Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

man schwarz gemacht, selbst den Fußboden. Der Sonnenschein war hinausgesperrt, das bißchen Licht in dem großen Saal war künstlich und strömte von den Wachskerzen aus, die den Sarg umstanden. Emma war zu Mute, als hätte von da an der Sonnenschein nie mehr den Weg zu ihr gefunden, und als wäre alles Licht, das noch manchmal ihr Leben aufgehellt hatte, künstliches Licht gewesen.

Man hatte ihr ein schwarzes Kleid angezogen, vor dem sie sich gefürchtet, gegen das sie sich gewehrt hatte. Es hatte sich um ihre Glieder gelegt wie eine drückende, einengende, hemmende Last. Das schwarze Kleid hatte sie abgelegt, die Last trug sie noch heute. Nur war sie schwerer geworden mit den Jahren.

Dann kam das Leben in San Vitale, das Heranwachsen des von Natur aus verschlossenen, in sich gekehrten Kindes, voll uneingestandener Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Teilnahme zwischen einem in seinen Sorgen vertieften Vater und einer bezahlten Erzieherin.

Das Leben in San Vitale, dem finsteren Schloß, das sich, eine Art Festung, auf einem Felsen an der Küste von Kalabrien erhob, aus Marmor und Granit zusammengetürmt, des künstlerischen Schmuckes weder äußerlich noch innerlich entbehrend, aber kahl, traurig, mit alten römischen Kaiserbüsten in den Gängen und mit sich über den verblaßten Fresken der Wände niederwölbenden,

man schwarz gemacht, selbst den Fußboden. Der Sonnenschein war hinausgesperrt, das bißchen Licht in dem großen Saal war künstlich und strömte von den Wachskerzen aus, die den Sarg umstanden. Emma war zu Mute, als hätte von da an der Sonnenschein nie mehr den Weg zu ihr gefunden, und als wäre alles Licht, das noch manchmal ihr Leben aufgehellt hatte, künstliches Licht gewesen.

Man hatte ihr ein schwarzes Kleid angezogen, vor dem sie sich gefürchtet, gegen das sie sich gewehrt hatte. Es hatte sich um ihre Glieder gelegt wie eine drückende, einengende, hemmende Last. Das schwarze Kleid hatte sie abgelegt, die Last trug sie noch heute. Nur war sie schwerer geworden mit den Jahren.

Dann kam das Leben in San Vitale, das Heranwachsen des von Natur aus verschlossenen, in sich gekehrten Kindes, voll uneingestandener Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Teilnahme zwischen einem in seinen Sorgen vertieften Vater und einer bezahlten Erzieherin.

Das Leben in San Vitale, dem finsteren Schloß, das sich, eine Art Festung, auf einem Felsen an der Küste von Kalabrien erhob, aus Marmor und Granit zusammengetürmt, des künstlerischen Schmuckes weder äußerlich noch innerlich entbehrend, aber kahl, traurig, mit alten römischen Kaiserbüsten in den Gängen und mit sich über den verblaßten Fresken der Wände niederwölbenden,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" n="29"/>
man schwarz gemacht, selbst den Fußboden. Der Sonnenschein war hinausgesperrt, das bißchen Licht in dem großen Saal war künstlich und strömte von den Wachskerzen aus, die den Sarg umstanden. Emma war zu Mute, als hätte von da an der Sonnenschein nie mehr den Weg zu ihr gefunden, und als wäre alles Licht, das noch manchmal ihr Leben aufgehellt hatte, künstliches Licht gewesen.</p>
        <p>Man hatte ihr ein schwarzes Kleid angezogen, vor dem sie sich gefürchtet, gegen das sie sich gewehrt hatte. Es hatte sich um ihre Glieder gelegt wie eine drückende, einengende, hemmende Last. Das schwarze Kleid hatte sie abgelegt, die Last trug sie noch heute. Nur war sie schwerer geworden mit den Jahren.</p>
        <p>Dann kam das Leben in San Vitale, das Heranwachsen des von Natur aus verschlossenen, in sich gekehrten Kindes, voll uneingestandener Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Teilnahme zwischen einem in seinen Sorgen vertieften Vater und einer bezahlten Erzieherin.</p>
        <p>Das Leben in San Vitale, dem finsteren Schloß, das sich, eine Art Festung, auf einem Felsen an der Küste von Kalabrien erhob, aus Marmor und Granit zusammengetürmt, des künstlerischen Schmuckes weder äußerlich noch innerlich entbehrend, aber kahl, traurig, mit alten römischen Kaiserbüsten in den Gängen und mit sich über den verblaßten Fresken der Wände niederwölbenden,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0029] man schwarz gemacht, selbst den Fußboden. Der Sonnenschein war hinausgesperrt, das bißchen Licht in dem großen Saal war künstlich und strömte von den Wachskerzen aus, die den Sarg umstanden. Emma war zu Mute, als hätte von da an der Sonnenschein nie mehr den Weg zu ihr gefunden, und als wäre alles Licht, das noch manchmal ihr Leben aufgehellt hatte, künstliches Licht gewesen. Man hatte ihr ein schwarzes Kleid angezogen, vor dem sie sich gefürchtet, gegen das sie sich gewehrt hatte. Es hatte sich um ihre Glieder gelegt wie eine drückende, einengende, hemmende Last. Das schwarze Kleid hatte sie abgelegt, die Last trug sie noch heute. Nur war sie schwerer geworden mit den Jahren. Dann kam das Leben in San Vitale, das Heranwachsen des von Natur aus verschlossenen, in sich gekehrten Kindes, voll uneingestandener Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Teilnahme zwischen einem in seinen Sorgen vertieften Vater und einer bezahlten Erzieherin. Das Leben in San Vitale, dem finsteren Schloß, das sich, eine Art Festung, auf einem Felsen an der Küste von Kalabrien erhob, aus Marmor und Granit zusammengetürmt, des künstlerischen Schmuckes weder äußerlich noch innerlich entbehrend, aber kahl, traurig, mit alten römischen Kaiserbüsten in den Gängen und mit sich über den verblaßten Fresken der Wände niederwölbenden,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Majuskelschreibweise Ae, Oe, Ue wird als Ä, Ö, Ü wiedergegeben.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/29
Zitationshilfe: Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/29>, abgerufen am 23.04.2024.