahe
seinen Geist aufgegeben, denn der gantze Halß und
Brust war dergestalt verschwollen, daß er kaum noch
ein wenig Athem holen konte. Jedoch nach 5. Wo-
chen fing es sich endlich zu bessern an, so, daß er wie-
der im Zimmer herum gehen konte, indem er sich
aber nicht einbildete, daß der Marquis von der Hi-
storie so zwischen ihm und der Marquise paßirt, die
geringste Wissenschafft haben würde, nahm es ihm
Wunder, daß er keine Visite von demselben bekom-
men, er erfuhr aber zufälliger Weise/ daß der Mar-
quis
in Königl. Affairen verreiset sey. Des Tags
darauf, als er sich wiederum in die freye Lufft bege-
ben, brachte ein fremder Laqvey einen Brief, wel-
chen ich, weil mein Herr denselben auf seinem
Schreibe-Tische liegen lassen, also gesetzt befand:

Unge-

Er koͤmmt gluͤcklich an die Hinter-Thuͤr des Mar-
qui
ſiſchen Pallaſts, dieſelbe oͤffnet ſich punctuell
um 11. Uhr, es koͤmmt ein Frauenzimmer heraus auf
die oberſte Stuffe getreten, und winckt ihm, ſo viel
er in der Demmerung erkennen kan/ naͤher zu kom-
men! ſo bald er aber bey ihr iſt, ſtoͤſſt ſie ihn mit ei-
nem Dolche dergeſtalt hefftig auf die Bruſt, daß er
zuruͤck prallen muß, zu gleicher Zeit ſpringt ſie zuruͤck,
und ſchlaͤgt ihm die Thuͤr vor der Naſe zu.

Mein Herr hebt den Dolch, welcher ihm vor die
Fuͤſſe gefallen, auf, kam nach Hauſe und erzaͤhlte
was ihm begegnet war, wolte auch anfaͤnglich nicht
viel Weſens aus der Wunde machen, allein, weil
der Stich recht durch den Bruſt-Knochen ging, und
der Dolch allem Vermuthen nach, vergifftet gewe-
ſen, gerieth dieſelbe dergeſtalt uͤbel, daß er bey nahe
ſeinen Geiſt aufgegeben, denn der gantze Halß und
Bruſt war dergeſtalt verſchwollen, daß er kaum noch
ein wenig Athem holen konte. Jedoch nach 5. Wo-
chen fing es ſich endlich zu beſſern an, ſo, daß er wie-
der im Zimmer herum gehen konte, indem er ſich
aber nicht einbildete, daß der Marquis von der Hi-
ſtorie ſo zwiſchen ihm und der Marquise paßirt, die
geringſte Wiſſenſchafft haben wuͤrde, nahm es ihm
Wunder, daß er keine Visite von demſelben bekom-
men, er erfuhr aber zufaͤlliger Weiſe/ daß der Mar-
quis
in Koͤnigl. Affairen verreiſet ſey. Des Tags
darauf, als er ſich wiederum in die freye Lufft bege-
ben, brachte ein fremder Laqvey einen Brief, wel-
chen ich, weil mein Herr denſelben auf ſeinem
Schreibe-Tiſche liegen laſſen, alſo geſetzt befand:

Unge-
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[408/0416] Er koͤmmt gluͤcklich an die Hinter-Thuͤr des Mar- quiſiſchen Pallaſts, dieſelbe oͤffnet ſich punctuell um 11. Uhr, es koͤmmt ein Frauenzimmer heraus auf die oberſte Stuffe getreten, und winckt ihm, ſo viel er in der Demmerung erkennen kan/ naͤher zu kom- men! ſo bald er aber bey ihr iſt, ſtoͤſſt ſie ihn mit ei- nem Dolche dergeſtalt hefftig auf die Bruſt, daß er zuruͤck prallen muß, zu gleicher Zeit ſpringt ſie zuruͤck, und ſchlaͤgt ihm die Thuͤr vor der Naſe zu. Mein Herr hebt den Dolch, welcher ihm vor die Fuͤſſe gefallen, auf, kam nach Hauſe und erzaͤhlte was ihm begegnet war, wolte auch anfaͤnglich nicht viel Weſens aus der Wunde machen, allein, weil der Stich recht durch den Bruſt-Knochen ging, und der Dolch allem Vermuthen nach, vergifftet gewe- ſen, gerieth dieſelbe dergeſtalt uͤbel, daß er bey nahe ſeinen Geiſt aufgegeben, denn der gantze Halß und Bruſt war dergeſtalt verſchwollen, daß er kaum noch ein wenig Athem holen konte. Jedoch nach 5. Wo- chen fing es ſich endlich zu beſſern an, ſo, daß er wie- der im Zimmer herum gehen konte, indem er ſich aber nicht einbildete, daß der Marquis von der Hi- ſtorie ſo zwiſchen ihm und der Marquise paßirt, die geringſte Wiſſenſchafft haben wuͤrde, nahm es ihm Wunder, daß er keine Visite von demſelben bekom- men, er erfuhr aber zufaͤlliger Weiſe/ daß der Mar- quis in Koͤnigl. Affairen verreiſet ſey. Des Tags darauf, als er ſich wiederum in die freye Lufft bege- ben, brachte ein fremder Laqvey einen Brief, wel- chen ich, weil mein Herr denſelben auf ſeinem Schreibe-Tiſche liegen laſſen, alſo geſetzt befand: Unge-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/416>, abgerufen am 25.04.2024.