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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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ausserordentliche Menge von mühevoller Arbeit und von höchst scharf-
sinnigen Untersuchungen niedergelegt. Nur kann man vielleicht sagen,
dass er dem Leser etwas zuviel dargeboten hat. Auch war er zu sehr
systematisirender Mathematiker, dem es Freude machte, innerhalb eines
gegebenen Rahmens alle Möglichkeiten zu erörtern und alle sich darbieten-
den Fragen zu lösen. Es ist schade, dass er uns die zweite Abteilung
des dritten Bandes nicht mehr geben konnte, er hätte uns dann vielleicht
an einfacheren Beispielen und Aufgaben, als die oben erwähnten sind,
die Nützlichkeit der Lehre von den Relativen gezeigt. Was die Zu-
kunft dieser logischen Disziplinen angeht, so glaube ich nicht, dass die
enthusiastischen Hoffnungen, denen Schröder so oft Ausdruck gab,
sich in Bälde erfüllen werden. Mir scheint es von Wichtigkeit zu sein,
dass Aufgaben gefunden werden, die nicht künstlich gemacht sind, die
sich aber durch den Logikkalkul in einfacherer Weise lösen lassen, als
dies die gewöhnlichen Methoden gestatten.

Um sich bei den anstrengenden Arbeiten zu zerstreuen, trieb
Schröder während seines Karlsruher Aufenthaltes eifrig Sprachstudien.
Er vervollkommnete sich im Englischen und lernte das Spanische.
Daneben beschäftigte er sich viel mit der Blumenzucht, der er viel
von seiner Zeit widmete. Er hatte sich dabei sehr eingehende botanische
Kenntnisse angeeignet und grosse Übung in Behandlung der Pflanzen
erlangt, so dass seine Pflanzen, obgleich er bei seiner Junggesellen-
wohnung kein Treibhaus und keinen Garten hatte, gut gediehen. Wie
früher trieb er auch den Sport eifrig. Neben Schwimmen und Schlitt-
schuhlaufen, denen er von jeher gehuldigt hatte, übte er einige Jahre
das Reiten. Später wurde er ein überaus enthusiastischer Radfahrer,
da er hierdurch in kurzer Zeit sich kräftig ausarbeiten und nicht nach-
denken könne. Freilich glaube ich, dass später für ihn der Genuss
mehr darin bestand, viele Kilometer in möglichst kurzer Zeit zu durch-
messen, als behaglich durch eine schöne Gegend zu fahren. Wenige
Tage vor seinem Tode soll er noch eine grosse Radtour gemacht haben,
und manche seiner Kollegen glauben, dass eine Erkältung, die er sich
dabei holte, die tödliche Krankheit verursacht habe. Im Winter
1901--2, wo er das sechzigste Lebensjahr schon überschritten hatte,
find er noch den jüngsten Sport, das Skilaufen, an.

Als ich Schröder im März 1902 zum letzten Male sah und ihn
von seinen Ski- und Radtouren erzählen hörte, machte er noch in
jeder Beziehung den Eindruck eines überaus rüstigen Mannes, dem
man ein langes Leben prophezeit hätte. Merkwürdig war mir nur in
den letzten Jahren seines Lebens erschienen, dass die mit dem Leben

Ernst Schröder †.
ausserordentliche Menge von mühevoller Arbeit und von höchst scharf-
sinnigen Untersuchungen niedergelegt. Nur kann man vielleicht sagen,
dass er dem Leser etwas zuviel dargeboten hat. Auch war er zu sehr
systematisirender Mathematiker, dem es Freude machte, innerhalb eines
gegebenen Rahmens alle Möglichkeiten zu erörtern und alle sich darbieten-
den Fragen zu lösen. Es ist schade, dass er uns die zweite Abteilung
des dritten Bandes nicht mehr geben konnte, er hätte uns dann vielleicht
an einfacheren Beispielen und Aufgaben, als die oben erwähnten sind,
die Nützlichkeit der Lehre von den Relativen gezeigt. Was die Zu-
kunft dieser logischen Disziplinen angeht, so glaube ich nicht, dass die
enthusiastischen Hoffnungen, denen Schröder so oft Ausdruck gab,
sich in Bälde erfüllen werden. Mir scheint es von Wichtigkeit zu sein,
dass Aufgaben gefunden werden, die nicht künstlich gemacht sind, die
sich aber durch den Logikkalkul in einfacherer Weise lösen lassen, als
dies die gewöhnlichen Methoden gestatten.

Um sich bei den anstrengenden Arbeiten zu zerstreuen, trieb
Schröder während seines Karlsruher Aufenthaltes eifrig Sprachstudien.
Er vervollkommnete sich im Englischen und lernte das Spanische.
Daneben beschäftigte er sich viel mit der Blumenzucht, der er viel
von seiner Zeit widmete. Er hatte sich dabei sehr eingehende botanische
Kenntnisse angeeignet und grosse Übung in Behandlung der Pflanzen
erlangt, so dass seine Pflanzen, obgleich er bei seiner Junggesellen-
wohnung kein Treibhaus und keinen Garten hatte, gut gediehen. Wie
früher trieb er auch den Sport eifrig. Neben Schwimmen und Schlitt-
schuhlaufen, denen er von jeher gehuldigt hatte, übte er einige Jahre
das Reiten. Später wurde er ein überaus enthusiastischer Radfahrer,
da er hierdurch in kurzer Zeit sich kräftig ausarbeiten und nicht nach-
denken könne. Freilich glaube ich, dass später für ihn der Genuss
mehr darin bestand, viele Kilometer in möglichst kurzer Zeit zu durch-
messen, als behaglich durch eine schöne Gegend zu fahren. Wenige
Tage vor seinem Tode soll er noch eine grosse Radtour gemacht haben,
und manche seiner Kollegen glauben, dass eine Erkältung, die er sich
dabei holte, die tödliche Krankheit verursacht habe. Im Winter
1901—2, wo er das sechzigste Lebensjahr schon überschritten hatte,
find er noch den jüngsten Sport, das Skilaufen, an.

Als ich Schröder im März 1902 zum letzten Male sah und ihn
von seinen Ski- und Radtouren erzählen hörte, machte er noch in
jeder Beziehung den Eindruck eines überaus rüstigen Mannes, dem
man ein langes Leben prophezeit hätte. Merkwürdig war mir nur in
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[XVI/0028] Ernst Schröder †. ausserordentliche Menge von mühevoller Arbeit und von höchst scharf- sinnigen Untersuchungen niedergelegt. Nur kann man vielleicht sagen, dass er dem Leser etwas zuviel dargeboten hat. Auch war er zu sehr systematisirender Mathematiker, dem es Freude machte, innerhalb eines gegebenen Rahmens alle Möglichkeiten zu erörtern und alle sich darbieten- den Fragen zu lösen. Es ist schade, dass er uns die zweite Abteilung des dritten Bandes nicht mehr geben konnte, er hätte uns dann vielleicht an einfacheren Beispielen und Aufgaben, als die oben erwähnten sind, die Nützlichkeit der Lehre von den Relativen gezeigt. Was die Zu- kunft dieser logischen Disziplinen angeht, so glaube ich nicht, dass die enthusiastischen Hoffnungen, denen Schröder so oft Ausdruck gab, sich in Bälde erfüllen werden. Mir scheint es von Wichtigkeit zu sein, dass Aufgaben gefunden werden, die nicht künstlich gemacht sind, die sich aber durch den Logikkalkul in einfacherer Weise lösen lassen, als dies die gewöhnlichen Methoden gestatten. Um sich bei den anstrengenden Arbeiten zu zerstreuen, trieb Schröder während seines Karlsruher Aufenthaltes eifrig Sprachstudien. Er vervollkommnete sich im Englischen und lernte das Spanische. Daneben beschäftigte er sich viel mit der Blumenzucht, der er viel von seiner Zeit widmete. Er hatte sich dabei sehr eingehende botanische Kenntnisse angeeignet und grosse Übung in Behandlung der Pflanzen erlangt, so dass seine Pflanzen, obgleich er bei seiner Junggesellen- wohnung kein Treibhaus und keinen Garten hatte, gut gediehen. Wie früher trieb er auch den Sport eifrig. Neben Schwimmen und Schlitt- schuhlaufen, denen er von jeher gehuldigt hatte, übte er einige Jahre das Reiten. Später wurde er ein überaus enthusiastischer Radfahrer, da er hierdurch in kurzer Zeit sich kräftig ausarbeiten und nicht nach- denken könne. Freilich glaube ich, dass später für ihn der Genuss mehr darin bestand, viele Kilometer in möglichst kurzer Zeit zu durch- messen, als behaglich durch eine schöne Gegend zu fahren. Wenige Tage vor seinem Tode soll er noch eine grosse Radtour gemacht haben, und manche seiner Kollegen glauben, dass eine Erkältung, die er sich dabei holte, die tödliche Krankheit verursacht habe. Im Winter 1901—2, wo er das sechzigste Lebensjahr schon überschritten hatte, find er noch den jüngsten Sport, das Skilaufen, an. Als ich Schröder im März 1902 zum letzten Male sah und ihn von seinen Ski- und Radtouren erzählen hörte, machte er noch in jeder Beziehung den Eindruck eines überaus rüstigen Mannes, dem man ein langes Leben prophezeit hätte. Merkwürdig war mir nur in den letzten Jahren seines Lebens erschienen, dass die mit dem Leben

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. XVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/28>, abgerufen am 25.04.2024.