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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

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in seiner eigenen Wirthschaft, doch bey seinem
Herrn, mit dem er in eben dem Vertrage
steht, worin wir alle mit unsern Pferden und
übrigen arbeitenden Thieren stehen: er giebt
Arbeit für Futter
. Daß es ihm einfallen
sollte zu sparen, Vorrath zu sammeln! Hat
er das seinige aufgezehrt, oder durchgebracht;
so fordert er von seinem Herrn, was er be-
darf, damit er ihm nicht stirbt, und bietet da-
für seinen Rücken dem Kantschu dar. Er will
sich lieber prügeln lassen, als arbeiten, weil er
weiß, daß dies die Losung zu noch stärkern Ar-
beiten seyn würde. So fällt auf seinen Herrn
nicht bloß seine Faulheit zurück, sondern auch
seine verderbte Gemüthsart, die sich, wie alle
Sklavencharaktere, in Heimtücke, Schaden-
freude, List und Betrug zeigt. Jch kann un-
möglich für ein plötzliches Aufheben der Leib-
eigenschaft seyn, weil ich in einem Lande le-
be, wo man sich über dessen Gefährlichkeit
wohl unterrichten kann; aber den Schritt, der
äußerst wohlthätig wäre, könnte man gewiß

E 2

in ſeiner eigenen Wirthſchaft, doch bey ſeinem
Herrn, mit dem er in eben dem Vertrage
ſteht, worin wir alle mit unſern Pferden und
uͤbrigen arbeitenden Thieren ſtehen: er giebt
Arbeit fuͤr Futter
. Daß es ihm einfallen
ſollte zu ſparen, Vorrath zu ſammeln! Hat
er das ſeinige aufgezehrt, oder durchgebracht;
ſo fordert er von ſeinem Herrn, was er be-
darf, damit er ihm nicht ſtirbt, und bietet da-
fuͤr ſeinen Ruͤcken dem Kantſchu dar. Er will
ſich lieber pruͤgeln laſſen, als arbeiten, weil er
weiß, daß dies die Loſung zu noch ſtaͤrkern Ar-
beiten ſeyn wuͤrde. So faͤllt auf ſeinen Herrn
nicht bloß ſeine Faulheit zuruͤck, ſondern auch
ſeine verderbte Gemuͤthsart, die ſich, wie alle
Sklavencharaktere, in Heimtuͤcke, Schaden-
freude, Liſt und Betrug zeigt. Jch kann un-
moͤglich fuͤr ein ploͤtzliches Aufheben der Leib-
eigenſchaft ſeyn, weil ich in einem Lande le-
be, wo man ſich uͤber deſſen Gefaͤhrlichkeit
wohl unterrichten kann; aber den Schritt, der
aͤußerſt wohlthaͤtig waͤre, koͤnnte man gewiß

E 2
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[67/0085] in ſeiner eigenen Wirthſchaft, doch bey ſeinem Herrn, mit dem er in eben dem Vertrage ſteht, worin wir alle mit unſern Pferden und uͤbrigen arbeitenden Thieren ſtehen: er giebt Arbeit fuͤr Futter. Daß es ihm einfallen ſollte zu ſparen, Vorrath zu ſammeln! Hat er das ſeinige aufgezehrt, oder durchgebracht; ſo fordert er von ſeinem Herrn, was er be- darf, damit er ihm nicht ſtirbt, und bietet da- fuͤr ſeinen Ruͤcken dem Kantſchu dar. Er will ſich lieber pruͤgeln laſſen, als arbeiten, weil er weiß, daß dies die Loſung zu noch ſtaͤrkern Ar- beiten ſeyn wuͤrde. So faͤllt auf ſeinen Herrn nicht bloß ſeine Faulheit zuruͤck, ſondern auch ſeine verderbte Gemuͤthsart, die ſich, wie alle Sklavencharaktere, in Heimtuͤcke, Schaden- freude, Liſt und Betrug zeigt. Jch kann un- moͤglich fuͤr ein ploͤtzliches Aufheben der Leib- eigenſchaft ſeyn, weil ich in einem Lande le- be, wo man ſich uͤber deſſen Gefaͤhrlichkeit wohl unterrichten kann; aber den Schritt, der aͤußerſt wohlthaͤtig waͤre, koͤnnte man gewiß E 2

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/85>, abgerufen am 29.04.2024.