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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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II. Abschnitt. Forstpolizei.

Die Forstordnungen enthielten im wesentlichen nur das Verlangen,
dass die Waldungen der Landsassen pfleglich und den allgemeinen
Bestimmungen gemäss behandelt werden sollten. Weitergehende Vor-
schriften waren schon wegen des Mangels eines hinreichenden Auf-
sichtspersonales nicht durchführbar.

Wesentlich anders lag das Verhältnis gegenüber den kleinen bäuer-
lichen Waldbesitzern, welche seit dem Ende des Mittelalters infolge des
Niederganges der Markwaldungen an Zahl erheblich zunahmen.

Vom 17. Jahrhundert an entwickelte sich, wenigstens im süd-
lichen und westlichen Deutschland, eine bisweilen sehr tief eingreifende
Bevormundung ihrer Bewirtschaftung. So wurde mehrfach sogar verlangt,
dass in den Privatforsten kein Stamm ohne vorherige Anweisung durch
die landesherrlichen Forstbediensteten gefällt oder kein Holz ohne Er-
laubnis des Amtmannes verkauft werden durfte; im Nordosten von
Deutschland war die Beaufsichtigung eine viel geringere und wurden
hier erst gegen das Ende des 18. Jahrhunderts schärfere Massregeln
angeordnet.

Als sich unter dem Einflusse der französischen Revolution und der
Theorien von Adam Smith eine freiere Auffassung von den Beziehungen
der Staatsgewalt zur Privatwirtschaft Bahn brach, übertrug man diese
auch auf die Forstwirtschaft und glaubte, dass die völlige Freiheit der
wirtschaftlichen Thätigkeit, wie auf anderen Gebieten, so auch hier
das Maximum der Produktion zur Folge haben werde.

So erklärte die bayerische Regierung 1804: Freies Eigentum und
freie Kultur sind die zwei mächtigen Zauberworte, die jedes Land aus
dem elenden wüsten Zustande wie durch einen elektrischen Schlag in
ein Paradies verwandeln (Regierungsblatt vom 22. Februar 1804).

In konsequenter Weise musste die Forstpolizei als Eingriff in die
Rechte des Eigentums und als Hemmnis der freien wirtschaftlichen
Thätigkeit erscheinen und deswegen beseitigt werden.

In Preussen trat durch das Kulturedikt von 1811 an die Stelle
der Gebundenheit des Privatwaldeigentums die freieste Selbstbestimmung.
Teilung und Umwandlung wurden unbedingt gestattet, den Real-
gläubigern und Berechtigten das Recht des Widerspruchs bei ver-
änderter Benutzung, Vereinzelung und ausserordentlichen Holzhieben
entzogen, sofern nach dem Urteile zweier Kreisverordneter diese Ope-
rationen vorteilhaft waren und die Kaufgelder zur Tilgung der Hypo-
thekenschulden oder in die Substanz des Gutes verwendet wurden.

In anderen Staaten ging man weniger weit und gestattete nur
den grösseren Waldbesitzern, von denen man das nötige Mass von
Intelligenz und Wirtschaftlichkeit voraussetzen konnte, freie Bewirt-
schaftung der Waldungen, während den kleinen Privatwaldbesitzern
gegenüber noch ein höheres Mass von Aufsicht beibehalten wurde.


Schwappach, Forstpolitik. 16
II. Abschnitt. Forstpolizei.

Die Forstordnungen enthielten im wesentlichen nur das Verlangen,
daſs die Waldungen der Landsassen pfleglich und den allgemeinen
Bestimmungen gemäſs behandelt werden sollten. Weitergehende Vor-
schriften waren schon wegen des Mangels eines hinreichenden Auf-
sichtspersonales nicht durchführbar.

Wesentlich anders lag das Verhältnis gegenüber den kleinen bäuer-
lichen Waldbesitzern, welche seit dem Ende des Mittelalters infolge des
Niederganges der Markwaldungen an Zahl erheblich zunahmen.

Vom 17. Jahrhundert an entwickelte sich, wenigstens im süd-
lichen und westlichen Deutschland, eine bisweilen sehr tief eingreifende
Bevormundung ihrer Bewirtschaftung. So wurde mehrfach sogar verlangt,
daſs in den Privatforsten kein Stamm ohne vorherige Anweisung durch
die landesherrlichen Forstbediensteten gefällt oder kein Holz ohne Er-
laubnis des Amtmannes verkauft werden durfte; im Nordosten von
Deutschland war die Beaufsichtigung eine viel geringere und wurden
hier erst gegen das Ende des 18. Jahrhunderts schärfere Maſsregeln
angeordnet.

Als sich unter dem Einflusse der französischen Revolution und der
Theorien von Adam Smith eine freiere Auffassung von den Beziehungen
der Staatsgewalt zur Privatwirtschaft Bahn brach, übertrug man diese
auch auf die Forstwirtschaft und glaubte, daſs die völlige Freiheit der
wirtschaftlichen Thätigkeit, wie auf anderen Gebieten, so auch hier
das Maximum der Produktion zur Folge haben werde.

So erklärte die bayerische Regierung 1804: Freies Eigentum und
freie Kultur sind die zwei mächtigen Zauberworte, die jedes Land aus
dem elenden wüsten Zustande wie durch einen elektrischen Schlag in
ein Paradies verwandeln (Regierungsblatt vom 22. Februar 1804).

In konsequenter Weise muſste die Forstpolizei als Eingriff in die
Rechte des Eigentums und als Hemmnis der freien wirtschaftlichen
Thätigkeit erscheinen und deswegen beseitigt werden.

In Preuſsen trat durch das Kulturedikt von 1811 an die Stelle
der Gebundenheit des Privatwaldeigentums die freieste Selbstbestimmung.
Teilung und Umwandlung wurden unbedingt gestattet, den Real-
gläubigern und Berechtigten das Recht des Widerspruchs bei ver-
änderter Benutzung, Vereinzelung und auſserordentlichen Holzhieben
entzogen, sofern nach dem Urteile zweier Kreisverordneter diese Ope-
rationen vorteilhaft waren und die Kaufgelder zur Tilgung der Hypo-
thekenschulden oder in die Substanz des Gutes verwendet wurden.

In anderen Staaten ging man weniger weit und gestattete nur
den gröſseren Waldbesitzern, von denen man das nötige Maſs von
Intelligenz und Wirtschaftlichkeit voraussetzen konnte, freie Bewirt-
schaftung der Waldungen, während den kleinen Privatwaldbesitzern
gegenüber noch ein höheres Maſs von Aufsicht beibehalten wurde.


Schwappach, Forstpolitik. 16
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[241/0259] II. Abschnitt. Forstpolizei. Die Forstordnungen enthielten im wesentlichen nur das Verlangen, daſs die Waldungen der Landsassen pfleglich und den allgemeinen Bestimmungen gemäſs behandelt werden sollten. Weitergehende Vor- schriften waren schon wegen des Mangels eines hinreichenden Auf- sichtspersonales nicht durchführbar. Wesentlich anders lag das Verhältnis gegenüber den kleinen bäuer- lichen Waldbesitzern, welche seit dem Ende des Mittelalters infolge des Niederganges der Markwaldungen an Zahl erheblich zunahmen. Vom 17. Jahrhundert an entwickelte sich, wenigstens im süd- lichen und westlichen Deutschland, eine bisweilen sehr tief eingreifende Bevormundung ihrer Bewirtschaftung. So wurde mehrfach sogar verlangt, daſs in den Privatforsten kein Stamm ohne vorherige Anweisung durch die landesherrlichen Forstbediensteten gefällt oder kein Holz ohne Er- laubnis des Amtmannes verkauft werden durfte; im Nordosten von Deutschland war die Beaufsichtigung eine viel geringere und wurden hier erst gegen das Ende des 18. Jahrhunderts schärfere Maſsregeln angeordnet. Als sich unter dem Einflusse der französischen Revolution und der Theorien von Adam Smith eine freiere Auffassung von den Beziehungen der Staatsgewalt zur Privatwirtschaft Bahn brach, übertrug man diese auch auf die Forstwirtschaft und glaubte, daſs die völlige Freiheit der wirtschaftlichen Thätigkeit, wie auf anderen Gebieten, so auch hier das Maximum der Produktion zur Folge haben werde. So erklärte die bayerische Regierung 1804: Freies Eigentum und freie Kultur sind die zwei mächtigen Zauberworte, die jedes Land aus dem elenden wüsten Zustande wie durch einen elektrischen Schlag in ein Paradies verwandeln (Regierungsblatt vom 22. Februar 1804). In konsequenter Weise muſste die Forstpolizei als Eingriff in die Rechte des Eigentums und als Hemmnis der freien wirtschaftlichen Thätigkeit erscheinen und deswegen beseitigt werden. In Preuſsen trat durch das Kulturedikt von 1811 an die Stelle der Gebundenheit des Privatwaldeigentums die freieste Selbstbestimmung. Teilung und Umwandlung wurden unbedingt gestattet, den Real- gläubigern und Berechtigten das Recht des Widerspruchs bei ver- änderter Benutzung, Vereinzelung und auſserordentlichen Holzhieben entzogen, sofern nach dem Urteile zweier Kreisverordneter diese Ope- rationen vorteilhaft waren und die Kaufgelder zur Tilgung der Hypo- thekenschulden oder in die Substanz des Gutes verwendet wurden. In anderen Staaten ging man weniger weit und gestattete nur den gröſseren Waldbesitzern, von denen man das nötige Maſs von Intelligenz und Wirtschaftlichkeit voraussetzen konnte, freie Bewirt- schaftung der Waldungen, während den kleinen Privatwaldbesitzern gegenüber noch ein höheres Maſs von Aufsicht beibehalten wurde. Schwappach, Forstpolitik. 16

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/259>, abgerufen am 28.03.2024.