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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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§ 45. Formeln gemischter Natur.

Bis zu einem gewissen Grade hat sich uns dies schon in § 32
bestätigt.

Teils lernten wir dort solche Sätze kennen -- wie die mit Stern
versehenen d), z), e) -- die im Gebietekalkul zwar gelten können, aber
nicht allgemein gelten, teils auch solche Sätze, die -- wie e), l), m),
n) -- daselbst überhaupt keinen Sinn haben, ganz unverständlich oder
deutungsunfähig erscheinen.

Was sollte man in der That sich unter einem Satze, wie l)
(a b) = a1 + b
denken, wenn a und b nicht Aussagen, sondern irgendwelche Gebiete, z. B.
der Tafelfläche, vorstellen? Es erscheint doch absurd, die Aussage, das
Urteil linkerhand, die behauptete Subsumtion (a b) mit dem Gebiete
rechterhand in l), mit der Fläche a1 + b zu identifiziren!

Dergleichen im Gebietekalkul zunächst überhaupt nicht deutungs-
fähige Formeln des Aussagenkalkuls mögen hier "Formeln von ge-
mischter Natur
" heissen. Es kommen in denselben ausser einfachen
Symbolden, wie 0, i, A, B, ..., die uns gewisse oder auch irgendwelche
Aussagen (von nur nicht näher angegebenem, oder von ganz offen ge-
lassenem Inhalte) vertreten, auch "spezifizirte" Aussagen vor, wie A B,
i C, A = B, welche über jene Aussagen selbst wieder etwas --
und zwar etwas ganz Bestimmtes -- aussagen.

Es ist klar, dass jene einfachen Symbole alsdann nicht als (Punkt-)
Gebiete, Flächen z. B., gedeutet werden können, wenn sie mit solchen
spezifizirten Aussagen durch Rechenoperationen oder Vergleichungs-
zeichen verknüpft, solchen vielleicht eingeordnet, oder gleich gesetzt
erscheinen.

Da müsste denn doch erst eine Erklärung gegeben worden sein, was
unter dem Produkt -- z. B. -- aus einer Aussage und einer Fläche ver-
standen werden solle, was die Subsumtion zwischen letztern auszudrücken
habe, etc.

Im Klassenkalkul könnte bei Zugrundelegung einer gewissen Mannig-
faltigkeit 1, jenes Produkt allerdings als bereits erklärt hingestellt werden,
insofern dasselbe als "Nichts" zu interpretiren und mit 0 zu bezeichnen
wäre, sintemal es nichts gibt, was zugleich jene Aussage und diese Fläche
ist. Nur wäre zu beachten, dass nach § 9, kh, ps) diese 0 von dem Null-
gebiet 0 unsrer Punktmannigfaltigkeit, der Tafelfläche 1, wohl zu unter-
scheiden bleibt. In jener höheren Mn. könnte man auch die etwa zwischen
einer Subsumtion und einer Fläche behauptete Ungleichheit allenfalls (als
eine verständliche Behauptung) noch gelten lassen, indem es eben ganz
und gar nicht zu rechtfertigen wäre, dieselben für identisch gleich zu er-
klären. Das Ungleichheitszeichen hätte dann aber sozusagen wieder
einen andern Sinn, als wenn es in der niederen Mn. zwischen zwei Flächen-

Schröder, Algebra der Logik. II. 17
§ 45. Formeln gemischter Natur.

Bis zu einem gewissen Grade hat sich uns dies schon in § 32
bestätigt.

Teils lernten wir dort solche Sätze kennen — wie die mit Stern
versehenen δ), ζ), η) — die im Gebietekalkul zwar gelten können, aber
nicht allgemein gelten, teils auch solche Sätze, die — wie ε), λ), μ),
ν) — daselbst überhaupt keinen Sinn haben, ganz unverständlich oder
deutungsunfähig erscheinen.

Was sollte man in der That sich unter einem Satze, wie λ)
(a b) = a1 + b
denken, wenn a und b nicht Aussagen, sondern irgendwelche Gebiete, z. B.
der Tafelfläche, vorstellen? Es erscheint doch absurd, die Aussage, das
Urteil linkerhand, die behauptete Subsumtion (a b) mit dem Gebiete
rechterhand in λ), mit der Fläche a1 + b zu identifiziren!

Dergleichen im Gebietekalkul zunächst überhaupt nicht deutungs-
fähige Formeln des Aussagenkalkuls mögen hier „Formeln von ge-
mischter Natur
“ heissen. Es kommen in denselben ausser einfachen
Symbolden, wie 0, i, A, B, …, die uns gewisse oder auch irgendwelche
Aussagen (von nur nicht näher angegebenem, oder von ganz offen ge-
lassenem Inhalte) vertreten, auch „spezifizirte“ Aussagen vor, wie A B,
i C, A = B, welche über jene Aussagen selbst wieder etwas —
und zwar etwas ganz Bestimmtes — aussagen.

Es ist klar, dass jene einfachen Symbole alsdann nicht als (Punkt-)
Gebiete, Flächen z. B., gedeutet werden können, wenn sie mit solchen
spezifizirten Aussagen durch Rechenoperationen oder Vergleichungs-
zeichen verknüpft, solchen vielleicht eingeordnet, oder gleich gesetzt
erscheinen.

Da müsste denn doch erst eine Erklärung gegeben worden sein, was
unter dem Produkt — z. B. — aus einer Aussage und einer Fläche ver-
standen werden solle, was die Subsumtion zwischen letztern auszudrücken
habe, etc.

Im Klassenkalkul könnte bei Zugrundelegung einer gewissen Mannig-
faltigkeit 1̱, jenes Produkt allerdings als bereits erklärt hingestellt werden,
insofern dasselbe als „Nichts“ zu interpretiren und mit 0̱ zu bezeichnen
wäre, sintemal es nichts gibt, was zugleich jene Aussage und diese Fläche
ist. Nur wäre zu beachten, dass nach § 9, χ, ψ) diese 0̱ von dem Null-
gebiet 0 unsrer Punktmannigfaltigkeit, der Tafelfläche 1, wohl zu unter-
scheiden bleibt. In jener höheren Mn. könnte man auch die etwa zwischen
einer Subsumtion und einer Fläche behauptete Ungleichheit allenfalls (als
eine verständliche Behauptung) noch gelten lassen, indem es eben ganz
und gar nicht zu rechtfertigen wäre, dieselben für identisch gleich zu er-
klären. Das Ungleichheitszeichen ≠ hätte dann aber sozusagen wieder
einen andern Sinn, als wenn es in der niederen Mn. zwischen zwei Flächen-

Schröder, Algebra der Logik. II. 17
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[257/0281] § 45. Formeln gemischter Natur. Bis zu einem gewissen Grade hat sich uns dies schon in § 32 bestätigt. Teils lernten wir dort solche Sätze kennen — wie die mit Stern versehenen δ), ζ), η) — die im Gebietekalkul zwar gelten können, aber nicht allgemein gelten, teils auch solche Sätze, die — wie ε), λ), μ), ν) — daselbst überhaupt keinen Sinn haben, ganz unverständlich oder deutungsunfähig erscheinen. Was sollte man in der That sich unter einem Satze, wie λ) (a  b) = a1 + b denken, wenn a und b nicht Aussagen, sondern irgendwelche Gebiete, z. B. der Tafelfläche, vorstellen? Es erscheint doch absurd, die Aussage, das Urteil linkerhand, die behauptete Subsumtion (a  b) mit dem Gebiete rechterhand in λ), mit der Fläche a1 + b zu identifiziren! Dergleichen im Gebietekalkul zunächst überhaupt nicht deutungs- fähige Formeln des Aussagenkalkuls mögen hier „Formeln von ge- mischter Natur“ heissen. Es kommen in denselben ausser einfachen Symbolden, wie 0, i, A, B, …, die uns gewisse oder auch irgendwelche Aussagen (von nur nicht näher angegebenem, oder von ganz offen ge- lassenem Inhalte) vertreten, auch „spezifizirte“ Aussagen vor, wie A  B, i  C, A = B, welche über jene Aussagen selbst wieder etwas — und zwar etwas ganz Bestimmtes — aussagen. Es ist klar, dass jene einfachen Symbole alsdann nicht als (Punkt-) Gebiete, Flächen z. B., gedeutet werden können, wenn sie mit solchen spezifizirten Aussagen durch Rechenoperationen oder Vergleichungs- zeichen verknüpft, solchen vielleicht eingeordnet, oder gleich gesetzt erscheinen. Da müsste denn doch erst eine Erklärung gegeben worden sein, was unter dem Produkt — z. B. — aus einer Aussage und einer Fläche ver- standen werden solle, was die Subsumtion zwischen letztern auszudrücken habe, etc. Im Klassenkalkul könnte bei Zugrundelegung einer gewissen Mannig- faltigkeit 1̱, jenes Produkt allerdings als bereits erklärt hingestellt werden, insofern dasselbe als „Nichts“ zu interpretiren und mit 0̱ zu bezeichnen wäre, sintemal es nichts gibt, was zugleich jene Aussage und diese Fläche ist. Nur wäre zu beachten, dass nach § 9, χ, ψ) diese 0̱ von dem Null- gebiet 0 unsrer Punktmannigfaltigkeit, der Tafelfläche 1, wohl zu unter- scheiden bleibt. In jener höheren Mn. könnte man auch die etwa zwischen einer Subsumtion und einer Fläche behauptete Ungleichheit allenfalls (als eine verständliche Behauptung) noch gelten lassen, indem es eben ganz und gar nicht zu rechtfertigen wäre, dieselben für identisch gleich zu er- klären. Das Ungleichheitszeichen ≠ hätte dann aber sozusagen wieder einen andern Sinn, als wenn es in der niederen Mn. zwischen zwei Flächen- Schröder, Algebra der Logik. II. 17

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/281>, abgerufen am 24.04.2024.