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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

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ich sage dieß, ohne durch die schauerliche Däm-
merung, während welcher ich sie sah, ohne
durch den eigensinnig - abwechselnden Nachti-
gallengesang, der mich dort entzückte, gewon-
nen zu seyn. Jch fühlte mein Herz, nach ei-
ner Reihe von erkältenden und verengenden
Geschäften, zum erstenmal wieder erwärmt
und erweitert, und alle die Saiten auf einmal
wieder angezogen, mit deren Erschlaffung ein
großer Theil meiner Gesundheit und ein klei-
nerer Theil meiner Heiterkeit verloren gegan-
gen war.

Das Jnnere des Schlosses ist ziemlich leer
und etwas vernachläßigt, seitdem die Besitze-
rin in Warschau lebt; indessen fehlt es nicht
an schönen Zimmern und Sälen, die man auf
diesem Flecke zwischen Petersburg und War-
schau nicht zu finden vermuthet.

Jch fuhr denselben Abend noch weiter nach
Woyszk (3 M.) und Bielsk, (2 M.) und
fand den Weg immer noch sehr einförmig,
fast durchgehends sandigt, waldigt, übrigens

D

ich ſage dieß, ohne durch die ſchauerliche Daͤm-
merung, waͤhrend welcher ich ſie ſah, ohne
durch den eigenſinnig - abwechſelnden Nachti-
gallengeſang, der mich dort entzuͤckte, gewon-
nen zu ſeyn. Jch fuͤhlte mein Herz, nach ei-
ner Reihe von erkaͤltenden und verengenden
Geſchaͤften, zum erſtenmal wieder erwaͤrmt
und erweitert, und alle die Saiten auf einmal
wieder angezogen, mit deren Erſchlaffung ein
großer Theil meiner Geſundheit und ein klei-
nerer Theil meiner Heiterkeit verloren gegan-
gen war.

Das Jnnere des Schloſſes iſt ziemlich leer
und etwas vernachlaͤßigt, ſeitdem die Beſitze-
rin in Warſchau lebt; indeſſen fehlt es nicht
an ſchoͤnen Zimmern und Saͤlen, die man auf
dieſem Flecke zwiſchen Petersburg und War-
ſchau nicht zu finden vermuthet.

Jch fuhr denſelben Abend noch weiter nach
Woyszk (3 M.) und Bielsk, (2 M.) und
fand den Weg immer noch ſehr einfoͤrmig,
faſt durchgehends ſandigt, waldigt, uͤbrigens

D
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[49/0067] ich ſage dieß, ohne durch die ſchauerliche Daͤm- merung, waͤhrend welcher ich ſie ſah, ohne durch den eigenſinnig - abwechſelnden Nachti- gallengeſang, der mich dort entzuͤckte, gewon- nen zu ſeyn. Jch fuͤhlte mein Herz, nach ei- ner Reihe von erkaͤltenden und verengenden Geſchaͤften, zum erſtenmal wieder erwaͤrmt und erweitert, und alle die Saiten auf einmal wieder angezogen, mit deren Erſchlaffung ein großer Theil meiner Geſundheit und ein klei- nerer Theil meiner Heiterkeit verloren gegan- gen war. Das Jnnere des Schloſſes iſt ziemlich leer und etwas vernachlaͤßigt, ſeitdem die Beſitze- rin in Warſchau lebt; indeſſen fehlt es nicht an ſchoͤnen Zimmern und Saͤlen, die man auf dieſem Flecke zwiſchen Petersburg und War- ſchau nicht zu finden vermuthet. Jch fuhr denſelben Abend noch weiter nach Woyszk (3 M.) und Bielsk, (2 M.) und fand den Weg immer noch ſehr einfoͤrmig, faſt durchgehends ſandigt, waldigt, uͤbrigens D

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/67>, abgerufen am 29.04.2024.