Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

außerordentlich gut; der Pferdewechsel dauert
nie über fünf Minuten; und ein hiesiger Post-
knecht würde es für eine Schande halten, seine
Rosse auch nur einmal aus dem raschesten Trabe
kommen zu lassen.

Da die Straße auch hier schnurgerade gezo-
gen ist, so sieht man Mayland lange vor sich,
ehe man hinein kömmt. Der Thurm des be-
rühmten Doms, oder vielmehr die Spitze (ai-
guille
) desselben, ragt über die anderen Thürme
-- nicht majestätisch -- aber höchst jugendlich
und anmuthig hervor, und ihre blendende Weisse,
und ihr durchbrochener, gleichsam in die Luft
zerfließender, zarter Bau, gewährt dem Auge
einen höchst angenehmen Genuß. Jhr Bau-
meister hat in der That weniger gefürchtet, sie
zu mager, als zu plump zu machen.

Beym Eintritt in die Stadt hatte ich eine
lange, breite, aber nicht durch aus gerade, Straße
vor mir, die ich eine Strecke hin noch nicht ge-
pflastert fand, an deren Seiten aber der dazu
nöthige Baustoff schon bereit lag. Die Häuser

außerordentlich gut; der Pferdewechſel dauert
nie uͤber fuͤnf Minuten; und ein hieſiger Poſt-
knecht wuͤrde es fuͤr eine Schande halten, ſeine
Roſſe auch nur einmal aus dem raſcheſten Trabe
kommen zu laſſen.

Da die Straße auch hier ſchnurgerade gezo-
gen iſt, ſo ſieht man Mayland lange vor ſich,
ehe man hinein koͤmmt. Der Thurm des be-
ruͤhmten Doms, oder vielmehr die Spitze (ai-
guille
) deſſelben, ragt uͤber die anderen Thuͤrme
— nicht majeſtaͤtiſch — aber hoͤchſt jugendlich
und anmuthig hervor, und ihre blendende Weiſſe,
und ihr durchbrochener, gleichſam in die Luft
zerfließender, zarter Bau, gewaͤhrt dem Auge
einen hoͤchſt angenehmen Genuß. Jhr Bau-
meiſter hat in der That weniger gefuͤrchtet, ſie
zu mager, als zu plump zu machen.

Beym Eintritt in die Stadt hatte ich eine
lange, breite, aber nicht durch aus gerade, Straße
vor mir, die ich eine Strecke hin noch nicht ge-
pflaſtert fand, an deren Seiten aber der dazu
noͤthige Bauſtoff ſchon bereit lag. Die Haͤuſer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0263" n="255"/>
außerordentlich gut; der Pferdewech&#x017F;el dauert<lb/>
nie u&#x0364;ber fu&#x0364;nf Minuten; und ein hie&#x017F;iger Po&#x017F;t-<lb/>
knecht wu&#x0364;rde es fu&#x0364;r eine Schande halten, &#x017F;eine<lb/>
Ro&#x017F;&#x017F;e auch nur einmal aus dem ra&#x017F;che&#x017F;ten Trabe<lb/>
kommen zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Da die Straße auch hier &#x017F;chnurgerade gezo-<lb/>
gen i&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;ieht man Mayland lange vor &#x017F;ich,<lb/>
ehe man hinein ko&#x0364;mmt. Der Thurm des be-<lb/>
ru&#x0364;hmten Doms, oder vielmehr die Spitze (<hi rendition="#aq">ai-<lb/>
guille</hi>) de&#x017F;&#x017F;elben, ragt u&#x0364;ber die anderen Thu&#x0364;rme<lb/>
&#x2014; nicht maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;ch &#x2014; aber ho&#x0364;ch&#x017F;t jugendlich<lb/>
und anmuthig hervor, und ihre blendende Wei&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
und ihr durchbrochener, gleich&#x017F;am in die Luft<lb/>
zerfließender, zarter Bau, gewa&#x0364;hrt dem Auge<lb/>
einen ho&#x0364;ch&#x017F;t angenehmen Genuß. Jhr Bau-<lb/>
mei&#x017F;ter hat in der That weniger gefu&#x0364;rchtet, &#x017F;ie<lb/>
zu mager, als zu plump zu machen.</p><lb/>
          <p>Beym Eintritt in die Stadt hatte ich eine<lb/>
lange, breite, aber nicht durch aus gerade, Straße<lb/>
vor mir, die ich eine Strecke hin noch nicht ge-<lb/>
pfla&#x017F;tert fand, an deren Seiten aber der dazu<lb/>
no&#x0364;thige Bau&#x017F;toff &#x017F;chon bereit lag. Die Ha&#x0364;u&#x017F;er<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0263] außerordentlich gut; der Pferdewechſel dauert nie uͤber fuͤnf Minuten; und ein hieſiger Poſt- knecht wuͤrde es fuͤr eine Schande halten, ſeine Roſſe auch nur einmal aus dem raſcheſten Trabe kommen zu laſſen. Da die Straße auch hier ſchnurgerade gezo- gen iſt, ſo ſieht man Mayland lange vor ſich, ehe man hinein koͤmmt. Der Thurm des be- ruͤhmten Doms, oder vielmehr die Spitze (ai- guille) deſſelben, ragt uͤber die anderen Thuͤrme — nicht majeſtaͤtiſch — aber hoͤchſt jugendlich und anmuthig hervor, und ihre blendende Weiſſe, und ihr durchbrochener, gleichſam in die Luft zerfließender, zarter Bau, gewaͤhrt dem Auge einen hoͤchſt angenehmen Genuß. Jhr Bau- meiſter hat in der That weniger gefuͤrchtet, ſie zu mager, als zu plump zu machen. Beym Eintritt in die Stadt hatte ich eine lange, breite, aber nicht durch aus gerade, Straße vor mir, die ich eine Strecke hin noch nicht ge- pflaſtert fand, an deren Seiten aber der dazu noͤthige Bauſtoff ſchon bereit lag. Die Haͤuſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschiene… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/263
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/263>, abgerufen am 04.05.2024.