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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

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der lang in dem üppigen Grase aus und schaute, den
Blick zum Himmel gewandt, mit Entzücken zu diesem
empor. Die Sonne war bereits untergegangen und
ein Gluthmeer nahm den ganzen Westen ein, wäh-
rend der Himmel über ihm jene tiefe, man möchte
sagen, geheimnißvolle Bläue hatte, die das Herz mit
einer Sehnsucht erfüllt, deren Quell man nicht zu
ergründen vermag. Nur von Zeit zu Zeit rissen sich
einzelne, schneeweiße, mit Purpur umsäumte Wölkchen
aus dem Westen los und schifften, vom sanften Abend-
winde langsam fortgetrieben, über dem Haupte des
Beschauers hin, wie Segelschiffe auf tiefblauem Ocean.
Auch auf das treue und schöne Thier, das neben sei-
nem geliebten Herrn lang im Grase ausgestreckt lag,
schien die Schönheit und Feier der Natur einen an-
genehmen Eindruck zu machen, denn von Zeit zu Zeit
erhob er das auf den vorgestreckten Pfoten ruhende
zottige Haupt und schaute bald zum Himmel empor,
bald mit jenem unaussprechlichen Blick, worin Weh-
muth und Liebe gemischt sind und der von allen Thie-
ren nur dem Hunde eigenthümlich ist, auf seinen Ge-
bieter, dessen Hand sein seidenweiches Fell liebreich
streichelte.

Beide waren Fremde auf diesem Boden; Beide
hatten eine Heimath gehabt und das war es wohl,
was sie so innig an einander knüpfte, Eins dem An-

der lang in dem üppigen Graſe aus und ſchaute, den
Blick zum Himmel gewandt, mit Entzücken zu dieſem
empor. Die Sonne war bereits untergegangen und
ein Gluthmeer nahm den ganzen Weſten ein, wäh-
rend der Himmel über ihm jene tiefe, man möchte
ſagen, geheimnißvolle Bläue hatte, die das Herz mit
einer Sehnſucht erfüllt, deren Quell man nicht zu
ergründen vermag. Nur von Zeit zu Zeit riſſen ſich
einzelne, ſchneeweiße, mit Purpur umſäumte Wölkchen
aus dem Weſten los und ſchifften, vom ſanften Abend-
winde langſam fortgetrieben, über dem Haupte des
Beſchauers hin, wie Segelſchiffe auf tiefblauem Ocean.
Auch auf das treue und ſchöne Thier, das neben ſei-
nem geliebten Herrn lang im Graſe ausgeſtreckt lag,
ſchien die Schönheit und Feier der Natur einen an-
genehmen Eindruck zu machen, denn von Zeit zu Zeit
erhob er das auf den vorgeſtreckten Pfoten ruhende
zottige Haupt und ſchaute bald zum Himmel empor,
bald mit jenem unausſprechlichen Blick, worin Weh-
muth und Liebe gemiſcht ſind und der von allen Thie-
ren nur dem Hunde eigenthümlich iſt, auf ſeinen Ge-
bieter, deſſen Hand ſein ſeidenweiches Fell liebreich
ſtreichelte.

Beide waren Fremde auf dieſem Boden; Beide
hatten eine Heimath gehabt und das war es wohl,
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[4/0012] der lang in dem üppigen Graſe aus und ſchaute, den Blick zum Himmel gewandt, mit Entzücken zu dieſem empor. Die Sonne war bereits untergegangen und ein Gluthmeer nahm den ganzen Weſten ein, wäh- rend der Himmel über ihm jene tiefe, man möchte ſagen, geheimnißvolle Bläue hatte, die das Herz mit einer Sehnſucht erfüllt, deren Quell man nicht zu ergründen vermag. Nur von Zeit zu Zeit riſſen ſich einzelne, ſchneeweiße, mit Purpur umſäumte Wölkchen aus dem Weſten los und ſchifften, vom ſanften Abend- winde langſam fortgetrieben, über dem Haupte des Beſchauers hin, wie Segelſchiffe auf tiefblauem Ocean. Auch auf das treue und ſchöne Thier, das neben ſei- nem geliebten Herrn lang im Graſe ausgeſtreckt lag, ſchien die Schönheit und Feier der Natur einen an- genehmen Eindruck zu machen, denn von Zeit zu Zeit erhob er das auf den vorgeſtreckten Pfoten ruhende zottige Haupt und ſchaute bald zum Himmel empor, bald mit jenem unausſprechlichen Blick, worin Weh- muth und Liebe gemiſcht ſind und der von allen Thie- ren nur dem Hunde eigenthümlich iſt, auf ſeinen Ge- bieter, deſſen Hand ſein ſeidenweiches Fell liebreich ſtreichelte. Beide waren Fremde auf dieſem Boden; Beide hatten eine Heimath gehabt und das war es wohl, was ſie ſo innig an einander knüpfte, Eins dem An-

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/12>, abgerufen am 29.03.2024.