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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
etwa den Auswanderern und Vaganten Nahrungsraum im Inlande zu
verschaffen.1)

Zunächst kommt in Betracht, dass die landwirtschaftliche Benutzung
vieler Forstgrundstücke nur durch den Vorrat an mineralischen Nähr-
stoffen und die günstigen physikalischen Verhältnisse ermöglicht wird,
welche sich im Laufe einer jahrhundertelangen Waldvegetation in den
oberen Bodenschichten gebildet und angesammelt haben. Der schlechte
Zustand vieler der Landwirtschaft überlassenen Rodländereien ist ein
sprechender Beweis hierfür; hier seien u. a. nur die Abfindungsflächen
in den östlichen Provinzen von Preussen erwähnt, welche nach kurzdauern-
der landwirtschaftlicher Benutzung öde liegen geblieben sind und nun-
mehr ein erhebliches Kontingent zu den dortigen Flugsandpartien 2)
liefern; ähnliche Verhältnisse liegen auch im Spessart vor, wo man
früher ebenfalls hoffte, den schlecht situierten Gemeinden durch Über-
lassung von Waldgrund aufhelfen zu können.

Wenn derartige Flächen reich gedüngt würden, so wären sie gewiss
vielfach mit Vorteil dauernd landwirtschaftlich zu benutzen; hieran fehlt
es aber am meisten, und die Bewohner derartiger Gegenden haben in
der Regel ohnehin nicht zu wenig, sondern zu viel Land unter dem
Pfluge, welches bei dem mässigen Boden wegen ungenügenden Düngens
schlechte Ernten liefert.

Aber auch der gute Boden ist nur dann einer lohnenden Bewirt-
schaftung fähig, wenn er nicht zu weit vom Hofe entfernt liegt. Was
nützt der beste Weizenboden in einer Entfernung von 6 km oder noch
mehr vom Wirtschaftszentrum!

Unter solchen Umständen müsste also Hand in Hand mit den
Rodungen die Gründung von Kolonien gehen. Eine erfolgreiche Kolo-
nisation bietet aber auch erhebliche Schwierigkeiten, wie die Berichte
der Ansiedelungskommission in Posen zeigen, wo die Verhältnisse doch

1) An dieser Stelle ist der Antrag Borggreve im Landesökonomiekollegium
1881 zu erwähnen. Derselbe lautete, soweit er hier in Betracht kommt: das Landes-
ökonomiekollegium wolle den Herrn Minister bitten, in ausgedehnterem Masse als bis-
her die Abholzung, Rodung und Verzeitpachtung von nach Lage und Beschaffenheit
zweifellos zur dauernden landwirtschaftlichen Benutzung geeigneten Teilen des
preussischen Staatsforst-Areales in Erwägung zu nehmen und event. zu diesem Behufe
für die einzelnen Regierungsbezirke aus forst-, land- und volkswirtschaftlichen Ver-
trauensmännern zusammengesetzte Kommissionen mit der schleunigen Abgabe von
positiven Vorschlägen über die in erster Linie hierzu geeigneten Flächen und die
lokal geeignetsten Modalitäten der Urbarmachung und Verzeitpachtung zu betrauen.
In den Motiven war die Ausdehnung der demnächst zu rodenden Waldfläche
auf 25--30 Quadratmeilen angegeben. Der Antrag wurde einstimmig abgelehnt. Vgl.
Forstl. Blätter 1881, S. 58 und 210.
2) In den Kreisen Schlochau, Konitz und Berent liegen nach den Ermittelungen
der Generalkommission nicht weniger als 78500 ha devastierter Flächen, welche nun
mit grossen Kosten und Mühen wiederaufgeforstet werden sollen. Zeitschrift für
Forst- und Jagdw. 1892. S. 400.

I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
etwa den Auswanderern und Vaganten Nahrungsraum im Inlande zu
verschaffen.1)

Zunächst kommt in Betracht, daſs die landwirtschaftliche Benutzung
vieler Forstgrundstücke nur durch den Vorrat an mineralischen Nähr-
stoffen und die günstigen physikalischen Verhältnisse ermöglicht wird,
welche sich im Laufe einer jahrhundertelangen Waldvegetation in den
oberen Bodenschichten gebildet und angesammelt haben. Der schlechte
Zustand vieler der Landwirtschaft überlassenen Rodländereien ist ein
sprechender Beweis hierfür; hier seien u. a. nur die Abfindungsflächen
in den östlichen Provinzen von Preuſsen erwähnt, welche nach kurzdauern-
der landwirtschaftlicher Benutzung öde liegen geblieben sind und nun-
mehr ein erhebliches Kontingent zu den dortigen Flugsandpartien 2)
liefern; ähnliche Verhältnisse liegen auch im Spessart vor, wo man
früher ebenfalls hoffte, den schlecht situierten Gemeinden durch Über-
lassung von Waldgrund aufhelfen zu können.

Wenn derartige Flächen reich gedüngt würden, so wären sie gewiſs
vielfach mit Vorteil dauernd landwirtschaftlich zu benutzen; hieran fehlt
es aber am meisten, und die Bewohner derartiger Gegenden haben in
der Regel ohnehin nicht zu wenig, sondern zu viel Land unter dem
Pfluge, welches bei dem mäſsigen Boden wegen ungenügenden Düngens
schlechte Ernten liefert.

Aber auch der gute Boden ist nur dann einer lohnenden Bewirt-
schaftung fähig, wenn er nicht zu weit vom Hofe entfernt liegt. Was
nützt der beste Weizenboden in einer Entfernung von 6 km oder noch
mehr vom Wirtschaftszentrum!

Unter solchen Umständen müſste also Hand in Hand mit den
Rodungen die Gründung von Kolonien gehen. Eine erfolgreiche Kolo-
nisation bietet aber auch erhebliche Schwierigkeiten, wie die Berichte
der Ansiedelungskommission in Posen zeigen, wo die Verhältnisse doch

1) An dieser Stelle ist der Antrag Borggreve im Landesökonomiekollegium
1881 zu erwähnen. Derselbe lautete, soweit er hier in Betracht kommt: das Landes-
ökonomiekollegium wolle den Herrn Minister bitten, in ausgedehnterem Maſse als bis-
her die Abholzung, Rodung und Verzeitpachtung von nach Lage und Beschaffenheit
zweifellos zur dauernden landwirtschaftlichen Benutzung geeigneten Teilen des
preuſsischen Staatsforst-Areales in Erwägung zu nehmen und event. zu diesem Behufe
für die einzelnen Regierungsbezirke aus forst-, land- und volkswirtschaftlichen Ver-
trauensmännern zusammengesetzte Kommissionen mit der schleunigen Abgabe von
positiven Vorschlägen über die in erster Linie hierzu geeigneten Flächen und die
lokal geeignetsten Modalitäten der Urbarmachung und Verzeitpachtung zu betrauen.
In den Motiven war die Ausdehnung der demnächst zu rodenden Waldfläche
auf 25—30 Quadratmeilen angegeben. Der Antrag wurde einstimmig abgelehnt. Vgl.
Forstl. Blätter 1881, S. 58 und 210.
2) In den Kreisen Schlochau, Konitz und Berent liegen nach den Ermittelungen
der Generalkommission nicht weniger als 78500 ha devastierter Flächen, welche nun
mit groſsen Kosten und Mühen wiederaufgeforstet werden sollen. Zeitschrift für
Forst- und Jagdw. 1892. S. 400.
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[87/0105] I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege. etwa den Auswanderern und Vaganten Nahrungsraum im Inlande zu verschaffen. 1) Zunächst kommt in Betracht, daſs die landwirtschaftliche Benutzung vieler Forstgrundstücke nur durch den Vorrat an mineralischen Nähr- stoffen und die günstigen physikalischen Verhältnisse ermöglicht wird, welche sich im Laufe einer jahrhundertelangen Waldvegetation in den oberen Bodenschichten gebildet und angesammelt haben. Der schlechte Zustand vieler der Landwirtschaft überlassenen Rodländereien ist ein sprechender Beweis hierfür; hier seien u. a. nur die Abfindungsflächen in den östlichen Provinzen von Preuſsen erwähnt, welche nach kurzdauern- der landwirtschaftlicher Benutzung öde liegen geblieben sind und nun- mehr ein erhebliches Kontingent zu den dortigen Flugsandpartien 2) liefern; ähnliche Verhältnisse liegen auch im Spessart vor, wo man früher ebenfalls hoffte, den schlecht situierten Gemeinden durch Über- lassung von Waldgrund aufhelfen zu können. Wenn derartige Flächen reich gedüngt würden, so wären sie gewiſs vielfach mit Vorteil dauernd landwirtschaftlich zu benutzen; hieran fehlt es aber am meisten, und die Bewohner derartiger Gegenden haben in der Regel ohnehin nicht zu wenig, sondern zu viel Land unter dem Pfluge, welches bei dem mäſsigen Boden wegen ungenügenden Düngens schlechte Ernten liefert. Aber auch der gute Boden ist nur dann einer lohnenden Bewirt- schaftung fähig, wenn er nicht zu weit vom Hofe entfernt liegt. Was nützt der beste Weizenboden in einer Entfernung von 6 km oder noch mehr vom Wirtschaftszentrum! Unter solchen Umständen müſste also Hand in Hand mit den Rodungen die Gründung von Kolonien gehen. Eine erfolgreiche Kolo- nisation bietet aber auch erhebliche Schwierigkeiten, wie die Berichte der Ansiedelungskommission in Posen zeigen, wo die Verhältnisse doch 1) An dieser Stelle ist der Antrag Borggreve im Landesökonomiekollegium 1881 zu erwähnen. Derselbe lautete, soweit er hier in Betracht kommt: das Landes- ökonomiekollegium wolle den Herrn Minister bitten, in ausgedehnterem Maſse als bis- her die Abholzung, Rodung und Verzeitpachtung von nach Lage und Beschaffenheit zweifellos zur dauernden landwirtschaftlichen Benutzung geeigneten Teilen des preuſsischen Staatsforst-Areales in Erwägung zu nehmen und event. zu diesem Behufe für die einzelnen Regierungsbezirke aus forst-, land- und volkswirtschaftlichen Ver- trauensmännern zusammengesetzte Kommissionen mit der schleunigen Abgabe von positiven Vorschlägen über die in erster Linie hierzu geeigneten Flächen und die lokal geeignetsten Modalitäten der Urbarmachung und Verzeitpachtung zu betrauen. In den Motiven war die Ausdehnung der demnächst zu rodenden Waldfläche auf 25—30 Quadratmeilen angegeben. Der Antrag wurde einstimmig abgelehnt. Vgl. Forstl. Blätter 1881, S. 58 und 210. 2) In den Kreisen Schlochau, Konitz und Berent liegen nach den Ermittelungen der Generalkommission nicht weniger als 78500 ha devastierter Flächen, welche nun mit groſsen Kosten und Mühen wiederaufgeforstet werden sollen. Zeitschrift für Forst- und Jagdw. 1892. S. 400.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/105>, abgerufen am 28.03.2024.