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Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ein Opfer, das den Zorn des Schicksals, welches uns verfolgt, versöhnen muß; ich will mich tief erniedrigen, ich will zum Ellenritter werden! aber fern, fern von hier, wo Niemand meinen Namen kennt; ich will wie ein schmutziger Wucherer, wie ein Jude auf Gewinn ausgehen; ich will meine Seele verkaufen, wenn mir einer Geld dafür giebt, Geld, Geld, viel Geld! Glaubst du nicht, daß es mir gelinge? O, es steckt ein geheimer magnetischer Zug im Gelde, der es dahin führt, wo man es liebt! Ich will nach Batavia gehen. Dort sterbe ich -- und daran liegt mir nichts -- oder ich bin reich nach fünf Jahren, und dann kehre ich heim und bezahle die Schulden meines Vaters, die uns hier mitten im Besitze einer solchen Baronie zu verachteten Bettlern machen. Ja, bei Gott -- ich will sehen, ob ich den Namen und die Ehre meines Hauses wieder zu dem stolzen Glanze bringen kann, den sie so viele Generationen hindurch gehabt haben und der in diesem schmachvollen Jahrhundert sich verdunkelt, sobald der Glanz des Geldes sich nicht mehr damit paart!

Von diesem abenteuerlichen Plan vermochte Leonore ihren Bruder nicht mehr abzubringen. Die Tante Stiftsdame mußte eine Summe Geldes dazu herschaffen und brachte außerdem einige Empfehlungsschreiben an holländische Häuser zusammen. Joseph reis'te damit wirklich ab. Er ging aus der Heimat fort, ohne von seinem Vater Abschied genommen zu haben. Dieser schlug ihm erleichtert ein Kreuz nach und war froh,

ein Opfer, das den Zorn des Schicksals, welches uns verfolgt, versöhnen muß; ich will mich tief erniedrigen, ich will zum Ellenritter werden! aber fern, fern von hier, wo Niemand meinen Namen kennt; ich will wie ein schmutziger Wucherer, wie ein Jude auf Gewinn ausgehen; ich will meine Seele verkaufen, wenn mir einer Geld dafür giebt, Geld, Geld, viel Geld! Glaubst du nicht, daß es mir gelinge? O, es steckt ein geheimer magnetischer Zug im Gelde, der es dahin führt, wo man es liebt! Ich will nach Batavia gehen. Dort sterbe ich — und daran liegt mir nichts — oder ich bin reich nach fünf Jahren, und dann kehre ich heim und bezahle die Schulden meines Vaters, die uns hier mitten im Besitze einer solchen Baronie zu verachteten Bettlern machen. Ja, bei Gott — ich will sehen, ob ich den Namen und die Ehre meines Hauses wieder zu dem stolzen Glanze bringen kann, den sie so viele Generationen hindurch gehabt haben und der in diesem schmachvollen Jahrhundert sich verdunkelt, sobald der Glanz des Geldes sich nicht mehr damit paart!

Von diesem abenteuerlichen Plan vermochte Leonore ihren Bruder nicht mehr abzubringen. Die Tante Stiftsdame mußte eine Summe Geldes dazu herschaffen und brachte außerdem einige Empfehlungsschreiben an holländische Häuser zusammen. Joseph reis'te damit wirklich ab. Er ging aus der Heimat fort, ohne von seinem Vater Abschied genommen zu haben. Dieser schlug ihm erleichtert ein Kreuz nach und war froh,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:53:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:53:40Z)

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Zitationshilfe: Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/29>, abgerufen am 19.04.2024.