Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Jüngern kleiden sich allerdings besser,
aber doch nur immer so, daß es allenfalls in
Leipzig und Dresden, aber nicht einmal in
Berlin und München, noch weniger in Wien
und Warschau, für ihren Stand hingehen
könnte. Den Anstand und das ungezwungene
Wesen der Weiber aus den höhern Klassen
in Berlin, Wien und Warschau sucht man
hier vergebens; desto sichtbarer wird dagegen
ein gewisses steifes, kleinstädtisches Benehmen,
welches selbst ein hier sehr häufiger schöner
Wuchs und ein großes, schwarzes Auge nicht
verstecken können.

Jn Rücksicht der körperlichen Bildung
scheint der veronesische Adel von einer ganz
andern Völkerschaft zu stammen, als der ve-
ronesische Bürger und gemeine Mann. Man
sieht unter demselben viel große, wohlgebauete
Figuren, mit ausdrucksvollen, männlichen Ge-
sichtern, einem feinen Mund und einer statt-
lichen Habichtsnase. Die Gesichtsfarbe fällt
mehr ins Braune, läßt aber in den oberen

Die Juͤngern kleiden ſich allerdings beſſer,
aber doch nur immer ſo, daß es allenfalls in
Leipzig und Dresden, aber nicht einmal in
Berlin und Muͤnchen, noch weniger in Wien
und Warſchau, fuͤr ihren Stand hingehen
koͤnnte. Den Anſtand und das ungezwungene
Weſen der Weiber aus den hoͤhern Klaſſen
in Berlin, Wien und Warſchau ſucht man
hier vergebens; deſto ſichtbarer wird dagegen
ein gewiſſes ſteifes, kleinſtaͤdtiſches Benehmen,
welches ſelbſt ein hier ſehr haͤufiger ſchoͤner
Wuchs und ein großes, ſchwarzes Auge nicht
verſtecken koͤnnen.

Jn Ruͤckſicht der koͤrperlichen Bildung
ſcheint der veroneſiſche Adel von einer ganz
andern Voͤlkerſchaft zu ſtammen, als der ve-
roneſiſche Buͤrger und gemeine Mann. Man
ſieht unter demſelben viel große, wohlgebauete
Figuren, mit ausdrucksvollen, maͤnnlichen Ge-
ſichtern, einem feinen Mund und einer ſtatt-
lichen Habichtsnaſe. Die Geſichtsfarbe faͤllt
mehr ins Braune, laͤßt aber in den oberen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0135" n="127"/>
Die Ju&#x0364;ngern kleiden &#x017F;ich allerdings be&#x017F;&#x017F;er,<lb/>
aber doch nur immer &#x017F;o, daß es allenfalls in<lb/>
Leipzig und Dresden, aber nicht einmal in<lb/>
Berlin und Mu&#x0364;nchen, noch weniger in Wien<lb/>
und War&#x017F;chau, fu&#x0364;r ihren Stand hingehen<lb/>
ko&#x0364;nnte. Den An&#x017F;tand und das ungezwungene<lb/>
We&#x017F;en der Weiber aus den ho&#x0364;hern Kla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
in Berlin, Wien und War&#x017F;chau &#x017F;ucht man<lb/>
hier vergebens; de&#x017F;to &#x017F;ichtbarer wird dagegen<lb/>
ein gewi&#x017F;&#x017F;es &#x017F;teifes, klein&#x017F;ta&#x0364;dti&#x017F;ches Benehmen,<lb/>
welches &#x017F;elb&#x017F;t ein hier &#x017F;ehr ha&#x0364;ufiger &#x017F;cho&#x0364;ner<lb/>
Wuchs und ein großes, &#x017F;chwarzes Auge nicht<lb/>
ver&#x017F;tecken ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p>Jn Ru&#x0364;ck&#x017F;icht der ko&#x0364;rperlichen Bildung<lb/>
&#x017F;cheint der verone&#x017F;i&#x017F;che Adel von einer ganz<lb/>
andern Vo&#x0364;lker&#x017F;chaft zu &#x017F;tammen, als der ve-<lb/>
rone&#x017F;i&#x017F;che Bu&#x0364;rger und gemeine Mann. Man<lb/>
&#x017F;ieht unter dem&#x017F;elben viel große, wohlgebauete<lb/>
Figuren, mit ausdrucksvollen, ma&#x0364;nnlichen Ge-<lb/>
&#x017F;ichtern, einem feinen Mund und einer &#x017F;tatt-<lb/>
lichen Habichtsna&#x017F;e. Die Ge&#x017F;ichtsfarbe fa&#x0364;llt<lb/>
mehr ins Braune, la&#x0364;ßt aber in den oberen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0135] Die Juͤngern kleiden ſich allerdings beſſer, aber doch nur immer ſo, daß es allenfalls in Leipzig und Dresden, aber nicht einmal in Berlin und Muͤnchen, noch weniger in Wien und Warſchau, fuͤr ihren Stand hingehen koͤnnte. Den Anſtand und das ungezwungene Weſen der Weiber aus den hoͤhern Klaſſen in Berlin, Wien und Warſchau ſucht man hier vergebens; deſto ſichtbarer wird dagegen ein gewiſſes ſteifes, kleinſtaͤdtiſches Benehmen, welches ſelbſt ein hier ſehr haͤufiger ſchoͤner Wuchs und ein großes, ſchwarzes Auge nicht verſtecken koͤnnen. Jn Ruͤckſicht der koͤrperlichen Bildung ſcheint der veroneſiſche Adel von einer ganz andern Voͤlkerſchaft zu ſtammen, als der ve- roneſiſche Buͤrger und gemeine Mann. Man ſieht unter demſelben viel große, wohlgebauete Figuren, mit ausdrucksvollen, maͤnnlichen Ge- ſichtern, einem feinen Mund und einer ſtatt- lichen Habichtsnaſe. Die Geſichtsfarbe faͤllt mehr ins Braune, laͤßt aber in den oberen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschiene… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/135
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/135>, abgerufen am 05.05.2024.