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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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Von J. Lüroth.
bekannter Schrift "Was sind und was sollen die Zahlen" enthalten ist,
im Gewande des Relativkalkuls. Er weist zunächst nach, dass die
wichtigsten Sätze Dedekinds als allgemeine Sätze über Relative unter
der Geltung gewisser Prämissen erscheinen. Dann aber zeigt er, dass
sich die Theorie noch wesentlich vereinfachen lasse.

Weitere Studien betreffen die Mengen oder Systeme von Individuen,
die man auch als Relative auffassen kann, und deren Abbildung auf
einander, wobei die von Cantor und von Dedekind eingeführten Be-
griffe der Gleichmächtigkeit und Ähnlichkeit, die auf der eindeutigen
Abbildung beruhen, zur Sprache kommen. Schröder formulirt die
nötigen Definitionen durch Beziehungen zwischen Relativen, die ge-
statten, daraus Sätze abzuleiten, ohne dass man nötig hat, auf die
Individuen zurückzugehen. Weitere Anwendungen werden endlich noch
gemacht auf den Begriff der Funktion und den der Substitution. Als
eine Fortsetzung der zuletzt erwähnten Untersuchung erscheinen zwei
Abhandlungen (36, 37, 38) aus dem Jahre 1896, die allerdings erst 1898
erschienen sind. In der einen vergleicht Schröder eine von Peirce
herrührende Definition der Endlichkeit eines Systems mit der Dedekind-
schen Definition der Unendlichkeit und zeigt durch Rechnung, dass die
eine die Negirung der andern ist. Im Anschluss daran beweist er vier
von den fünf Sätzen, die Cantor über Mengen von gleicher Mächtig-
keit aufgestellt hat, ohne dass er dabei von den transfiniten Zahlen
Gebrauch machen muss. Den fünften Satz allerdings konnte er damals
noch nicht herleiten.

In der zweiten stellt er mit Hilfe der Relativoperationen die Be-
dingung her, dass zwei Relative, die Systeme sind, gleich viele Indi-
viduen enthalten und ferner die Bedingung, dass die Anzahl dieser
Individuen 0, 1, 2 oder 3 ist.

Durch diese Relativoperationen, glaubt Schröder, sei ein wesent-
licher Schritt vorwärts gethan nach dem Ziel einer allgemeinen Pasi-
graphie, nach einer allgemein verständlichen, von den nationalen Sprachen
unabhängigen Zeichensprache zur Darstellung wissenschaftlicher Er-
örterungen. Dass die Peirce'sche, von ihm verbesserte Zeichensprache
des Relativkalkuls neben dem Aussagenkalkul dies eher zu leisten im-
stande ist als die Symbole Peano's und seiner Schüler, ist wol sicher.
Ob aber das Schrödersche Ideal, wie er es in einer geistvollen Karls-
ruher Rektoratsrede über das Zeichen (31) und einem Vortrag auf dem
Züricher Mathematikerkongress (39 und 40) hingestellt hat, sich ver-
wirklichen wird, muss zur Zeit dahingestellt bleiben.

Schröder hat in seinem grossen Werke über Logik eine ganz

Von J. Lüroth.
bekannter Schrift „Was sind und was sollen die Zahlen“ enthalten ist,
im Gewande des Relativkalkuls. Er weist zunächst nach, dass die
wichtigsten Sätze Dedekinds als allgemeine Sätze über Relative unter
der Geltung gewisser Prämissen erscheinen. Dann aber zeigt er, dass
sich die Theorie noch wesentlich vereinfachen lasse.

Weitere Studien betreffen die Mengen oder Systeme von Individuen,
die man auch als Relative auffassen kann, und deren Abbildung auf
einander, wobei die von Cantor und von Dedekind eingeführten Be-
griffe der Gleichmächtigkeit und Ähnlichkeit, die auf der eindeutigen
Abbildung beruhen, zur Sprache kommen. Schröder formulirt die
nötigen Definitionen durch Beziehungen zwischen Relativen, die ge-
statten, daraus Sätze abzuleiten, ohne dass man nötig hat, auf die
Individuen zurückzugehen. Weitere Anwendungen werden endlich noch
gemacht auf den Begriff der Funktion und den der Substitution. Als
eine Fortsetzung der zuletzt erwähnten Untersuchung erscheinen zwei
Abhandlungen (36, 37, 38) aus dem Jahre 1896, die allerdings erst 1898
erschienen sind. In der einen vergleicht Schröder eine von Peirce
herrührende Definition der Endlichkeit eines Systems mit der Dedekind-
schen Definition der Unendlichkeit und zeigt durch Rechnung, dass die
eine die Negirung der andern ist. Im Anschluss daran beweist er vier
von den fünf Sätzen, die Cantor über Mengen von gleicher Mächtig-
keit aufgestellt hat, ohne dass er dabei von den transfiniten Zahlen
Gebrauch machen muss. Den fünften Satz allerdings konnte er damals
noch nicht herleiten.

In der zweiten stellt er mit Hilfe der Relativoperationen die Be-
dingung her, dass zwei Relative, die Systeme sind, gleich viele Indi-
viduen enthalten und ferner die Bedingung, dass die Anzahl dieser
Individuen 0, 1, 2 oder 3 ist.

Durch diese Relativoperationen, glaubt Schröder, sei ein wesent-
licher Schritt vorwärts gethan nach dem Ziel einer allgemeinen Pasi-
graphie, nach einer allgemein verständlichen, von den nationalen Sprachen
unabhängigen Zeichensprache zur Darstellung wissenschaftlicher Er-
örterungen. Dass die Peirce’sche, von ihm verbesserte Zeichensprache
des Relativkalkuls neben dem Aussagenkalkul dies eher zu leisten im-
stande ist als die Symbole Peano’s und seiner Schüler, ist wol sicher.
Ob aber das Schrödersche Ideal, wie er es in einer geistvollen Karls-
ruher Rektoratsrede über das Zeichen (31) und einem Vortrag auf dem
Züricher Mathematikerkongress (39 und 40) hingestellt hat, sich ver-
wirklichen wird, muss zur Zeit dahingestellt bleiben.

Schröder hat in seinem grossen Werke über Logik eine ganz

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[XV/0027] Von J. Lüroth. bekannter Schrift „Was sind und was sollen die Zahlen“ enthalten ist, im Gewande des Relativkalkuls. Er weist zunächst nach, dass die wichtigsten Sätze Dedekinds als allgemeine Sätze über Relative unter der Geltung gewisser Prämissen erscheinen. Dann aber zeigt er, dass sich die Theorie noch wesentlich vereinfachen lasse. Weitere Studien betreffen die Mengen oder Systeme von Individuen, die man auch als Relative auffassen kann, und deren Abbildung auf einander, wobei die von Cantor und von Dedekind eingeführten Be- griffe der Gleichmächtigkeit und Ähnlichkeit, die auf der eindeutigen Abbildung beruhen, zur Sprache kommen. Schröder formulirt die nötigen Definitionen durch Beziehungen zwischen Relativen, die ge- statten, daraus Sätze abzuleiten, ohne dass man nötig hat, auf die Individuen zurückzugehen. Weitere Anwendungen werden endlich noch gemacht auf den Begriff der Funktion und den der Substitution. Als eine Fortsetzung der zuletzt erwähnten Untersuchung erscheinen zwei Abhandlungen (36, 37, 38) aus dem Jahre 1896, die allerdings erst 1898 erschienen sind. In der einen vergleicht Schröder eine von Peirce herrührende Definition der Endlichkeit eines Systems mit der Dedekind- schen Definition der Unendlichkeit und zeigt durch Rechnung, dass die eine die Negirung der andern ist. Im Anschluss daran beweist er vier von den fünf Sätzen, die Cantor über Mengen von gleicher Mächtig- keit aufgestellt hat, ohne dass er dabei von den transfiniten Zahlen Gebrauch machen muss. Den fünften Satz allerdings konnte er damals noch nicht herleiten. In der zweiten stellt er mit Hilfe der Relativoperationen die Be- dingung her, dass zwei Relative, die Systeme sind, gleich viele Indi- viduen enthalten und ferner die Bedingung, dass die Anzahl dieser Individuen 0, 1, 2 oder 3 ist. Durch diese Relativoperationen, glaubt Schröder, sei ein wesent- licher Schritt vorwärts gethan nach dem Ziel einer allgemeinen Pasi- graphie, nach einer allgemein verständlichen, von den nationalen Sprachen unabhängigen Zeichensprache zur Darstellung wissenschaftlicher Er- örterungen. Dass die Peirce’sche, von ihm verbesserte Zeichensprache des Relativkalkuls neben dem Aussagenkalkul dies eher zu leisten im- stande ist als die Symbole Peano’s und seiner Schüler, ist wol sicher. Ob aber das Schrödersche Ideal, wie er es in einer geistvollen Karls- ruher Rektoratsrede über das Zeichen (31) und einem Vortrag auf dem Züricher Mathematikerkongress (39 und 40) hingestellt hat, sich ver- wirklichen wird, muss zur Zeit dahingestellt bleiben. Schröder hat in seinem grossen Werke über Logik eine ganz

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/27>, abgerufen am 25.04.2024.