Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

standen 2000 Russen, und ich mußte mir, von
dem Thore an, die Begleitung eines Russi-
schen Korporals bis zur Regimentskanzley ge-
fallen lassen, wo man in der That nur mei-
nen Namen wissen wollte. Da ich in einem
Lande geboren bin, wo man die soldatische
Ordnung nicht für Sklaverey hält, so ist mir
diese, wie andre ähnliche Maßregeln, nicht im
mindesten aufgefallen; aber in Polen macht
man sie zu einem Gegenstande ängstlicher Be-
schwerden und rechnet sie zu den Dingen,
welche nur ein offenbarer Krieg entschuldigen
könnte. Man schließe aus diesem Zuge, von
welcher Natur der Begriff ist, den man sich
hier gemeiniglich von Freyheit macht. Wie
kann er aber auch vielseitiger seyn, da er nur
auf einen Ausschuß von kleinen unumschränk-
ten Herren zu passen braucht, die den Grund-
satz: wir sind frey für Euch alle, bey
dem Kern ihrer eigenen Nation mit der Peit-
sche geltend zu machen pflegen?

ſtanden 2000 Ruſſen, und ich mußte mir, von
dem Thore an, die Begleitung eines Ruſſi-
ſchen Korporals bis zur Regimentskanzley ge-
fallen laſſen, wo man in der That nur mei-
nen Namen wiſſen wollte. Da ich in einem
Lande geboren bin, wo man die ſoldatiſche
Ordnung nicht fuͤr Sklaverey haͤlt, ſo iſt mir
dieſe, wie andre aͤhnliche Maßregeln, nicht im
mindeſten aufgefallen; aber in Polen macht
man ſie zu einem Gegenſtande aͤngſtlicher Be-
ſchwerden und rechnet ſie zu den Dingen,
welche nur ein offenbarer Krieg entſchuldigen
koͤnnte. Man ſchließe aus dieſem Zuge, von
welcher Natur der Begriff iſt, den man ſich
hier gemeiniglich von Freyheit macht. Wie
kann er aber auch vielſeitiger ſeyn, da er nur
auf einen Ausſchuß von kleinen unumſchraͤnk-
ten Herren zu paſſen braucht, die den Grund-
ſatz: wir ſind frey fuͤr Euch alle, bey
dem Kern ihrer eigenen Nation mit der Peit-
ſche geltend zu machen pflegen?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0074" n="56"/>
&#x017F;tanden 2000 Ru&#x017F;&#x017F;en, und ich mußte mir, von<lb/>
dem Thore an, die Begleitung eines Ru&#x017F;&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;chen Korporals bis zur Regimentskanzley ge-<lb/>
fallen la&#x017F;&#x017F;en, wo man in der That nur mei-<lb/>
nen Namen wi&#x017F;&#x017F;en wollte. Da ich in einem<lb/>
Lande geboren bin, wo man die &#x017F;oldati&#x017F;che<lb/>
Ordnung nicht fu&#x0364;r Sklaverey ha&#x0364;lt, &#x017F;o i&#x017F;t mir<lb/>
die&#x017F;e, wie andre a&#x0364;hnliche Maßregeln, nicht im<lb/>
minde&#x017F;ten aufgefallen; aber in Polen macht<lb/>
man &#x017F;ie zu einem Gegen&#x017F;tande a&#x0364;ng&#x017F;tlicher Be-<lb/>
&#x017F;chwerden und rechnet &#x017F;ie zu den Dingen,<lb/>
welche nur ein offenbarer Krieg ent&#x017F;chuldigen<lb/>
ko&#x0364;nnte. Man &#x017F;chließe aus die&#x017F;em Zuge, von<lb/>
welcher Natur der Begriff i&#x017F;t, den man &#x017F;ich<lb/>
hier gemeiniglich von Freyheit macht. Wie<lb/>
kann er aber auch viel&#x017F;eitiger &#x017F;eyn, da er nur<lb/>
auf einen Aus&#x017F;chuß von kleinen unum&#x017F;chra&#x0364;nk-<lb/>
ten Herren zu pa&#x017F;&#x017F;en braucht, die den Grund-<lb/>
&#x017F;atz: <hi rendition="#g">wir &#x017F;ind frey fu&#x0364;r Euch alle</hi>, bey<lb/>
dem Kern ihrer eigenen Nation mit der Peit-<lb/>
&#x017F;che geltend zu machen pflegen?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0074] ſtanden 2000 Ruſſen, und ich mußte mir, von dem Thore an, die Begleitung eines Ruſſi- ſchen Korporals bis zur Regimentskanzley ge- fallen laſſen, wo man in der That nur mei- nen Namen wiſſen wollte. Da ich in einem Lande geboren bin, wo man die ſoldatiſche Ordnung nicht fuͤr Sklaverey haͤlt, ſo iſt mir dieſe, wie andre aͤhnliche Maßregeln, nicht im mindeſten aufgefallen; aber in Polen macht man ſie zu einem Gegenſtande aͤngſtlicher Be- ſchwerden und rechnet ſie zu den Dingen, welche nur ein offenbarer Krieg entſchuldigen koͤnnte. Man ſchließe aus dieſem Zuge, von welcher Natur der Begriff iſt, den man ſich hier gemeiniglich von Freyheit macht. Wie kann er aber auch vielſeitiger ſeyn, da er nur auf einen Ausſchuß von kleinen unumſchraͤnk- ten Herren zu paſſen braucht, die den Grund- ſatz: wir ſind frey fuͤr Euch alle, bey dem Kern ihrer eigenen Nation mit der Peit- ſche geltend zu machen pflegen?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/74
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/74>, abgerufen am 29.04.2024.