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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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verboten, dieß Gebiet zu betreten, bevor dem Könige ge¬
meldet wäre, wer sie seyen. Der König von Mysien war
aber selbst ein Grieche, Telephus, der Sohn des Herkules
und der Auge, der nach wunderbaren Schicksalen seine
Mutter bei dem Könige Teuthras in Mysien antraf, des
Königes Tochter Argiope zur Gemahlin erhielt, und nach
dessen Tode König der Mysier geworden war. Die
Griechen, ohne zu fragen, wer der Herr des Landes
wäre, und ohne den Wächtern eine Antwort zu ertheilen,
griffen zu den Waffen, stiegen ans Land und hieben die
Küstenwächter nieder. Wenige entrannen und meldeten
dem Könige Telephus, wie viel tausend unbekannte Feinde
in sein Land gefallen seyen, die Wachen niedergemetzelt
haben und sich jetzt im Besitze des Ufers befinden. Der
König sammelte in aller Eile einen Heerhaufen und ging
den Fremdlingen entgegen. Er selbst war ein herrlicher
Held und seines Vaters Herkules würdig, hatte auch
seine Kriegsschaaren zu griechischer Heereszucht gebildet.
Die Danaer fanden deswegen einen Widerstand, wie sie
ihn nicht erwartet hatten; denn es entspann sich ein blu¬
tiges und lange unentschiedenes Treffen, in welchem sich
Held mit Helden maß. Unter den Griechen that sich in
der Schlacht besonders Thersander hervor, der Enkel des
berühmten Königes Oedipus und Sohn des Polynices,
der vertraute Waffengenosse des Fürsten Diomedes, der
schon als Epigone sich berühmt gemacht hatte*). Dieser
raste in dem Heere des Telephus mit Mord und erschlug
endlich den geliebtesten Freund und ersten Krieger des
Königes an seiner Seite. Darüber entbrannte der König

*) S. Bd. I, S. 379 f.

verboten, dieß Gebiet zu betreten, bevor dem Könige ge¬
meldet wäre, wer ſie ſeyen. Der König von Myſien war
aber ſelbſt ein Grieche, Telephus, der Sohn des Herkules
und der Auge, der nach wunderbaren Schickſalen ſeine
Mutter bei dem Könige Teuthras in Myſien antraf, des
Königes Tochter Argiope zur Gemahlin erhielt, und nach
deſſen Tode König der Myſier geworden war. Die
Griechen, ohne zu fragen, wer der Herr des Landes
wäre, und ohne den Wächtern eine Antwort zu ertheilen,
griffen zu den Waffen, ſtiegen ans Land und hieben die
Küſtenwächter nieder. Wenige entrannen und meldeten
dem Könige Telephus, wie viel tauſend unbekannte Feinde
in ſein Land gefallen ſeyen, die Wachen niedergemetzelt
haben und ſich jetzt im Beſitze des Ufers befinden. Der
König ſammelte in aller Eile einen Heerhaufen und ging
den Fremdlingen entgegen. Er ſelbſt war ein herrlicher
Held und ſeines Vaters Herkules würdig, hatte auch
ſeine Kriegsſchaaren zu griechiſcher Heereszucht gebildet.
Die Danaer fanden deswegen einen Widerſtand, wie ſie
ihn nicht erwartet hatten; denn es entſpann ſich ein blu¬
tiges und lange unentſchiedenes Treffen, in welchem ſich
Held mit Helden maß. Unter den Griechen that ſich in
der Schlacht beſonders Therſander hervor, der Enkel des
berühmten Königes Oedipus und Sohn des Polynices,
der vertraute Waffengenoſſe des Fürſten Diomedes, der
ſchon als Epigone ſich berühmt gemacht hatte*). Dieſer
raste in dem Heere des Telephus mit Mord und erſchlug
endlich den geliebteſten Freund und erſten Krieger des
Königes an ſeiner Seite. Darüber entbrannte der König

*) S. Bd. I, S. 379 f.
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[48/0070] verboten, dieß Gebiet zu betreten, bevor dem Könige ge¬ meldet wäre, wer ſie ſeyen. Der König von Myſien war aber ſelbſt ein Grieche, Telephus, der Sohn des Herkules und der Auge, der nach wunderbaren Schickſalen ſeine Mutter bei dem Könige Teuthras in Myſien antraf, des Königes Tochter Argiope zur Gemahlin erhielt, und nach deſſen Tode König der Myſier geworden war. Die Griechen, ohne zu fragen, wer der Herr des Landes wäre, und ohne den Wächtern eine Antwort zu ertheilen, griffen zu den Waffen, ſtiegen ans Land und hieben die Küſtenwächter nieder. Wenige entrannen und meldeten dem Könige Telephus, wie viel tauſend unbekannte Feinde in ſein Land gefallen ſeyen, die Wachen niedergemetzelt haben und ſich jetzt im Beſitze des Ufers befinden. Der König ſammelte in aller Eile einen Heerhaufen und ging den Fremdlingen entgegen. Er ſelbſt war ein herrlicher Held und ſeines Vaters Herkules würdig, hatte auch ſeine Kriegsſchaaren zu griechiſcher Heereszucht gebildet. Die Danaer fanden deswegen einen Widerſtand, wie ſie ihn nicht erwartet hatten; denn es entſpann ſich ein blu¬ tiges und lange unentſchiedenes Treffen, in welchem ſich Held mit Helden maß. Unter den Griechen that ſich in der Schlacht beſonders Therſander hervor, der Enkel des berühmten Königes Oedipus und Sohn des Polynices, der vertraute Waffengenoſſe des Fürſten Diomedes, der ſchon als Epigone ſich berühmt gemacht hatte *). Dieſer raste in dem Heere des Telephus mit Mord und erſchlug endlich den geliebteſten Freund und erſten Krieger des Königes an ſeiner Seite. Darüber entbrannte der König *) S. Bd. I, S. 379 f.

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/70>, abgerufen am 28.03.2024.