Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite
2.--7. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.
4) Das Kind mit seinen Aeltern.

Der Uebersichtlichkeit und Abrundung des ganzen Erzie-
hungsbildes schien es entsprechend, unter diesem besonderen
Artikel nur diejenigen Punkte zusammenzufassen, hinsichtlich
deren der erzieherische Einfluss gewöhnlich und in der wirk-
samsten Weise direct von den Aeltern ausgeht. Unklarhei-
ten des Erziehungsbildes werden daraus nicht entstehen kön-
nen, da als selbstverständlich vorauszusetzen ist, dass die Lei-
tung des ganzen Erziehungsgeschäftes, ob direct ob indirect,
doch immer in den Händen der Aeltern liegt, also auch alle
in den übrigen Artikeln anschaulich gemachten Punkte und
Grundsätze zunächst immer die Aeltern angehen.

Sobald das Kind in der Entwickelung soweit vorgeschrit-
ten ist, dass es in dem Kreise seiner Umgebung sich zurecht-
gefunden und seine natürlichen Verhältnisse in den Hauptum-
rissen erkannt hat, so seid Ihr es, Aeltern, auf welche das
Auge und das Ohr des Kindes immer zunächst und zumeist
gerichtet ist. Euer Vorbild, Euer Beispiel ist es, nach
welchem sich die ganze kindliche Natur am liebsten und am
leichtesten formt. Durch den angeborenen Nachahmungstrieb
ist das Kind auf gute Vorbilder von Natur angewiesen. Da-
her auch, wenn das älteste von Geschwistern gut geartet ist,
die jüngeren sich viel leichter erziehen lassen. Anschauliche
lebende Beispiele sind überhaupt die directeste und wichtigste
menschliche Geistesnahrung und daher das wirkungsreichste
Erziehungsmittel. Es ist fertige Geistesnahrung, die unmittel-
bar aufgenommen und angeeignet wird, so wie sie dargeboten
ist. Ein Beispiel wirkt mehr als hundert Worte. Bedenket
das wohl und bestrebet Euch, Eurem Kinde immer so entge-
genzutreten, dass Ihr ihm in aller Beziehung als Musterbild
der Humanität und Tugendhaftigkeit gelten könnet!

Eure ganze Erscheinung sei daher dem Kinde gegenüber,
vorzüglich während dieser Altersperiode, so lange wie nur ir-
gend möglich von der Glorie der Heiterkeit umstrahlt.
Heiterkeit ist die Sonne des geistigen Lebens. Unter ihren
Strahlen nur erblüht das ganze geistige Gedeihen des Kindes,

Schreber, Kallipädie. 9
2.—7. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.
4) Das Kind mit seinen Aeltern.

Der Uebersichtlichkeit und Abrundung des ganzen Erzie-
hungsbildes schien es entsprechend, unter diesem besonderen
Artikel nur diejenigen Punkte zusammenzufassen, hinsichtlich
deren der erzieherische Einfluss gewöhnlich und in der wirk-
samsten Weise direct von den Aeltern ausgeht. Unklarhei-
ten des Erziehungsbildes werden daraus nicht entstehen kön-
nen, da als selbstverständlich vorauszusetzen ist, dass die Lei-
tung des ganzen Erziehungsgeschäftes, ob direct ob indirect,
doch immer in den Händen der Aeltern liegt, also auch alle
in den übrigen Artikeln anschaulich gemachten Punkte und
Grundsätze zunächst immer die Aeltern angehen.

Sobald das Kind in der Entwickelung soweit vorgeschrit-
ten ist, dass es in dem Kreise seiner Umgebung sich zurecht-
gefunden und seine natürlichen Verhältnisse in den Hauptum-
rissen erkannt hat, so seid Ihr es, Aeltern, auf welche das
Auge und das Ohr des Kindes immer zunächst und zumeist
gerichtet ist. Euer Vorbild, Euer Beispiel ist es, nach
welchem sich die ganze kindliche Natur am liebsten und am
leichtesten formt. Durch den angeborenen Nachahmungstrieb
ist das Kind auf gute Vorbilder von Natur angewiesen. Da-
her auch, wenn das älteste von Geschwistern gut geartet ist,
die jüngeren sich viel leichter erziehen lassen. Anschauliche
lebende Beispiele sind überhaupt die directeste und wichtigste
menschliche Geistesnahrung und daher das wirkungsreichste
Erziehungsmittel. Es ist fertige Geistesnahrung, die unmittel-
bar aufgenommen und angeeignet wird, so wie sie dargeboten
ist. Ein Beispiel wirkt mehr als hundert Worte. Bedenket
das wohl und bestrebet Euch, Eurem Kinde immer so entge-
genzutreten, dass Ihr ihm in aller Beziehung als Musterbild
der Humanität und Tugendhaftigkeit gelten könnet!

Eure ganze Erscheinung sei daher dem Kinde gegenüber,
vorzüglich während dieser Altersperiode, so lange wie nur ir-
gend möglich von der Glorie der Heiterkeit umstrahlt.
Heiterkeit ist die Sonne des geistigen Lebens. Unter ihren
Strahlen nur erblüht das ganze geistige Gedeihen des Kindes,

Schreber, Kallipädie. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0133" n="129"/>
          <fw place="top" type="header">2.&#x2014;7. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>4) <hi rendition="#g">Das Kind mit seinen Aeltern</hi>.</head><lb/>
            <p>Der Uebersichtlichkeit und Abrundung des ganzen Erzie-<lb/>
hungsbildes schien es entsprechend, unter diesem besonderen<lb/>
Artikel nur diejenigen Punkte zusammenzufassen, hinsichtlich<lb/>
deren der erzieherische Einfluss gewöhnlich und in der wirk-<lb/>
samsten Weise <hi rendition="#g">direct</hi> von den Aeltern ausgeht. Unklarhei-<lb/>
ten des Erziehungsbildes werden daraus nicht entstehen kön-<lb/>
nen, da als selbstverständlich vorauszusetzen ist, dass die Lei-<lb/>
tung des ganzen Erziehungsgeschäftes, ob direct ob indirect,<lb/>
doch immer in den Händen der Aeltern liegt, also auch alle<lb/>
in den übrigen Artikeln anschaulich gemachten Punkte und<lb/>
Grundsätze zunächst immer die Aeltern angehen.</p><lb/>
            <p>Sobald das Kind in der Entwickelung soweit vorgeschrit-<lb/>
ten ist, dass es in dem Kreise seiner Umgebung sich zurecht-<lb/>
gefunden und seine natürlichen Verhältnisse in den Hauptum-<lb/>
rissen erkannt hat, so seid Ihr es, Aeltern, auf welche das<lb/>
Auge und das Ohr des Kindes immer zunächst und zumeist<lb/>
gerichtet ist. Euer <hi rendition="#g">Vorbild</hi>, Euer <hi rendition="#g">Beispiel</hi> ist es, nach<lb/>
welchem sich die ganze kindliche Natur am liebsten und am<lb/>
leichtesten formt. Durch den angeborenen Nachahmungstrieb<lb/>
ist das Kind auf gute Vorbilder von Natur angewiesen. Da-<lb/>
her auch, wenn das älteste von Geschwistern gut geartet ist,<lb/>
die jüngeren sich viel leichter erziehen lassen. Anschauliche<lb/>
lebende Beispiele sind überhaupt die directeste und wichtigste<lb/>
menschliche Geistesnahrung und daher das wirkungsreichste<lb/>
Erziehungsmittel. Es ist fertige Geistesnahrung, die unmittel-<lb/>
bar aufgenommen und angeeignet wird, so wie sie dargeboten<lb/>
ist. Ein Beispiel wirkt mehr als hundert Worte. Bedenket<lb/>
das wohl und bestrebet Euch, Eurem Kinde immer so entge-<lb/>
genzutreten, dass Ihr ihm in aller Beziehung als <hi rendition="#g">Musterbild</hi><lb/>
der Humanität und Tugendhaftigkeit gelten könnet!</p><lb/>
            <p>Eure ganze Erscheinung sei daher dem Kinde gegenüber,<lb/>
vorzüglich während dieser Altersperiode, so lange wie nur ir-<lb/>
gend möglich von der Glorie der <hi rendition="#g">Heiterkeit</hi> umstrahlt.<lb/>
Heiterkeit ist die Sonne des geistigen Lebens. Unter ihren<lb/>
Strahlen nur erblüht das ganze geistige Gedeihen des Kindes,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Schreber, Kallipädie. 9</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0133] 2.—7. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN. 4) Das Kind mit seinen Aeltern. Der Uebersichtlichkeit und Abrundung des ganzen Erzie- hungsbildes schien es entsprechend, unter diesem besonderen Artikel nur diejenigen Punkte zusammenzufassen, hinsichtlich deren der erzieherische Einfluss gewöhnlich und in der wirk- samsten Weise direct von den Aeltern ausgeht. Unklarhei- ten des Erziehungsbildes werden daraus nicht entstehen kön- nen, da als selbstverständlich vorauszusetzen ist, dass die Lei- tung des ganzen Erziehungsgeschäftes, ob direct ob indirect, doch immer in den Händen der Aeltern liegt, also auch alle in den übrigen Artikeln anschaulich gemachten Punkte und Grundsätze zunächst immer die Aeltern angehen. Sobald das Kind in der Entwickelung soweit vorgeschrit- ten ist, dass es in dem Kreise seiner Umgebung sich zurecht- gefunden und seine natürlichen Verhältnisse in den Hauptum- rissen erkannt hat, so seid Ihr es, Aeltern, auf welche das Auge und das Ohr des Kindes immer zunächst und zumeist gerichtet ist. Euer Vorbild, Euer Beispiel ist es, nach welchem sich die ganze kindliche Natur am liebsten und am leichtesten formt. Durch den angeborenen Nachahmungstrieb ist das Kind auf gute Vorbilder von Natur angewiesen. Da- her auch, wenn das älteste von Geschwistern gut geartet ist, die jüngeren sich viel leichter erziehen lassen. Anschauliche lebende Beispiele sind überhaupt die directeste und wichtigste menschliche Geistesnahrung und daher das wirkungsreichste Erziehungsmittel. Es ist fertige Geistesnahrung, die unmittel- bar aufgenommen und angeeignet wird, so wie sie dargeboten ist. Ein Beispiel wirkt mehr als hundert Worte. Bedenket das wohl und bestrebet Euch, Eurem Kinde immer so entge- genzutreten, dass Ihr ihm in aller Beziehung als Musterbild der Humanität und Tugendhaftigkeit gelten könnet! Eure ganze Erscheinung sei daher dem Kinde gegenüber, vorzüglich während dieser Altersperiode, so lange wie nur ir- gend möglich von der Glorie der Heiterkeit umstrahlt. Heiterkeit ist die Sonne des geistigen Lebens. Unter ihren Strahlen nur erblüht das ganze geistige Gedeihen des Kindes, Schreber, Kallipädie. 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/133
Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/133>, abgerufen am 07.11.2024.