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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

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scheinen, findet man daran nicht. Das Ganze
gewährt einen sehr heitern, freyen Anblick,
den die neuere Baukunst immerhin einen kah-
len
nennen mag, und Höhe und Umfang sind
der Lage und Bestimmung so angemessen, daß
dem Gefühle der Paßlichkeit nicht die mindeste
Gewalt angethan wird. Der Garten ist klein,
Französisch und kalt, aber seine Umgebungen
sind desto lebendiger. Man tritt nämlich aus
demselben in ein großes Rasenfeld, das mit
stattlichen Bäumen bepflanzt, mit künstlichen
Erhöhungen und Vertiefungen durchschnitten
und von einem dichten, romantischen Thier-
garten begränzt ist, in welchem eine Menge
von Rehen und Tannhirschen spielen, die
hier, in einem Umfange von drittehalb Mei-
len, kaum fühlen können, daß sie ihre Freyheit
verloren haben. Die Kunst hat hier der Na-
tur fast unmerklich nachgeholfen und beyde be-
finden sich sehr wohl dabey. Unter andern
stößt man auf eine Allee, die ich, so schön
gesehen zu haben, mich nicht erinnere; und

ſcheinen, findet man daran nicht. Das Ganze
gewaͤhrt einen ſehr heitern, freyen Anblick,
den die neuere Baukunſt immerhin einen kah-
len
nennen mag, und Hoͤhe und Umfang ſind
der Lage und Beſtimmung ſo angemeſſen, daß
dem Gefuͤhle der Paßlichkeit nicht die mindeſte
Gewalt angethan wird. Der Garten iſt klein,
Franzoͤſiſch und kalt, aber ſeine Umgebungen
ſind deſto lebendiger. Man tritt naͤmlich aus
demſelben in ein großes Raſenfeld, das mit
ſtattlichen Baͤumen bepflanzt, mit kuͤnſtlichen
Erhoͤhungen und Vertiefungen durchſchnitten
und von einem dichten, romantiſchen Thier-
garten begraͤnzt iſt, in welchem eine Menge
von Rehen und Tannhirſchen ſpielen, die
hier, in einem Umfange von drittehalb Mei-
len, kaum fuͤhlen koͤnnen, daß ſie ihre Freyheit
verloren haben. Die Kunſt hat hier der Na-
tur faſt unmerklich nachgeholfen und beyde be-
finden ſich ſehr wohl dabey. Unter andern
ſtoͤßt man auf eine Allee, die ich, ſo ſchoͤn
geſehen zu haben, mich nicht erinnere; und

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[48/0066] ſcheinen, findet man daran nicht. Das Ganze gewaͤhrt einen ſehr heitern, freyen Anblick, den die neuere Baukunſt immerhin einen kah- len nennen mag, und Hoͤhe und Umfang ſind der Lage und Beſtimmung ſo angemeſſen, daß dem Gefuͤhle der Paßlichkeit nicht die mindeſte Gewalt angethan wird. Der Garten iſt klein, Franzoͤſiſch und kalt, aber ſeine Umgebungen ſind deſto lebendiger. Man tritt naͤmlich aus demſelben in ein großes Raſenfeld, das mit ſtattlichen Baͤumen bepflanzt, mit kuͤnſtlichen Erhoͤhungen und Vertiefungen durchſchnitten und von einem dichten, romantiſchen Thier- garten begraͤnzt iſt, in welchem eine Menge von Rehen und Tannhirſchen ſpielen, die hier, in einem Umfange von drittehalb Mei- len, kaum fuͤhlen koͤnnen, daß ſie ihre Freyheit verloren haben. Die Kunſt hat hier der Na- tur faſt unmerklich nachgeholfen und beyde be- finden ſich ſehr wohl dabey. Unter andern ſtoͤßt man auf eine Allee, die ich, ſo ſchoͤn geſehen zu haben, mich nicht erinnere; und

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/66>, abgerufen am 29.04.2024.