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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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Einundzwanzigste Vorlesung.
zu begründen [welche sich dennoch nach dem Prinzip (a = 1) resp.
(a = i) = a als richtig erweist], so kann derselben nur die engere
Geltung zukommen, sobald man auch nur eine Interpretation der Sym-
bole in Gestalt von Gebieten nachweisen kann, für welche die Formel
augenscheinlich nicht zutrifft.

Beispielsweise zeigt so die Figur 23, in welcher a b, und gleich-
wol nicht c a ist, dass die Formel mx) der weitern Geltung entbehrt.

[Abbildung]
[Abbildung] Fig 23.

Richtige Formeln des Aussagenkalkuls,
bei welchen es weder gelänge, sie aus den
bisherigen Grundlagen des Gebietekalkuls ab-
zuleiten, noch auch (mit Leichtigkeit) ge-
länge, sie für diesen (wofern sie überhaupt in
ihm deutungsfähig) durch ein Beispiel als im
allgemeinen falsch nachzuweisen, sind bisher nicht entdeckt worden,
aus welchem Umstande, wenn er in dieser Weise fortbesteht, induk-
torisch die Überzeugung zu schöpfen ist, dass wir die Grundlagen des
Gebietekalkuls bereits vollständig besitzen.

Ob mit vorstehender Beantwortung der Frage die Wissenschaft das
letzte Wort über dieselbe gesprochen hat, muss allerdings dahingestellt
bleiben. Man empfindet es als ein Desideratum, dass die Frage -- statt
in jedem Falle eine spezielle Untersuchung, eventuell vergebliche Deduk-
tionsversuche und den schliesslichen Rekurs auf die Anschauung zu er-
heischen -- durch blos mechanisches Rechnen, Operiren nach einem all-
gemeinen Schema, möchte zur Entscheidung gebracht werden können --
in ähnlicher Weise etwa, wie von der Analysis die Frage nach der Auf-
lösbarkeit eines Gleichungensystems
durch das Theorem von der Funktional-
determinante
bekanntlich allgemein erledigt ist. Dieser Vergleich eröffnet
hier einen Ausblick auf ein weiteres Problem der Forschung. --

Abgesehen von der grösseren Allgemeinheit und Tragweite, die
wir durch die Begründung des identischen Kalkuls als eines Gebiete-
kalkuls gegenüber der McColl ... Peirce'schen als eines Aussagen-
kalkuls erzielten, scheint mir die in diesem Buche durchgeführte
Voranstellung der Exposition des erstern -- unter Vermeidung des
Gebrauches jeglicher Abkürzungen, welche die Formelsprache des
letzteren gestatten würde -- auch in didaktischer Hinsicht einen Vor-
zug vor den andern Behandlungsweisen zu bieten insofern, als der
Anfänger beim Studium von Herrn Peirce's Aufsatze 5 etc., sich vor
eine ähnliche Schwierigkeit gestellt sehen wird, wie wenn er eine ihm
fremde Sprache aus einer zumeist in dieser selbst geschriebenen Gramma-
tik erlernen sollte. Zudem musste es die Übersicht fördern, dass wir
beide Kalkuln sozusagen auseinander entwirrten. --

Einundzwanzigste Vorlesung.
zu begründen [welche sich dennoch nach dem Prinzip (a = 1) resp.
(a = i) = a als richtig erweist], so kann derselben nur die engere
Geltung zukommen, sobald man auch nur eine Interpretation der Sym-
bole in Gestalt von Gebieten nachweisen kann, für welche die Formel
augenscheinlich nicht zutrifft.

Beispielsweise zeigt so die Figur 23, in welcher a b, und gleich-
wol nicht c a ist, dass die Formel μ×) der weitern Geltung entbehrt.

[Abbildung]
[Abbildung] Fig 23.

Richtige Formeln des Aussagenkalkuls,
bei welchen es weder gelänge, sie aus den
bisherigen Grundlagen des Gebietekalkuls ab-
zuleiten, noch auch (mit Leichtigkeit) ge-
länge, sie für diesen (wofern sie überhaupt in
ihm deutungsfähig) durch ein Beispiel als im
allgemeinen falsch nachzuweisen, sind bisher nicht entdeckt worden,
aus welchem Umstande, wenn er in dieser Weise fortbesteht, induk-
torisch die Überzeugung zu schöpfen ist, dass wir die Grundlagen des
Gebietekalkuls bereits vollständig besitzen.

Ob mit vorstehender Beantwortung der Frage die Wissenschaft das
letzte Wort über dieselbe gesprochen hat, muss allerdings dahingestellt
bleiben. Man empfindet es als ein Desideratum, dass die Frage — statt
in jedem Falle eine spezielle Untersuchung, eventuell vergebliche Deduk-
tionsversuche und den schliesslichen Rekurs auf die Anschauung zu er-
heischen — durch blos mechanisches Rechnen, Operiren nach einem all-
gemeinen Schema, möchte zur Entscheidung gebracht werden können —
in ähnlicher Weise etwa, wie von der Analysis die Frage nach der Auf-
lösbarkeit eines Gleichungensystems
durch das Theorem von der Funktional-
determinante
bekanntlich allgemein erledigt ist. Dieser Vergleich eröffnet
hier einen Ausblick auf ein weiteres Problem der Forschung. —

Abgesehen von der grösseren Allgemeinheit und Tragweite, die
wir durch die Begründung des identischen Kalkuls als eines Gebiete-
kalkuls gegenüber der McCollPeirce’schen als eines Aussagen-
kalkuls erzielten, scheint mir die in diesem Buche durchgeführte
Voranstellung der Exposition des erstern — unter Vermeidung des
Gebrauches jeglicher Abkürzungen, welche die Formelsprache des
letzteren gestatten würde — auch in didaktischer Hinsicht einen Vor-
zug vor den andern Behandlungsweisen zu bieten insofern, als der
Anfänger beim Studium von Herrn Peirce’s Aufsatze 5 etc., sich vor
eine ähnliche Schwierigkeit gestellt sehen wird, wie wenn er eine ihm
fremde Sprache aus einer zumeist in dieser selbst geschriebenen Gramma-
tik erlernen sollte. Zudem musste es die Übersicht fördern, dass wir
beide Kalkuln sozusagen auseinander entwirrten. —

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[276/0300] Einundzwanzigste Vorlesung. zu begründen [welche sich dennoch nach dem Prinzip (a = 1) resp. (a = i) = a als richtig erweist], so kann derselben nur die engere Geltung zukommen, sobald man auch nur eine Interpretation der Sym- bole in Gestalt von Gebieten nachweisen kann, für welche die Formel augenscheinlich nicht zutrifft. Beispielsweise zeigt so die Figur 23, in welcher a  b, und gleich- wol nicht c  a ist, dass die Formel μ×) der weitern Geltung entbehrt. [Abbildung] [Abbildung Fig 23.] Richtige Formeln des Aussagenkalkuls, bei welchen es weder gelänge, sie aus den bisherigen Grundlagen des Gebietekalkuls ab- zuleiten, noch auch (mit Leichtigkeit) ge- länge, sie für diesen (wofern sie überhaupt in ihm deutungsfähig) durch ein Beispiel als im allgemeinen falsch nachzuweisen, sind bisher nicht entdeckt worden, aus welchem Umstande, wenn er in dieser Weise fortbesteht, induk- torisch die Überzeugung zu schöpfen ist, dass wir die Grundlagen des Gebietekalkuls bereits vollständig besitzen. Ob mit vorstehender Beantwortung der Frage die Wissenschaft das letzte Wort über dieselbe gesprochen hat, muss allerdings dahingestellt bleiben. Man empfindet es als ein Desideratum, dass die Frage — statt in jedem Falle eine spezielle Untersuchung, eventuell vergebliche Deduk- tionsversuche und den schliesslichen Rekurs auf die Anschauung zu er- heischen — durch blos mechanisches Rechnen, Operiren nach einem all- gemeinen Schema, möchte zur Entscheidung gebracht werden können — in ähnlicher Weise etwa, wie von der Analysis die Frage nach der Auf- lösbarkeit eines Gleichungensystems durch das Theorem von der Funktional- determinante bekanntlich allgemein erledigt ist. Dieser Vergleich eröffnet hier einen Ausblick auf ein weiteres Problem der Forschung. — Abgesehen von der grösseren Allgemeinheit und Tragweite, die wir durch die Begründung des identischen Kalkuls als eines Gebiete- kalkuls gegenüber der McColl … Peirce’schen als eines Aussagen- kalkuls erzielten, scheint mir die in diesem Buche durchgeführte Voranstellung der Exposition des erstern — unter Vermeidung des Gebrauches jeglicher Abkürzungen, welche die Formelsprache des letzteren gestatten würde — auch in didaktischer Hinsicht einen Vor- zug vor den andern Behandlungsweisen zu bieten insofern, als der Anfänger beim Studium von Herrn Peirce’s Aufsatze 5 etc., sich vor eine ähnliche Schwierigkeit gestellt sehen wird, wie wenn er eine ihm fremde Sprache aus einer zumeist in dieser selbst geschriebenen Gramma- tik erlernen sollte. Zudem musste es die Übersicht fördern, dass wir beide Kalkuln sozusagen auseinander entwirrten. —

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/300>, abgerufen am 18.04.2024.