Am 16. Juni 1902 starb Ernst Schröder, großh. badischer Hofrat und Professor der Mathematik an der technischen Hochschule Karlsruhe, nach einer Krankheit von nur wenigen Tagen an Gehirn- entzündung. Mit ihm ist ein guter und liebenswürdiger Mensch, ein tüchtiger Mathematiker, und mir vor allem ein lieber und treuer Freund verschieden, mit dem mich seit vierzig Jahren nahe Beziehungen verbanden.
Indem ich es unternehme, dem Verblichenen hier einige Blätter der Erinnerung zu weihen und über seine mathematischen Leistungen zu berichten, verhehle ich mir nicht die Schwierigkeiten, die mit dieser Aufgabe verbunden sind. Sie haben ihren Grund in dem Forschungs- gebiete, das Schröder besonders in den letzten Jahrzehnten pflegte, das von den gewöhnlichen Wegen mathematischer Bethätigung weit ab liegt. Wenn ich auch, durch den öfteren Verkehr mit Schröder, vielleicht etwas mehr in den Logikkalkul eingeweiht bin als manche Fachgenossen, so bin ich von einer gründlichen Vertrautheit weit ent- fernt; und ich muss daher die Kenner bitten, den Bericht über diese Dinge nachsichtig zu beurteilen.
Ernst Schröder stammte aus einer ursprünglich hannoverschen Familie. Sein Vater war G. Fr. Heinrich Schröder1), "der sich durch viele mineralogische, chemische und physikalische Arbeiten, am meisten vielleicht als Vorläufer Pasteurs durch seine Untersuchungen über Fil- tration der Luft" eine geachtete Stellung in der Wissenschaft erworben hatte. Zuerst in seiner Vaterstadt München am polytechnischen Zentral- institut, dann an der Kantonschule in Solothurn thätig, siedelte er 1840 nach Mannheim über, wo ihm die Direktion der höheren Bürgerschule
1) Die in Anführungszeichen gesetzten Stellen sind fast wörtlich einer kurzen Selbstbiographie entnommen, die Schröder seinem Bilde im "Geistigen Deutsch- land" beigegeben hatte.
a*
Ernst Schröder †.
Von J. Lüroth in Freiburg i. Br.
Am 16. Juni 1902 starb Ernst Schröder, großh. badischer Hofrat und Professor der Mathematik an der technischen Hochschule Karlsruhe, nach einer Krankheit von nur wenigen Tagen an Gehirn- entzündung. Mit ihm ist ein guter und liebenswürdiger Mensch, ein tüchtiger Mathematiker, und mir vor allem ein lieber und treuer Freund verschieden, mit dem mich seit vierzig Jahren nahe Beziehungen verbanden.
Indem ich es unternehme, dem Verblichenen hier einige Blätter der Erinnerung zu weihen und über seine mathematischen Leistungen zu berichten, verhehle ich mir nicht die Schwierigkeiten, die mit dieser Aufgabe verbunden sind. Sie haben ihren Grund in dem Forschungs- gebiete, das Schröder besonders in den letzten Jahrzehnten pflegte, das von den gewöhnlichen Wegen mathematischer Bethätigung weit ab liegt. Wenn ich auch, durch den öfteren Verkehr mit Schröder, vielleicht etwas mehr in den Logikkalkul eingeweiht bin als manche Fachgenossen, so bin ich von einer gründlichen Vertrautheit weit ent- fernt; und ich muss daher die Kenner bitten, den Bericht über diese Dinge nachsichtig zu beurteilen.
Ernst Schröder stammte aus einer ursprünglich hannoverschen Familie. Sein Vater war G. Fr. Heinrich Schröder1), „der sich durch viele mineralogische, chemische und physikalische Arbeiten, am meisten vielleicht als Vorläufer Pasteurs durch seine Untersuchungen über Fil- tration der Luft“ eine geachtete Stellung in der Wissenschaft erworben hatte. Zuerst in seiner Vaterstadt München am polytechnischen Zentral- institut, dann an der Kantonschule in Solothurn thätig, siedelte er 1840 nach Mannheim über, wo ihm die Direktion der höheren Bürgerschule
1) Die in Anführungszeichen gesetzten Stellen sind fast wörtlich einer kurzen Selbstbiographie entnommen, die Schröder seinem Bilde im „Geistigen Deutsch- land“ beigegeben hatte.
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Von J. Lüroth in Freiburg i. Br.
Am 16. Juni 1902 starb Ernst Schröder, großh. badischer
Hofrat und Professor der Mathematik an der technischen Hochschule
Karlsruhe, nach einer Krankheit von nur wenigen Tagen an Gehirn-
entzündung. Mit ihm ist ein guter und liebenswürdiger Mensch, ein
tüchtiger Mathematiker, und mir vor allem ein lieber und treuer
Freund verschieden, mit dem mich seit vierzig Jahren nahe Beziehungen
verbanden.
Indem ich es unternehme, dem Verblichenen hier einige Blätter
der Erinnerung zu weihen und über seine mathematischen Leistungen
zu berichten, verhehle ich mir nicht die Schwierigkeiten, die mit dieser
Aufgabe verbunden sind. Sie haben ihren Grund in dem Forschungs-
gebiete, das Schröder besonders in den letzten Jahrzehnten pflegte,
das von den gewöhnlichen Wegen mathematischer Bethätigung weit
ab liegt. Wenn ich auch, durch den öfteren Verkehr mit Schröder,
vielleicht etwas mehr in den Logikkalkul eingeweiht bin als manche
Fachgenossen, so bin ich von einer gründlichen Vertrautheit weit ent-
fernt; und ich muss daher die Kenner bitten, den Bericht über diese
Dinge nachsichtig zu beurteilen.
Ernst Schröder stammte aus einer ursprünglich hannoverschen
Familie. Sein Vater war G. Fr. Heinrich Schröder 1), „der sich durch
viele mineralogische, chemische und physikalische Arbeiten, am meisten
vielleicht als Vorläufer Pasteurs durch seine Untersuchungen über Fil-
tration der Luft“ eine geachtete Stellung in der Wissenschaft erworben
hatte. Zuerst in seiner Vaterstadt München am polytechnischen Zentral-
institut, dann an der Kantonschule in Solothurn thätig, siedelte er 1840
nach Mannheim über, wo ihm die Direktion der höheren Bürgerschule
1) Die in Anführungszeichen gesetzten Stellen sind fast wörtlich einer kurzen
Selbstbiographie entnommen, die Schröder seinem Bilde im „Geistigen Deutsch-
land“ beigegeben hatte.
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. [III]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/15>, abgerufen am 27.06.2022.
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