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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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Fünfundzwanzigste Vorlesung.

Anstatt die Individuen einer Klasse generell zusammenzufassen, behufs
distributiver Verwendung des die Klasse kennzeichnenden Namens, kann
man sie auch kollektiv zusammenfassen zu einem Systeme, einem Gebiete
oder einer Menge, u. s. w; m. a. W. man kann auch die Klasse als
ein Ganzes denken, von dem Individuen und Unterklassen die Teile
vorstellen. So war der Klassenkalkul zugleich ein "Gebietekalkul"
oder ein "Kalkul mit Systemen", der sich durch Diagramme oder
Figuren leicht veranschaulichen liess und deshalb propädeutisch in den
Vordergrund gestellt wurde.

Auf den elementaren wird als ein höherer Teil (mit Bd. 3) zu
folgen haben: die Logik der Beziehungen überhaupt. Auch diese hat --
zum voraus sei es gesagt -- ihre Entwicklung allein gefunden als eine
Umfangslogik, und zwar vornehmlich durch die Leistungen von A. De
Morgan
und Ch. S. Peirce, durch welche sich die Disziplin zu einer
"Algebra der Relative" gestaltete. Ein "Relativ", wie "Ursache von --",
"Teiler von --", etc. ist der Umfang des zugehörigen (relativen) Be-
griffes.

Das Verhältniss der Theorie der Relative zum elementaren Teile der
Logik weist viele Analogien auf mit dem Verhältnisse der höhern Analysis,
der Infinitesimalrechnung, zur sogenannten niedern, der Arithmetik und
Algebra u. s. w., namentlich im Hinblick auf die vergleichende Wertschätzung
und den Umfang der Anwendungssphäre beider Disziplinen, deren eine hier
wie dort eine Tochterdisziplin der andern ist. Obendrein ist aber in den
logischen Disziplinen auch die Wurzel der arithmetischen zu suchen. Von
der (Beziehungen -) Logik hat nämlich die Logik der Beziehungen des ein-
deutigen Entsprechens
, der Zuordnung oder Abbildung schon weitaus die
reichste Entfaltung gewonnen in Gestalt der Arithmetik, Analysis und
Funktionenlehre selbst, d. i. der reinen Mathematik (im engsten Sinne).
Dagegen bleibt noch nachzuweisen deren Ursprung in der allgemeinen
Logik (der Relative), -- ein Nachweis, den unser dritter Band -- neben
anderm -- zu liefern unternimmt.

Im elementaren Teil unterschieden wir zwei Etappen oder Stufen.

Auf ihrer ersten Stufe besitzt die Umfangslogik der absoluten
Begriffe als Beziehungszeichen nur das Subsumtions- und das Gleich-
heitszeichen, nicht aber deren Verneinungen; sie entbehrt hier noch
einer sozusagen "verneinenden Kopula."

Demzufolge sind ihr ausschliesslich zugänglich: die (bejahenden
und verneinenden) universalen Urteile, und, als wesentlich auf dasselbe
hinauslaufend, auch die verneinenden Existenzialurteile. Man kann die
erste Logikstufe geradezu als die Logik der universalen Urteile (inner-
halb des elementaren Teiles natürlich) bezeichnen. Ihr war unser Bd. 1
ausschliesslich gewidmet.

Fünfundzwanzigste Vorlesung.

Anstatt die Individuen einer Klasse generell zusammenzufassen, behufs
distributiver Verwendung des die Klasse kennzeichnenden Namens, kann
man sie auch kollektiv zusammenfassen zu einem Systeme, einem Gebiete
oder einer Menge, u. s. w; m. a. W. man kann auch die Klasse als
ein Ganzes denken, von dem Individuen und Unterklassen die Teile
vorstellen. So war der Klassenkalkul zugleich ein „Gebietekalkul“
oder ein „Kalkul mit Systemen“, der sich durch Diagramme oder
Figuren leicht veranschaulichen liess und deshalb propädeutisch in den
Vordergrund gestellt wurde.

Auf den elementaren wird als ein höherer Teil (mit Bd. 3) zu
folgen haben: die Logik der Beziehungen überhaupt. Auch diese hat —
zum voraus sei es gesagt — ihre Entwicklung allein gefunden als eine
Umfangslogik, und zwar vornehmlich durch die Leistungen von A. De
Morgan
und Ch. S. Peirce, durch welche sich die Disziplin zu einer
Algebra der Relative“ gestaltete. Ein „Relativ“, wie „Ursache von —“,
„Teiler von —“, etc. ist der Umfang des zugehörigen (relativen) Be-
griffes.

Das Verhältniss der Theorie der Relative zum elementaren Teile der
Logik weist viele Analogien auf mit dem Verhältnisse der höhern Analysis,
der Infinitesimalrechnung, zur sogenannten niedern, der Arithmetik und
Algebra u. s. w., namentlich im Hinblick auf die vergleichende Wertschätzung
und den Umfang der Anwendungssphäre beider Disziplinen, deren eine hier
wie dort eine Tochterdisziplin der andern ist. Obendrein ist aber in den
logischen Disziplinen auch die Wurzel der arithmetischen zu suchen. Von
der (Beziehungen -) Logik hat nämlich die Logik der Beziehungen des ein-
deutigen Entsprechens
, der Zuordnung oder Abbildung schon weitaus die
reichste Entfaltung gewonnen in Gestalt der Arithmetik, Analysis und
Funktionenlehre selbst, d. i. der reinen Mathematik (im engsten Sinne).
Dagegen bleibt noch nachzuweisen deren Ursprung in der allgemeinen
Logik (der Relative), — ein Nachweis, den unser dritter Band — neben
anderm — zu liefern unternimmt.

Im elementaren Teil unterschieden wir zwei Etappen oder Stufen.

Auf ihrer ersten Stufe besitzt die Umfangslogik der absoluten
Begriffe als Beziehungszeichen nur das Subsumtions- und das Gleich-
heitszeichen, nicht aber deren Verneinungen; sie entbehrt hier noch
einer sozusagen „verneinenden Kopula.“

Demzufolge sind ihr ausschliesslich zugänglich: die (bejahenden
und verneinenden) universalen Urteile, und, als wesentlich auf dasselbe
hinauslaufend, auch die verneinenden Existenzialurteile. Man kann die
erste Logikstufe geradezu als die Logik der universalen Urteile (inner-
halb des elementaren Teiles natürlich) bezeichnen. Ihr war unser Bd. 1
ausschliesslich gewidmet.

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[438/0082] Fünfundzwanzigste Vorlesung. Anstatt die Individuen einer Klasse generell zusammenzufassen, behufs distributiver Verwendung des die Klasse kennzeichnenden Namens, kann man sie auch kollektiv zusammenfassen zu einem Systeme, einem Gebiete oder einer Menge, u. s. w; m. a. W. man kann auch die Klasse als ein Ganzes denken, von dem Individuen und Unterklassen die Teile vorstellen. So war der Klassenkalkul zugleich ein „Gebietekalkul“ oder ein „Kalkul mit Systemen“, der sich durch Diagramme oder Figuren leicht veranschaulichen liess und deshalb propädeutisch in den Vordergrund gestellt wurde. Auf den elementaren wird als ein höherer Teil (mit Bd. 3) zu folgen haben: die Logik der Beziehungen überhaupt. Auch diese hat — zum voraus sei es gesagt — ihre Entwicklung allein gefunden als eine Umfangslogik, und zwar vornehmlich durch die Leistungen von A. De Morgan und Ch. S. Peirce, durch welche sich die Disziplin zu einer „Algebra der Relative“ gestaltete. Ein „Relativ“, wie „Ursache von —“, „Teiler von —“, etc. ist der Umfang des zugehörigen (relativen) Be- griffes. Das Verhältniss der Theorie der Relative zum elementaren Teile der Logik weist viele Analogien auf mit dem Verhältnisse der höhern Analysis, der Infinitesimalrechnung, zur sogenannten niedern, der Arithmetik und Algebra u. s. w., namentlich im Hinblick auf die vergleichende Wertschätzung und den Umfang der Anwendungssphäre beider Disziplinen, deren eine hier wie dort eine Tochterdisziplin der andern ist. Obendrein ist aber in den logischen Disziplinen auch die Wurzel der arithmetischen zu suchen. Von der (Beziehungen -) Logik hat nämlich die Logik der Beziehungen des ein- deutigen Entsprechens, der Zuordnung oder Abbildung schon weitaus die reichste Entfaltung gewonnen in Gestalt der Arithmetik, Analysis und Funktionenlehre selbst, d. i. der reinen Mathematik (im engsten Sinne). Dagegen bleibt noch nachzuweisen deren Ursprung in der allgemeinen Logik (der Relative), — ein Nachweis, den unser dritter Band — neben anderm — zu liefern unternimmt. Im elementaren Teil unterschieden wir zwei Etappen oder Stufen. Auf ihrer ersten Stufe besitzt die Umfangslogik der absoluten Begriffe als Beziehungszeichen nur das Subsumtions- und das Gleich- heitszeichen, nicht aber deren Verneinungen; sie entbehrt hier noch einer sozusagen „verneinenden Kopula.“ Demzufolge sind ihr ausschliesslich zugänglich: die (bejahenden und verneinenden) universalen Urteile, und, als wesentlich auf dasselbe hinauslaufend, auch die verneinenden Existenzialurteile. Man kann die erste Logikstufe geradezu als die Logik der universalen Urteile (inner- halb des elementaren Teiles natürlich) bezeichnen. Ihr war unser Bd. 1 ausschliesslich gewidmet.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/82>, abgerufen am 29.03.2024.