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Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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bis er zu seinem Entsetzen inne wurde, daß die Hof-Cavaliere ihm seine sämmtlichen Renten aus den Händen gespielt, der Rittmeister durch seine natürliche Magie Aecker und Wiesen in Rauch aufgehen lassen und der Krautjunker an die Stelle von Habe und Gut ihm eine höchst übelriechende Sammlung von nichtsnutzigen Sperbern und Käuzen hinterlassen hatte.

In dieser Lage begann er nachzudenken und seinen Geist auf die Betrachtung seiner häuslichen nicht nur, sondern auch der allgemeinen Weltzustände zu richten, die er plötzlich höchst unnatürlich und widersinnig fand. Es gibt Lagen im Leben, in welchen man sich im Stande fühlt, mit großem Vergnügen und unbedingter Heiterkeit dem ganzen Aufbau der menschlichen Gesellschaft mit einem Fußtritt den Garaus zu machen, wenn dies denkbarerweise irgend möglich wäre. Aber Herr von Windschrot mußte mehr thun, als sich solchen angenehmen, seiner Stimmung zusagenden Phantasieen hingeben: er mußte handeln. Um eine Anleihe zu bewerkstelligen, begab er sich in die Heimat seiner schönsten Jugenderinnerungen, seiner Pagenstreiche nämlich, nach Mainz. Aus der Anleihe wurde hier nun freilich nichts, da weder Christ noch Jude sich geneigt finden ließ, auf die zu Grunde gewirthschaftete Windschrot'sche Baronie sein gutes Geld herzugeben. Aber der plötzlich in so staunenswerthem Grade erweiterten socialen und politischen Intelligenz unseres Mannes kam hier ein Kreis von Leuten entgegen, welche für den Baron

bis er zu seinem Entsetzen inne wurde, daß die Hof-Cavaliere ihm seine sämmtlichen Renten aus den Händen gespielt, der Rittmeister durch seine natürliche Magie Aecker und Wiesen in Rauch aufgehen lassen und der Krautjunker an die Stelle von Habe und Gut ihm eine höchst übelriechende Sammlung von nichtsnutzigen Sperbern und Käuzen hinterlassen hatte.

In dieser Lage begann er nachzudenken und seinen Geist auf die Betrachtung seiner häuslichen nicht nur, sondern auch der allgemeinen Weltzustände zu richten, die er plötzlich höchst unnatürlich und widersinnig fand. Es gibt Lagen im Leben, in welchen man sich im Stande fühlt, mit großem Vergnügen und unbedingter Heiterkeit dem ganzen Aufbau der menschlichen Gesellschaft mit einem Fußtritt den Garaus zu machen, wenn dies denkbarerweise irgend möglich wäre. Aber Herr von Windschrot mußte mehr thun, als sich solchen angenehmen, seiner Stimmung zusagenden Phantasieen hingeben: er mußte handeln. Um eine Anleihe zu bewerkstelligen, begab er sich in die Heimat seiner schönsten Jugenderinnerungen, seiner Pagenstreiche nämlich, nach Mainz. Aus der Anleihe wurde hier nun freilich nichts, da weder Christ noch Jude sich geneigt finden ließ, auf die zu Grunde gewirthschaftete Windschrot'sche Baronie sein gutes Geld herzugeben. Aber der plötzlich in so staunenswerthem Grade erweiterten socialen und politischen Intelligenz unseres Mannes kam hier ein Kreis von Leuten entgegen, welche für den Baron

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:53:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:53:40Z)

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Zitationshilfe: Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/24>, abgerufen am 25.04.2024.