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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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Von J. Lüroth.
Insbesondere beschäftigte ihn ein System von 990 Gleichungen,
die in der Gesamtheit von 7342 möglichen Gleichungen eine hervor-
ragende Rolle spielen und deren Struktur er eingehend untersucht. Um
die Möglichkeit der Algorithmen oder Kalkule und ihre Unabhängig-
keit von einander zu beweisen, wendet er zwei Mittel an. Er kon-
struirt Lösungen mit Hilfe der gewöhnlichen mathematischen Formeln,
indem er einen Bruch, dessen Zähler und Nenner bilineare Funktionen
von zwei Veränderlichen sind, so einrichtet, dass er die gegebene
Funktionalgleichung erfüllt. Ferner konstruirt er Funktionstafeln,
d. h. Tafeln, die zu gegebenen Argumentwerten den Funktionswert
liefern, indem er dabei die Anzahl der möglichen Argumentwerte klein,
höchstens gleich 8 annimmt. Für den Fall von nur 4 Argumentwerten
stellt er die sämtlichen 576 Funktionstafeln auf, die bei eindeutigen
Umkehrungen möglich sind, und für den Fall von acht Argumentwerten
solche Tafeln, die gegebenen Funktionalgleichungen genügen, während
sie bei weniger als acht Werten unmöglich sind. Bei all diesen Unter-
suchungen zeigt Schröder eine grosse Gewandtheit in der Behandlung
kombinatorischer Probleme, wie er solche auch in einigen speziellen
Abhandlungen untersucht hat. Einige habe ich schon früher erwähnt.
In einer anderen (21) bestimmt er die Anzahl der Substitutionen, welche
in eine gegebene Zahl von Zyklen zerfallen. Bei all diesen Problemen
kommt ihm seine Übung in der Benützung der Ubbo Meyer'schen
Fakultäten-Koeffizienten, von denen schon früher die Rede war, zugute.

Während seines Aufenthaltes in Baden-Baden begann Schröder
auch die Erlernung der russischen Sprache und benutzte seine freie
Zeit, um die schöne Umgebung der berühmten Bäderstadt nach allen
Richtungen hin in tüchtigen Fussmärschen, auf denen ich ihn öfter
begleitete, kennen zu lernen.

Seine mathematischen Arbeiten bewirkten, dass er im Jahre 1874
nach Darmstadt an die technische Hochschule als ordentlicher Professor
der Mathematik berufen wurde. Im Jahre 1876 folgte er einem Rufe
an die technische Hochschule nach Karlsruhe; hier lehrte er, seiner
Neigung entsprechend, die Fächer der Arithmetik, Trigonometrie und
höheren Analysis. In dieser Stellung blieb er, später zum Hofrat er-
nannt, bis zu seinem Tode. Das Vertrauen seiner Kollegen berief ihn
im Jahre 1890 zum Direktor des Polytechnikums, während er dem
Senat der Hochschule wiederholt angehört hatte.

Unter den Arbeiten, die er in Darmstadt und Karlsruhe veröffent-
lichte, verdient neben den sofort zu besprechenden besonders die über
"Ein auf die Einheitswurzeln bezügliches Theorem der Funktionen

Von J. Lüroth.
Insbesondere beschäftigte ihn ein System von 990 Gleichungen,
die in der Gesamtheit von 7342 möglichen Gleichungen eine hervor-
ragende Rolle spielen und deren Struktur er eingehend untersucht. Um
die Möglichkeit der Algorithmen oder Kalkule und ihre Unabhängig-
keit von einander zu beweisen, wendet er zwei Mittel an. Er kon-
struirt Lösungen mit Hilfe der gewöhnlichen mathematischen Formeln,
indem er einen Bruch, dessen Zähler und Nenner bilineare Funktionen
von zwei Veränderlichen sind, so einrichtet, dass er die gegebene
Funktionalgleichung erfüllt. Ferner konstruirt er Funktionstafeln,
d. h. Tafeln, die zu gegebenen Argumentwerten den Funktionswert
liefern, indem er dabei die Anzahl der möglichen Argumentwerte klein,
höchstens gleich 8 annimmt. Für den Fall von nur 4 Argumentwerten
stellt er die sämtlichen 576 Funktionstafeln auf, die bei eindeutigen
Umkehrungen möglich sind, und für den Fall von acht Argumentwerten
solche Tafeln, die gegebenen Funktionalgleichungen genügen, während
sie bei weniger als acht Werten unmöglich sind. Bei all diesen Unter-
suchungen zeigt Schröder eine grosse Gewandtheit in der Behandlung
kombinatorischer Probleme, wie er solche auch in einigen speziellen
Abhandlungen untersucht hat. Einige habe ich schon früher erwähnt.
In einer anderen (21) bestimmt er die Anzahl der Substitutionen, welche
in eine gegebene Zahl von Zyklen zerfallen. Bei all diesen Problemen
kommt ihm seine Übung in der Benützung der Ubbo Meyer’schen
Fakultäten-Koeffizienten, von denen schon früher die Rede war, zugute.

Während seines Aufenthaltes in Baden-Baden begann Schröder
auch die Erlernung der russischen Sprache und benutzte seine freie
Zeit, um die schöne Umgebung der berühmten Bäderstadt nach allen
Richtungen hin in tüchtigen Fussmärschen, auf denen ich ihn öfter
begleitete, kennen zu lernen.

Seine mathematischen Arbeiten bewirkten, dass er im Jahre 1874
nach Darmstadt an die technische Hochschule als ordentlicher Professor
der Mathematik berufen wurde. Im Jahre 1876 folgte er einem Rufe
an die technische Hochschule nach Karlsruhe; hier lehrte er, seiner
Neigung entsprechend, die Fächer der Arithmetik, Trigonometrie und
höheren Analysis. In dieser Stellung blieb er, später zum Hofrat er-
nannt, bis zu seinem Tode. Das Vertrauen seiner Kollegen berief ihn
im Jahre 1890 zum Direktor des Polytechnikums, während er dem
Senat der Hochschule wiederholt angehört hatte.

Unter den Arbeiten, die er in Darmstadt und Karlsruhe veröffent-
lichte, verdient neben den sofort zu besprechenden besonders die über
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[IX/0021] Von J. Lüroth. Insbesondere beschäftigte ihn ein System von 990 Gleichungen, die in der Gesamtheit von 7342 möglichen Gleichungen eine hervor- ragende Rolle spielen und deren Struktur er eingehend untersucht. Um die Möglichkeit der Algorithmen oder Kalkule und ihre Unabhängig- keit von einander zu beweisen, wendet er zwei Mittel an. Er kon- struirt Lösungen mit Hilfe der gewöhnlichen mathematischen Formeln, indem er einen Bruch, dessen Zähler und Nenner bilineare Funktionen von zwei Veränderlichen sind, so einrichtet, dass er die gegebene Funktionalgleichung erfüllt. Ferner konstruirt er Funktionstafeln, d. h. Tafeln, die zu gegebenen Argumentwerten den Funktionswert liefern, indem er dabei die Anzahl der möglichen Argumentwerte klein, höchstens gleich 8 annimmt. Für den Fall von nur 4 Argumentwerten stellt er die sämtlichen 576 Funktionstafeln auf, die bei eindeutigen Umkehrungen möglich sind, und für den Fall von acht Argumentwerten solche Tafeln, die gegebenen Funktionalgleichungen genügen, während sie bei weniger als acht Werten unmöglich sind. Bei all diesen Unter- suchungen zeigt Schröder eine grosse Gewandtheit in der Behandlung kombinatorischer Probleme, wie er solche auch in einigen speziellen Abhandlungen untersucht hat. Einige habe ich schon früher erwähnt. In einer anderen (21) bestimmt er die Anzahl der Substitutionen, welche in eine gegebene Zahl von Zyklen zerfallen. Bei all diesen Problemen kommt ihm seine Übung in der Benützung der Ubbo Meyer’schen Fakultäten-Koeffizienten, von denen schon früher die Rede war, zugute. Während seines Aufenthaltes in Baden-Baden begann Schröder auch die Erlernung der russischen Sprache und benutzte seine freie Zeit, um die schöne Umgebung der berühmten Bäderstadt nach allen Richtungen hin in tüchtigen Fussmärschen, auf denen ich ihn öfter begleitete, kennen zu lernen. Seine mathematischen Arbeiten bewirkten, dass er im Jahre 1874 nach Darmstadt an die technische Hochschule als ordentlicher Professor der Mathematik berufen wurde. Im Jahre 1876 folgte er einem Rufe an die technische Hochschule nach Karlsruhe; hier lehrte er, seiner Neigung entsprechend, die Fächer der Arithmetik, Trigonometrie und höheren Analysis. In dieser Stellung blieb er, später zum Hofrat er- nannt, bis zu seinem Tode. Das Vertrauen seiner Kollegen berief ihn im Jahre 1890 zum Direktor des Polytechnikums, während er dem Senat der Hochschule wiederholt angehört hatte. Unter den Arbeiten, die er in Darmstadt und Karlsruhe veröffent- lichte, verdient neben den sofort zu besprechenden besonders die über „Ein auf die Einheitswurzeln bezügliches Theorem der Funktionen

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/21>, abgerufen am 28.03.2024.