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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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§ 16. Satz der doppelten Verneinung (im Klassenkalkul).
Theorie der Negation Anwendung finden könne und allgemein, für
jede der Mn. angehörige Klasse, der Begriff ihrer Negation aufstellbar
werde, ist zudem leicht zu sehen.

Wäre die Mn. nicht konsistent, so wäre durch ihre Setzung bereits
ein Widerspruch gegeben, und könnte auf dieser Basis unmöglich die For-
derung widerspruchsfreien logischen Denkens erfüllt werden.

Wäre aber die Mn. keine reine, so müsste mindestens einmal als In-
dividuum
derselben eine Klasse A figuriren, die neben anderm auch ein
ausserdem schon vorkommendes Individuum b derselben Mn. unter sich be-
greift. Die Negation dieser Klasse A dürfte nach 30x) kein Individuum
derselben, also auch b nicht, enthalten, und müsste dennoch alle übrigen
Individuen der Mn., ausser genanntem A, umfassen, unter diesen auch das
frei vorkommende b -- es wäre mithin Widersprechendes gefordert. Ebenso
hätte die Negation des b (als isolirten Individuums der Mn.) alle übrigen
Individuen derselben, sonach auch A, als Individuen zu umfassen, damit
als Inbegriff von b und fraglichem Nicht-b die ganze Mn. herauskomme
(die ja das Individuum A enthalten soll), und zudem dürfte dieses Nicht-b
das b nicht enthalten, welches zugleich mit dem in ihr enthaltenen A doch
in ihr steckt. Auch hier wäre also der Ausschluss des b zugleich mit
dessen Einschluss (das eine explicite, das andre implicite mittelst A) ge-
fordert -- was unvereinbar.

Während es so sich nicht angängig erwies, unter Ausschluss eines
Individuums doch ganz eine Gattung zuzulassen, die es unter sich begreift,
oder umgekehrt, bei Ausschluss dieser ganzen Gattung das Individuum zu-
zulassen, während es logisch unmöglich erschien, der Gattung und den Be-
deutungen
ihres Namens Widersprechendes zuzumuten, bleibt solches sehr
wohl möglich in Bezug auf ein Ganzes und dessen Teile, wie es das fol-
gende Beispiel erläutern mag.

Gesetzt in einer Frage der Besteuerung von Grund- und Hausbesitzern
gelten als Steuerobjekte nicht blos die Häuser, sondern auch die Fenster
und die Kamine derselben -- um nicht zu sagen, auch die Ziegel auf den
Dächern. Dann sind diese letztern ja sämtlich Teile der erstern. Man
wird sie aber alle als gänzlich von einander unabhängige Objekte ansehen
und behandeln können, und z. B. aus bestimmten vielleicht gesetzlich nor-
mirten Gründen jemanden von der Besteuerung seines Gebäudes frei
sprechen können, ohne ihm (damit) doch diejenige von dessen Kaminen zu
erlassen, u. s. w. In dieser Mn. würde die Negation eines Hauses doch
dessen sämtliche Kamine und Fenster als Individuen enthalten müssen, die
Negation der gesamten letztern aber das Haus (als Ganzes) doch ein-
begreifen. Es entstünde keinerlei Widerspruch, denn was vom Ganzen gilt
(quidquid valet etc.) braucht darum bei den Teilen nicht auch schon zu-
zutreffen. Das Haus und sein Kamin bleiben hier doch von einander un-
abhängige Objekte des Denkens.

Konsistent wird nun eine Mn. schon sein, sobald sie keine Urteile
als Individuen umfasst, denn dann kann auch zwischen letzteren kein
Widerspruch bestehen. Rein wird sie sicher sein, sobald keine Klassen
als ihre Individuen figuriren.

§ 16. Satz der doppelten Verneinung (im Klassenkalkul).
Theorie der Negation Anwendung finden könne und allgemein, für
jede der Mn. angehörige Klasse, der Begriff ihrer Negation aufstellbar
werde, ist zudem leicht zu sehen.

Wäre die Mn. nicht konsistent, so wäre durch ihre Setzung bereits
ein Widerspruch gegeben, und könnte auf dieser Basis unmöglich die For-
derung widerspruchsfreien logischen Denkens erfüllt werden.

Wäre aber die Mn. keine reine, so müsste mindestens einmal als In-
dividuum
derselben eine Klasse A figuriren, die neben anderm auch ein
ausserdem schon vorkommendes Individuum b derselben Mn. unter sich be-
greift. Die Negation dieser Klasse A dürfte nach 30×) kein Individuum
derselben, also auch b nicht, enthalten, und müsste dennoch alle übrigen
Individuen der Mn., ausser genanntem A, umfassen, unter diesen auch das
frei vorkommende b — es wäre mithin Widersprechendes gefordert. Ebenso
hätte die Negation des b (als isolirten Individuums der Mn.) alle übrigen
Individuen derselben, sonach auch A, als Individuen zu umfassen, damit
als Inbegriff von b und fraglichem Nicht-b die ganze Mn. herauskomme
(die ja das Individuum A enthalten soll), und zudem dürfte dieses Nicht-b
das b nicht enthalten, welches zugleich mit dem in ihr enthaltenen A doch
in ihr steckt. Auch hier wäre also der Ausschluss des b zugleich mit
dessen Einschluss (das eine explicite, das andre implicite mittelst A) ge-
fordert — was unvereinbar.

Während es so sich nicht angängig erwies, unter Ausschluss eines
Individuums doch ganz eine Gattung zuzulassen, die es unter sich begreift,
oder umgekehrt, bei Ausschluss dieser ganzen Gattung das Individuum zu-
zulassen, während es logisch unmöglich erschien, der Gattung und den Be-
deutungen
ihres Namens Widersprechendes zuzumuten, bleibt solches sehr
wohl möglich in Bezug auf ein Ganzes und dessen Teile, wie es das fol-
gende Beispiel erläutern mag.

Gesetzt in einer Frage der Besteuerung von Grund- und Hausbesitzern
gelten als Steuerobjekte nicht blos die Häuser, sondern auch die Fenster
und die Kamine derselben — um nicht zu sagen, auch die Ziegel auf den
Dächern. Dann sind diese letztern ja sämtlich Teile der erstern. Man
wird sie aber alle als gänzlich von einander unabhängige Objekte ansehen
und behandeln können, und z. B. aus bestimmten vielleicht gesetzlich nor-
mirten Gründen jemanden von der Besteuerung seines Gebäudes frei
sprechen können, ohne ihm (damit) doch diejenige von dessen Kaminen zu
erlassen, u. s. w. In dieser Mn. würde die Negation eines Hauses doch
dessen sämtliche Kamine und Fenster als Individuen enthalten müssen, die
Negation der gesamten letztern aber das Haus (als Ganzes) doch ein-
begreifen. Es entstünde keinerlei Widerspruch, denn was vom Ganzen gilt
(quidquid valet etc.) braucht darum bei den Teilen nicht auch schon zu-
zutreffen. Das Haus und sein Kamin bleiben hier doch von einander un-
abhängige Objekte des Denkens.

Konsistent wird nun eine Mn. schon sein, sobald sie keine Urteile
als Individuen umfasst, denn dann kann auch zwischen letzteren kein
Widerspruch bestehen. Rein wird sie sicher sein, sobald keine Klassen
als ihre Individuen figuriren.

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[351/0371] § 16. Satz der doppelten Verneinung (im Klassenkalkul). Theorie der Negation Anwendung finden könne und allgemein, für jede der Mn. angehörige Klasse, der Begriff ihrer Negation aufstellbar werde, ist zudem leicht zu sehen. Wäre die Mn. nicht konsistent, so wäre durch ihre Setzung bereits ein Widerspruch gegeben, und könnte auf dieser Basis unmöglich die For- derung widerspruchsfreien logischen Denkens erfüllt werden. Wäre aber die Mn. keine reine, so müsste mindestens einmal als In- dividuum derselben eine Klasse A figuriren, die neben anderm auch ein ausserdem schon vorkommendes Individuum b derselben Mn. unter sich be- greift. Die Negation dieser Klasse A dürfte nach 30×) kein Individuum derselben, also auch b nicht, enthalten, und müsste dennoch alle übrigen Individuen der Mn., ausser genanntem A, umfassen, unter diesen auch das frei vorkommende b — es wäre mithin Widersprechendes gefordert. Ebenso hätte die Negation des b (als isolirten Individuums der Mn.) alle übrigen Individuen derselben, sonach auch A, als Individuen zu umfassen, damit als Inbegriff von b und fraglichem Nicht-b die ganze Mn. herauskomme (die ja das Individuum A enthalten soll), und zudem dürfte dieses Nicht-b das b nicht enthalten, welches zugleich mit dem in ihr enthaltenen A doch in ihr steckt. Auch hier wäre also der Ausschluss des b zugleich mit dessen Einschluss (das eine explicite, das andre implicite mittelst A) ge- fordert — was unvereinbar. Während es so sich nicht angängig erwies, unter Ausschluss eines Individuums doch ganz eine Gattung zuzulassen, die es unter sich begreift, oder umgekehrt, bei Ausschluss dieser ganzen Gattung das Individuum zu- zulassen, während es logisch unmöglich erschien, der Gattung und den Be- deutungen ihres Namens Widersprechendes zuzumuten, bleibt solches sehr wohl möglich in Bezug auf ein Ganzes und dessen Teile, wie es das fol- gende Beispiel erläutern mag. Gesetzt in einer Frage der Besteuerung von Grund- und Hausbesitzern gelten als Steuerobjekte nicht blos die Häuser, sondern auch die Fenster und die Kamine derselben — um nicht zu sagen, auch die Ziegel auf den Dächern. Dann sind diese letztern ja sämtlich Teile der erstern. Man wird sie aber alle als gänzlich von einander unabhängige Objekte ansehen und behandeln können, und z. B. aus bestimmten vielleicht gesetzlich nor- mirten Gründen jemanden von der Besteuerung seines Gebäudes frei sprechen können, ohne ihm (damit) doch diejenige von dessen Kaminen zu erlassen, u. s. w. In dieser Mn. würde die Negation eines Hauses doch dessen sämtliche Kamine und Fenster als Individuen enthalten müssen, die Negation der gesamten letztern aber das Haus (als Ganzes) doch ein- begreifen. Es entstünde keinerlei Widerspruch, denn was vom Ganzen gilt (quidquid valet etc.) braucht darum bei den Teilen nicht auch schon zu- zutreffen. Das Haus und sein Kamin bleiben hier doch von einander un- abhängige Objekte des Denkens. Konsistent wird nun eine Mn. schon sein, sobald sie keine Urteile als Individuen umfasst, denn dann kann auch zwischen letzteren kein Widerspruch bestehen. Rein wird sie sicher sein, sobald keine Klassen als ihre Individuen figuriren.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/371>, abgerufen am 28.03.2024.