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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

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thun, daß man dem Bauer das Fleckchen Lan-
des, das er einmal besitzt, für ihn und seine
Erben auf immer zusicherte. Dann besäße er
in der That eine Art von Eigenthum, das er,
nach dem Maße seiner Thätigkeit, ausbilden
könnte, ohne zu besorgen, daß sodann diese
Thätigkeit ihn um seinen bisherigen Wohnsitz
bringen, und ihn auf einen undankbaren Fleck
verpflanzen würde, den er nun, wie sein Herr
von ihm erwartet, durch seine Arbeit befruch-
ten soll, um sodann von neuem von demselben
weggesetzt zu werden.

Die Dörfer der Lithauer sind im höchsten
Grade armselig. Holz und Stroh ist der
Baustoff; an Schornsteine ist nicht zu denken.
Da sie einzeln ihre Wohnungen liederlich bauen
und an Besserung nicht denken, so ist jedes
Dorf ein Bild der Unordnung und Zerstöh-
rung. Verfaulte Wände und zerlöcherte Dä-
cher sind allen gemein. Jn einigen habe ich
Scheuern gefunden, die nur aus einer gefloch-
tenen Horte bestanden, über die ein verfaultes

thun, daß man dem Bauer das Fleckchen Lan-
des, das er einmal beſitzt, fuͤr ihn und ſeine
Erben auf immer zuſicherte. Dann beſaͤße er
in der That eine Art von Eigenthum, das er,
nach dem Maße ſeiner Thaͤtigkeit, ausbilden
koͤnnte, ohne zu beſorgen, daß ſodann dieſe
Thaͤtigkeit ihn um ſeinen bisherigen Wohnſitz
bringen, und ihn auf einen undankbaren Fleck
verpflanzen wuͤrde, den er nun, wie ſein Herr
von ihm erwartet, durch ſeine Arbeit befruch-
ten ſoll, um ſodann von neuem von demſelben
weggeſetzt zu werden.

Die Doͤrfer der Lithauer ſind im hoͤchſten
Grade armſelig. Holz und Stroh iſt der
Bauſtoff; an Schornſteine iſt nicht zu denken.
Da ſie einzeln ihre Wohnungen liederlich bauen
und an Beſſerung nicht denken, ſo iſt jedes
Dorf ein Bild der Unordnung und Zerſtoͤh-
rung. Verfaulte Waͤnde und zerloͤcherte Daͤ-
cher ſind allen gemein. Jn einigen habe ich
Scheuern gefunden, die nur aus einer gefloch-
tenen Horte beſtanden, uͤber die ein verfaultes

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[68/0086] thun, daß man dem Bauer das Fleckchen Lan- des, das er einmal beſitzt, fuͤr ihn und ſeine Erben auf immer zuſicherte. Dann beſaͤße er in der That eine Art von Eigenthum, das er, nach dem Maße ſeiner Thaͤtigkeit, ausbilden koͤnnte, ohne zu beſorgen, daß ſodann dieſe Thaͤtigkeit ihn um ſeinen bisherigen Wohnſitz bringen, und ihn auf einen undankbaren Fleck verpflanzen wuͤrde, den er nun, wie ſein Herr von ihm erwartet, durch ſeine Arbeit befruch- ten ſoll, um ſodann von neuem von demſelben weggeſetzt zu werden. Die Doͤrfer der Lithauer ſind im hoͤchſten Grade armſelig. Holz und Stroh iſt der Bauſtoff; an Schornſteine iſt nicht zu denken. Da ſie einzeln ihre Wohnungen liederlich bauen und an Beſſerung nicht denken, ſo iſt jedes Dorf ein Bild der Unordnung und Zerſtoͤh- rung. Verfaulte Waͤnde und zerloͤcherte Daͤ- cher ſind allen gemein. Jn einigen habe ich Scheuern gefunden, die nur aus einer gefloch- tenen Horte beſtanden, uͤber die ein verfaultes

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/86>, abgerufen am 29.04.2024.