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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

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armen Menschen nicht ein, die Bezahlung da-
für von dem Reisenden zu fordern, nach der
zudringlichen Weise der Preußischen und Säch-
sischen Postknechte. Unter den Lithauischen
habe ich keinen einzigen Versoffenen gefunden.

Die Postmeister sind die gefälligsten Leute
von der Welt; der Pferdewechsel dauert nicht
zehn Minuten. Da die Pferde des Som-
mers zu zwanzig und dreyßig Stück um die
Post her weiden, so ist ein Stoß in
das Horn von Seiten des ankommenden
Knechtes genug, um die Hüter zu benachrich-
tigen. Sie werden von der Weide sogleich
vor den Wagen getrieben, und da man nichts
von Kumten weiß, sondern ihnen bloß eine Art
von Schlinge, woran die Stränge befindlich
sind, umhängt, so ist alles in wenig Augen-
blicken gethan, und man fährt weiter.

Daß man die Landessprache nicht versteht,
stört nicht. Man merke sich nur aus derselben
das Wort Pferd und ein Paar Zahlen,
weiter bedarf es nichts. Das Geld lernt man

armen Menſchen nicht ein, die Bezahlung da-
fuͤr von dem Reiſenden zu fordern, nach der
zudringlichen Weiſe der Preußiſchen und Saͤch-
ſiſchen Poſtknechte. Unter den Lithauiſchen
habe ich keinen einzigen Verſoffenen gefunden.

Die Poſtmeiſter ſind die gefaͤlligſten Leute
von der Welt; der Pferdewechſel dauert nicht
zehn Minuten. Da die Pferde des Som-
mers zu zwanzig und dreyßig Stuͤck um die
Poſt her weiden, ſo iſt ein Stoß in
das Horn von Seiten des ankommenden
Knechtes genug, um die Huͤter zu benachrich-
tigen. Sie werden von der Weide ſogleich
vor den Wagen getrieben, und da man nichts
von Kumten weiß, ſondern ihnen bloß eine Art
von Schlinge, woran die Straͤnge befindlich
ſind, umhaͤngt, ſo iſt alles in wenig Augen-
blicken gethan, und man faͤhrt weiter.

Daß man die Landesſprache nicht verſteht,
ſtoͤrt nicht. Man merke ſich nur aus derſelben
das Wort Pferd und ein Paar Zahlen,
weiter bedarf es nichts. Das Geld lernt man

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[60/0078] armen Menſchen nicht ein, die Bezahlung da- fuͤr von dem Reiſenden zu fordern, nach der zudringlichen Weiſe der Preußiſchen und Saͤch- ſiſchen Poſtknechte. Unter den Lithauiſchen habe ich keinen einzigen Verſoffenen gefunden. Die Poſtmeiſter ſind die gefaͤlligſten Leute von der Welt; der Pferdewechſel dauert nicht zehn Minuten. Da die Pferde des Som- mers zu zwanzig und dreyßig Stuͤck um die Poſt her weiden, ſo iſt ein Stoß in das Horn von Seiten des ankommenden Knechtes genug, um die Huͤter zu benachrich- tigen. Sie werden von der Weide ſogleich vor den Wagen getrieben, und da man nichts von Kumten weiß, ſondern ihnen bloß eine Art von Schlinge, woran die Straͤnge befindlich ſind, umhaͤngt, ſo iſt alles in wenig Augen- blicken gethan, und man faͤhrt weiter. Daß man die Landesſprache nicht verſteht, ſtoͤrt nicht. Man merke ſich nur aus derſelben das Wort Pferd und ein Paar Zahlen, weiter bedarf es nichts. Das Geld lernt man

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/78>, abgerufen am 29.04.2024.